Zum Inhalt springen

Axel Vogel spricht zur zweiten Lesung des Landeshaushalts

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Vor uns liegt ein Haushaltsentwurf, der aus den Beratungen in den Ausschüssen des Landtages nur unwesentlich verändert wieder herausgekommen ist. Wie schon schlechte Tradition, so möchte ich sagen, wurden die Änderungsanträge meiner Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zwar gelobt, aber grundsätzlich beiseite gewischt.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)

Dies galt, wenn wir mit unseren Anträgen der Koalition Hilfestellung geben wollten, um deren eigene inhaltliche Forderungen aus der rot-roten Koalitionsvereinbarung auch umsetzen zu können. Dies galt, wenn wir dem Finanzministerium technische Hilfestellung bei der Einstellung der absehbaren Steuermehreinnahmen leisten wollten. Dies galt, wenn wir Hilfestellung bei der Korrektur von Falschveranschlagungen leisten wollten. Und natürlich galt dies, wenn wir die Haushaltsdebatte mit eigenen politischen Ideen bereichern wollten. Ein Zeichen von Stärke von SPD und Linke ist all dies nicht.

So bleibt nach all den Debatten in den Ausschüssen ein fader Geschmack zurück. Allerdings - das ist Ihnen vielleicht aufgefallen - haben wir jetzt nicht eine Fülle von Änderungsanträgen in das Plenum des Landtages eingebracht, obwohl wir eine Fülle von Änderungsanträgen in den Ausschüssen hatten. Ich denke, wir sollten insgesamt als Parlament die Ausschussberatungen ernst nehmen - das heißt, wenn in den Ausschüssen eine fundierte Debatte stattgefunden hat, werden die Mehrheiten sich hier im Plenarsaal nicht grundlegend ändern. Von daher kann man sich verschiedene Sachen auch sparen. Das heißt, wir haben hier nur die Anträge aufrechterhalten und eingebracht, die für uns von exemplarischer Bedeutung sind, für die wir uns auch die Zeit nehmen werden, um in den Reden zu den Einzelplänen darauf einzugehen und dazu Stellung zu nehmen. Das wäre vielleicht auch ein Vorbild für alle anderen Fraktionen in den Haushaltsberatungen der kommenden Jahre.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Haushalt bleibt weit hinter den Möglichkeiten zur Ausgabenkonsolidierungund Senkung der Nettokreditaufnahme zurück. Dabei wären einige Schritte in Richtung nachhaltige Finanzpolitik im Haushaltsjahr 2011 leicht umsetzbar gewesen. Es ist schon angesprochen worden, dass auf Basis der Mai-Steuerschätzung von einer Nettokreditaufnahme in Höhe von 500 Millionen Euro ausgegangen wurde. Heute stehen angesichts der aufgrund der November-Steuerschätzung erwarteten Steuermehreinnahmen für den Landeshaushalt in Höhe von 112 Millionen Euro weiterhin 440 Millionen Euro Nettokreditaufnahme im Haushalt.

Dies zeigt, im Haushalt stehen immer noch 500 Millionen Euro; aber gerade wurden ja die Änderungsanträge zur Beratung in der morgigen Haushaltsausschusssitzung verteilt. Das heißt, dass die Landesregierung eben nicht bereit ist, alle Steuermehreinnahmen zur Senkung der Nettokreditaufnahme heranzuziehen.

Die Koalition hat sich entschieden, diesen Betrag nicht für verringerte Zinszahlungen zu nutzen, sondern 52 Millionen Euro auf die hohe Kante zu legen. Spare in der Zeit, so hast du in der Not! Das ist ein richtiger Satz, wenn man Überschüsse erwirtschaftet, nicht jedoch, wenn er bedeutet: Nimm 52 Millionen Euro zusätzliche Schulden auf und lege sie aufs Sparbuch! Angesichts steigender Schuldzinsen ist dies finanzpolitischer Unfug.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP - Minister Dr. Markov: Was Sie erzählen, ist Unfug! Null Ahnung!)

Die vollständige Einziehung der vom Land vorfinanzierten und auf Grund der LASA-Abrechnungspannen noch ausstehenden Mittel des Europäischen Sozialfonds könnte die Nettokreditaufnahme darüber hinaus um bis zu 142 Millionen Euro reduzieren. Da diese Einnahmen seitens der Landesregierung für 2011 sicher erwartet werden, hätte man diesen Betrag auch in den Haushalt hineinschreiben können. Stattdessen hat man es erst nach Intervention der Opposition im Haushaltsausschuss bei einer Sperre für diese Mehreinnahmen bewenden lassen. Wir befürchten, dass Begehrlichkeiten für eine Inanspruchnahme dieser Mittel damit noch nicht ausreichend der Riegel vorgeschoben worden ist.

Einen Einsparbeitrag könnte auch der sparsame Umgang mit Energieressourcen in Landesliegenschaften leisten; dies wurde von Herrn Görke dankenswerterweise schon angesprochen. Allerdings steckt das Problem im Detail. Mit der Zentralisierung der Landesliegenschaften beim BLB hat das MdF einen Kreislauf eingeführt, der während des Haushaltsjahres den Ministerien für die fiktive Anmietung von Landesliegenschaften jährlich steigend Finanzmittel entzieht, die am Ende dann als abzuführende Überschüsse des BLB im Einzelplan 20 wieder im Etat des Finanzministers landen. So etwas heißt im Volksmund: Rechte Tasche - linke Tasche. Diese Mittel stehen damit aber dem BLB auch nicht zur Verfügung, um engagiert Energieeinsparmaßnahmen voranzutreiben. Das heißt, Einsparpotenzial bei den Betriebs- und Nebenkosten wird damit nicht mobilisiert.

Energie-, Strom- und Entsorgungsdienstleistungen werden von Dritten zur Verfügung gestellt und belasten den Haushalt dauerhaft, sie sind unwiederbringlich verloren, wenn sie einmal ausgegeben wurden. Von daher müssen wir natürlich auch ein Interesse daran haben, jenseits des Problems, dass der BLB gefordert ist, investive Maßnahmen einzuleiten, dass auch maximaler Druck auf ein geändertes Nutzerverhalten ausgeübt wird. Wer zum Fenster hinausheizt, muss seine Verschwendung eben mit Einsparungen bei anderen Verwaltungstiteln kompensieren. Das ist unsere Idee, und deswegen wollen wir hier 4,5 Millionen Euro einsparen.

Kürzungen rund um das gescheiterte Programm „Arbeit für Brandenburg“ ergäben weitere 3,3 Millionen Euro an Einsparvolumen. Dazu werden wir in den Einzelplanberatungen weiter Stellung nehmen.

Zu den von uns vorgeschlagenen weiteren Kürzungen im Straßenbau, bei den Kreditnebenkosten, den Personalverstärkungsmitteln und den verlorenen Zuschüssen bei der Wirtschaftsförderung möchte ich nun nichts weiter ausführen, da wir diese als Deckungsvorschläge für die uns besonders am Herzen liegenden Schwerpunkte „Verbesserung der Bildungsqualität“ und „Verbesserung der Kommunalfinanzen“ durch Streichung des Vorwegabzugs in Höhe von 50 Millionen Euro herangezogen hatten. Hierzu werden wir bei der Beratung der Einzelpläne ausführlich Stellung beziehen.

Alles in allem: Auch dieser Haushalt ist ein Kompendium verpasster Chancen für die Haushaltskonsolidierung und zur grundlegenden Neuausrichtung der Haushaltspolitik. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde es - abseits der Tagespolitik - jedoch bemerkenswert, auf welche Art sich die Koalitionsabgeordneten auch dieses Mal vom MdF bereitwillig haben entmündigen lassen. Der Finanzminister hat in § 2 Abs. 5 Haushaltsgesetz genauso wie im Jahr 2010 eine zusätzliche Kreditermächtigung in Höhe von 8 % des Haushaltsansatzes - also in Höhe von 800 Millionen Euro - ohne Mitwirkungsrechte des Haushaltsausschusses einschreiben lassen. Das ist bei der Nettokreditaufnahme in Höhe von 500 Millionen Euro eine absolut

inakzeptable Größe. Versuche von uns Bündnisgrünen, die Millionenbeträge für das Aufhübschen von Immobilien durch die BBG unter Vorbehalt zu stellen, wurden abgelehnt. Bis heute halten die Koalitionäre an der Selbsttäuschung fest, dass es sich beim Marczinekschen Firmenimperium um grundsolide und seriöse Geschäftspartner handelt, deren Vertragsabschlüsse mit Tochterunternehmen keine Nachteile für das Land hervorrufen. Wollen wir hoffen, dass sie von der Realität oder vom Untersuchungsausschuss nicht sehr bald eines Besseren belehrt werden.

Bemerkenswert ist aber auch, wie ungerührt die Koalitionsabgeordneten es hinnehmen, dass gerade einmal sechs Monate alte vorgeblich „feste Zusagen“ von Ministern der Landesregierung nicht eingehalten wurden. Ich möchte hier an die Aufsplittung der Titel im Bereich ELER erinnern, bei denen nicht erkennbar ist, in welchen Programmen 20 Millionen Euro eingespart werden sollen. Welche Schwerpunkte betroffen sind, ist nicht zu erkennen - und das, obwohl der Staatssekretär - letztmalig am 30.09.2010 - zugesagt hatte, dies vorzulegen. Das heißt jedoch: Wir entscheiden heute über einen Haushalt mit wesentlichen Titeln, bei denen wir überhaupt nicht wissen, wofür die Mittel verwendet werden sollen. Dass die Landesregierung auch Zusagen gegenüber dem Landesrechnungshof
nicht einhält, ist nur das „Tüpfelchen auf dem i“. Ich empfehle allen die Lektüre der Seite 52 des Landesrechnungshofberichts für das Jahr 2011, aus der hervorgeht, dass die Landesregierung angeblich zugesagt hat, § 2 Abs. 4 des Haushaltsgesetzes anzupassen. Der Hintergrund: Die Landesregierung hat Gelder in Yen-Anleihen aufgenommen und diese gleichzeitig für denselben Zeitraum als Termingeld angelegt. Die Landesregierung meint, als Bank agieren zu können. Das wurde vom Rechnungshof zu Recht kritisiert und ist durch den Haushalt nicht abgedeckt, aber die Korrektur des Haushaltsgesetzes an dieser Stelle erfolgt - obwohl versprochen - nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nach diesen Vorbemerkungen noch einige Worte über den Einzelplan des Landtags verlieren. Es ist eine gute Tradition, dass die erste Runde der Haushaltsdebatten durch die Haushaltspolitiker geführt wird. Es ist aber eine schlechte Tradition, dass dabei untergeht, dass wir eigentlich auch über den Einzelplan des Landtages reden. Der Einzige, der diesen angesprochen hat, war Herr Büttner.

Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2010 wurde beschlossen, nach der Zusammenlegung der Datenaufsichtsbereiche noch einmal die Personalausstattung zu bewerten. Wir haben diesen Auftrag ernst genommen und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass mit der gegenwärtigen Personalausstattung Prüfungen im
privaten Prüfungsbereich von Amts wegen ausgeschlossen sind. Der bisherige Prüfungsumfang im öffentlichen Bereich ist auch nicht mehr aufrechtzuerhalten. Der Arbeits- und Aufgabenumfang der Landesbeauftragten hat rapide zugenommen. Die Durchführung von Ordnungswidrigkeitsverfahren wurde ohne Personalausgleichsmaßnahmen übertragen. Beschwerden haben um ein Drittel zugenommen. Die IT-Sicherheit ist eine aufwändige Großbaustelle, die nicht erkennen lässt, wie die Probleme gelöst werden sollen. Angesichts dieser Entwicklung ist die Aufstockung des Personalbudgets dringend erforderlich. Diese Position wurde in den Ausschussberatungen durch die Landesbeauftragte ausdrücklich bestätigt. Dies greifen wir mit unserem Antrag auf. Für den Haushalt der bei uns - dem Landtag - angesiedelten Datenschutzbeauftragten sind auch wir als Landtag unmittelbar verantwortlich, und eine Verschiebung der Verantwortlichkeit auf die Landesregierung ist nicht möglich. Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag auf Aufstockung um drei zusätzliche Stellen zuzustimmen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die Berichterstattung der letzten Tage verfolgt hat, weiß, dass die Kosten für den Landtagsneubau um einen zweistelligen Millionenbetrag zu steigen drohen und dass es möglicherweise bereits 2011 zu zusätzlichen Belastungen in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro

(Görke [DIE LINKE]: 4,6 Millionen Euro!)

kommen wird. Wer denkt, dass er hierzu Zahlen im Haushalt des Landes findet, sieht sich getäuscht. Weder der Haushaltsentwurf für 2011 noch die mittelfristige Finanzplanung lassen irgendwelche Risiken erkennen. Noch schlimmer: Nicht einmal die schon jetzt feststehenden Kosten sind im Haushalt ersichtlich. Weder im Einzelplan des Landtags noch im Einzelplan 20 finden sich außer Leertiteln mit Mittelansatz „Null“ Hinweise auf demnächst anfallende Kosten. Diese Intransparenz ist zum einen Folge dessen, dass wir hier im Lande immer noch - wie unsere Vorväter - den Haushalt strikt nach den Grundsätzen der Kameralistik, statt wie Bremen, Hamburg und Hessen nach den Grundsätzen der Doppik aufbauen. Die Kameralistik ist zu einem Großteil blind für eingegangene Risiken und zukünftige Zahlungsverpflichtungen. Diese Intransparenz ist aber auch unmittelbar Folge der Ausgestaltung des Landtagsneubaus als ÖPP-Projekt. Erst wenn das Gebäude vom Landtag in Nutzung genommen wird, werden die Kosten im Haushalt sichtbar. Deshalb sind weder die Baukosten in Höhe von 120 Millionen Euro plus X noch die vom Bauträger in Anspruch genommenen Kredite und die zu zahlenden Zinsen noch die zukünftigen Gebäudemanagementkosten - obwohl schon vertraglich festgelegt - im Haushalt ersichtlich.

Laut den aktuellen Planungen wird der Landtagsneubau das Land ab dem Jahr 2013 mit 9 bis 10 Millionen Euro jährlich für Zinsen, Tilgung und Bewirtschaftung belasten. Für die Bewirtschaftung des Landtagsneubaus ist ab dem Jahr 2013 durch den Projektpartner eine Summe von 2,3 Millionen Euro eingeplant. Ab 2018 steigen die Aufwendungen auf rund 3 Millionen Euro an und sollen dann bis ins Jahr 2042 stabil bleiben. Urteilen Sie selbst: Sind über 25 bis 30 Jahre konstante Gebäudemanagementkosten überhaupt realistisch? Was ist mit Inflationsraten, Tarifsteigerungen und steigenden Energiekosten? Entweder zahlen wir am Anfang viel zu viel, oder dem Projektpartner geht irgendwann die Luft aus, und wir bleiben auf den Kosten hängen. Eine dritte Möglichkeit sehe ich nicht.

Über die bei solchen Projekten übliche Finanzierungskonstruktion, die das Land mit deutlich über dem Marktzins für Staatsanleihen liegenden Zinsen belasten wird, schweige ich mich besser aus, weil ich nicht weiß, inwieweit diese Regelungen unter die Vorgabe der Vertraulichkeit fallen. Aber spätestens ab 2013, wenn die Ausgaben für Zinsen und Tilgungen im Haushalt veranschlagt werden müssen, kann jeder ausrechnen, dass ein Zinssatz von über 4 % alles andere als ein Schnäppchen für das Land ist. Ich möchte es nicht beim Beklagen dieses Zustands belassen. Da wir Bündnisgrüne weder in der Planungs- noch in der Entscheidungsphase in diesem Landtag vertreten waren, könnten wir es uns nun furchtbar leicht machen und so tun, als ob wir schon immer viel schlauer gewesen seien als die Landtagsmehrheit, und einfach einmal ins Blaue hinein die Rückabwicklung dieses Vertrags fordern. Das werden wir jedoch nicht tun. Angesichts der sich abzeichnenden Kostensteigerungen wollen wir dennoch ganz genau wissen, welche Vertragsstrafe wir für einen Ausstieg aus dem Vertrag zahlen müssten, um das Für und Wider abwägen zu können. Möglicherweise ist ein Ende mit Schrecken hier tatsächlich die richtige Entscheidung. Deshalb: Fakten auf den Tisch und eine tabulose Diskussion über die möglichen Alternativen! Der Antrag der CDU-Fraktion zum Einzelplan 20 zeigt schon in die richtige Richtung.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem Haushaltsentwurf 2011 - dem ersten Haushalt, den diese Landesregierung ohne Rückgriff auf die Vorgängerregierungen in Eigenverantwortung aufgestellt hat - ist Rot-Rot noch kein großer Wurf gelungen. Er schreibt im Wesentlichen die Vorjahreszahlen fort, setzt wenig neue Akzente und nutzt die Chancen der sich festigenden Wirtschaftslage zur Haushaltskonsolidierung nur unzureichend. Den Beweis für diese pessimistische Einschätzung werden wir in den nächsten drei Tagen führen. Insofern werden Sie verstehen, dass unsere Vorfreude auf die vor uns liegenden Debatten begrenzt ist. - Herzlichen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

>>> Redemanuskript als pdf