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Axel Vogel spricht zur Großen Anfrage unserer Fraktion "Wirtschaftlichkeit des BER"

>>> Redemanuskript als pdf

>>> die Große Anfrage unserer Fraktion zur Wirtschaftlichkeit des BER als pdf

>>> Entschließungsantrag unserer Fraktion als pdf

Es gilt das gesprochene Wort ! -

Sehr geehrter Herr Präsident, Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Der Flughafen Willy Brandt (BER) ist mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 2,4 Milliarden Euro gegenwärtig eines der größten Infrastrukturprojekte Europas. Er ist aber zugleich auch der größte finanzielle Risikofaktor für den Brandenburger Landeshaushalt.

Wieso?

Nach dem 2002 endgültig gescheiterten Versuch den Flughafen in privater Trägerschaft errichten und betreiben zu lassen, fiel die Entscheidung die parallel laufende Flughafenbauplanung durch die Berlin-Brandenburger Flughafen Holding und deren Tochterunternehmen fortzusetzen. Die bis dahin zweigleisige Strategie der Eigentümer der BBF, den Betrieb der Flughäfen und die Planung des Neubaus als öffentliches Unternehmen durchzuführen und gleichzeitig dieses öffentliche Unternehmen zu privatisieren, war beendet.

Damit trägt das Land Brandenburg über seine 37 Prozent-Beteiligung am Stammkapital und eine Bürgschaft in Höhe von 888 Millionen Euro große Teile des Investitions- und Betriebsrisikos der Flughafengesellschaft.

Zusätzlich hat Brandenburg seit 2005 Eigenkapitalzuführungen in Höhe von 159,1 Millionen Euro der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH zugewiesen. Auch die beschränkte Haftung wird das Haftungsrisiko der Gesellschafter nicht aufheben. Ein Stammkapital von 30.000 Euro finanziert eine Investition von 2,4 Milliarden Euro. Ein Paradebeispiel für den Tatbestand der „materiellen Unterkapitalisierung". Infolge einer solchen völlig unzureichenden Stammkapitalausstattung im Verhältnis zu der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens ist der Zugriff durch den Schutzmantel des Haftungsprivilegs möglich. Wohl und Wehe des Flughafens haben damit unmittelbar auch Auswirkungen auf unseren Landeshaushalt.

Diese Betreiber- und Bürgschaftsstruktur in öffentlicher Hand war aber zurecht nie politischer Wunsch des Landes Brandenburg , sondern wurde durch die äußeren Umstände erzwungen. Erklärtes politisches Ziel des Landes war dagegen und zurecht immer die Privatisierung der Berliner Flughäfen und des Flughafenneubaus. Gescheitert sind diese Versuche, ich zitiere aus dem Planfeststellungsbeschluss: „ an den nicht vereinbaren Vorstellungen der Verhandlungspartner über die Vertragsbedingungen, insbesondere die Verteilung der Risiken zwischen den privaten Erwerbern und der öffentlichen Hand."

Erst nachdem also private Investoren das Betriebs- und Investitionsrisiko der angeblichen Goldgrube Großflughafen nicht tragen wollten, wurden die Risiken alleine dem Steuerzahler aufgehalst. Offenkundig konnten potentielle Geldgeber in der Region Berlin Brandenburg nicht das Aufkommenspotential für einen gewinnbringend zu betreibenden Großflughafen erkennen. Wir fragen uns, warum diese Erkenntnis bis heute nicht Allgemeingut geworden ist, sondern die Politik in Berlin und Brandenburg immer noch der Chimäre einer Goldgrube Großflughafens hinterherläuft.

Mit unserer Großen Anfrage wollen wir die öffentliche Debatte auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Die Unterstützer des Flughafens erwarten einen unvergleichlichen Wirtschaftsboom durch einen uneingeschränkten Großflughafen für unsere Region. Viele Gegner fürchten durchgreifende Beeinträchtigungen ihrer Lebensqualität, weil auch sie einen riesigen prosperierenden Flughafen erwarten.

Unbestritten ist für uns, dass der gegen das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens und gegen den ursprünglichen Willen des Landes Brandenburg am Standort Schönefeld errichtete Flughafen sich in seinem Betriebskonzept an der Lage im urbanen Raum ausrichten muss, und selbstverständlich muss die im Planfeststellungsbeschluss vorgegebene Zahl von 360.000 Flügen pro Jahr die absolute Obergrenze für diesen Flughafen darstellen.

Richtig ist: Das Ziel des Gesellschafters Land Brandenburg ist die Finanzierung der Betriebskosten und der Refinanzierung der Investition aus dem laufenden Betriebseinnahmen des Flughafens. Ein Blick in den Geschäftsbericht 2009 der Berliner Flughäfen zeigt die Brisanz: und wer Ohren hat um zu hören, der höre jetzt auch bitte zu, damit er sich nicht hinterher darauf herausredet, von der Lage nichts gewusst zu haben: Dort heißt es: „Mit der Inbetriebnahme des neuen Flughafens muss die Profitabilität noch einmal gesteigert werden, um die Kredite bedienen zu können." Zu deutsch: Die absehbaren Einnahmen aus dem Flughafenbetrieb reichen nicht einmal aus die Kredite zu bedienen, und ich füge hinzu: Wenn mit der Inbetriebnahme von BER am 3.6.2012 die Investphase vorbei ist und erstmals die Abschreibungen in der Gewinn- und Verlustrechnung zu Buche schlagen, droht der Flughafen tief in die Verlustzone zu geraten.

Aber ist diese Rentabilitätssteigerung überhaupt möglich? Liegt die Zukunft des Flughafens wie es uns der oberste Berlinversteher weismachen will in einer Expansionsstrategie oder drohen bei weiteren Millioneninvestitionen nicht nur am Ende die Berliner auf ihre sprichwörtliche Schnauze zu fallen sondern wir Brandenburger gleich mit. Wir fürchten letzteres.

Aus der Antwort der Landesregierung auf unsere Anfrage lassen sich die kritischen Punkte ersehen, die über den Erfolg dieses Flughafens entscheiden und die zugleich deutlich machen, warum es verfehlt ist immer mehr Geld für immer neue Ausbauvorhaben aufzubringen.

Die zentralen vier Risiken für die Rentabilität des Flughafens Willy Brandt (BER) sind die

  • starke Abhängigkeit vom innerdeutschen Flugverkehr,
  • der große Anteil von Billigfliegern (Low-Cost-Carriern)
  • die Schieflage des potentiellen Hauptcarriers Air Berlin und
  • die starke Abhängigkeit vom Non-Aviation Bereich.

Risiko Nummer 1.) Die starke Abhängigkeit vom innerdeutschen Flugverkehr,

Ganz im Gegensatz zum übrigen Deutschland, in dessen Flughäfen der innerdeutsche Flugverkehr mit 15% Anteil nur begrenzte Bedeutung hat, ist dieser mit einem Anteil von 36% ein entscheidendes Standbein des Berliner Flugbetriebs. Dagegen ist der interkontinentale Flugverkehr in Berlin mit 5% eigentlich nicht erwähnenswert.

Perspektivisch werden die von uns Grünen ausdrücklich begrüßte und unterstützte Veränderungen der externen Rahmenbedingungen, wie steigende Flugverkehrssteuern, Kerosinsteuer, CO2-Emissionshandel, Verlagerung der innerdeutschen Verkehrsströme auf die Schiene und geändertes Nutzerverhalten, das Wachstum des Berliner Flugverkehrs demnach überproportional stark begrenzen.

Risiko Nummer 2:.) Der große Anteil von Billigfliegern (Low-Cost-Carriern)

Besonders relevant für die Rentabilität des Flughafens ist auch der Anteil des Low-Cost-Flugverkehrs (vulgo: Billigflieger), der am gesamten Berliner Flugverkehr seit fünf Jahren stabil 27% erreicht. Die Antworten zu Frage 65 bis 67 verdeutlichen das große Risiko aus dieser Struktur. Zusammenfassend möchte ich einen Satz zitieren: „Nach Angaben der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH hat die Luftverkehrssteuer negative Auswirkungen, die sich insbesondere auf die innerdeutschen Strecken im Low-Cost-Bereich auswirken." Um die Bedeutung diese Satz besser zu gewichten und einen Eindruck für die Preissensibilität in diesem Segment des Flugverkehrs zu liefern, reicht ein Blick auf den Sommerflugplan 2011 von Ryanair in Frankfurt Hahn. Die Flugverkehrssteuer reduziert das Angebot um 30% und die Passagierzahlen sinken um 1 Million. Aber nicht genug damit, ein Blick auf unsere Nachbarländer zeigt: Billigflieger sind ein flüchtiges Gut, man könnte auch Wanderzirkus sagen: Steigen irgendwo die Kosten sind sie ganz schnell über alle Grenzen.

Risiko Nummer 3.) Die Schieflage der potentiellen Hauptairline Air Berlin

Über ein Drittel des Hautstadtflugverkehrs bestreitet die Air Berlin, die nach dem Abwinken der Lufthansa als Hauptträger eines Internationalen Luftdrehkreuzes Schönefeld auserkoren war. Die zur Verhinderung des finanziellen Absturzes erfolgte Berufung von Ex-Bahnchef Mehdorn an die Spitze von Air Berlin sollte daher bei allen Wachstumsträumern Alarmstufe rot auslösen.

Die Botschaft der neuen Unternehmensführung ist deutlich (und richtig): Verknappung des Linienangebots, Verringerung der Anzahl der Flugzeuge und bessere Auslastung jedes einzelnen Fluges. Das rapide Wachstum der Air Berlin wird nun durch eine Konsolidierungsphase abgelöst. Dabei wird die Abhängigkeit des Flughafens von der Air Berlin zukünftig wohl eher größer als kleiner. Die Dominanz der Lufthansa in Frankfurt und München mit Marktanteilen von 50% an beiden Flughäfen weist die Richtung.

Risiko Nummer 4: Die starke Abhängigkeit vom Non-Aviation Bereich.

Die von der Abhängigkeit vom Non-Aviation Bereich bestehende Unsicherheit geht leider aus der Antwort auf die Große Anfrage nicht hervor. Laut Jahresbericht der Flughäfen trägt der Non-Aviation Bereich, Einzelhandel und Serviceflächen im Flughafen, bisher 17% zum Gesamtumsatz bei. Für einen rentablen neuen Flughafen wird dieser Anteil viel zu niedrig sein. Den Antworten auf die Fragen 76/77 ist zu entnehmen, dass die Entgelte für Starts und Landungen gegenwärtig noch zu einer Kostendeckung des Flughafenbetriebs führen, diese Kostendeckung am neuen Flughafen jedoch nicht erreicht wird.

Für die Rentabilität werden daher die Umsätze aus dem Non-Aviation Bereich entscheidend sein. Überspitzt formuliert: Der neue Flughafen soll wie ein Shopping-Center mit eigenen Landebahnen geführt werden. Daraus resultieren aber ganz neue Fragen zur möglichen Rentabilität des Flughafens. Die Kaufkraft der Region rückt in den Mittelpunkt. Die Bedeutung des Umsteigeverkehrs als potentieller Devisenbringer nimmt zu. Welche Fluggäste bringen den größten Non-Aviation Umsatz? Das öffentliche Unternehmen FBS agiert in einem hoch riskanten und stark konjunkturabhängigen Markt. Wie sollen die öffentlichen Kontrolleure eine Unternehmenspolitik unter solchen Marktbedingungen nachvollziehen?

Um die Refinanzierung des eingesetzten Fremdkapitals zu gewährleisten, setzt der Businessplan des Flughafens „Willy Brandt" auf eine Ausbau- und Wachstumsstrategie.

Diese wirtschaftlichen Erwägungen für eine Ausweitung des Flugverkehrs am Flughafen „Willy Brandt" stehen die Lärmbelastung der Bewohner im urban geprägten und bevölkerungsreichen Umfeld des BER und dem klimapolitisch nicht erwünschten zunehmendem Ausstoß von Klimagasen des Flugverkehrs entgegen.

Entwicklungsziele für den BER müssen diesem Spannungsfeld gerecht werden. Die Refinanzierung muss sichergestellt werden. Zugleich ist die Emissionsbelastung auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren. Jüngste Maßnahmen verschiedener Airlines, die durch die Angebotsausdünnung ihrer Linienflüge die Auslastung und Rentabilität der einzelnen Flugbewegungen steigern wollen, weisen hier bereits den Weg.

Ich denke unser Entschließungsantrag zeigt ausgewogene Antworten auf.

  • Mit der Begrenzung der Flughafenentwicklung auf die Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses,
  • mit einer konservativen Businessplanung, die nicht auf Expansion setzt sondern auch bei rückläufigen Flugverkehr keine Verluste produziert und
  • und mit der Aufforderung an die Landesregierung die Möglichkeiten einer Privatisierung aufzuzeigen.

Ich bitte hierfür um Ihre Unterstützung.

Vielen Dank.