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Axel Vogel spricht zur bündnisgrünen Großen Anfrage „Bergschäden durch den Braunkohlebergbau“

- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Wenn man den Hochglanzbroschüren von Vattenfall glaubt, könnte man den Eindruck gewinnen, dass in der Lausitz mit großem technischen Aufwand ein paar große Löcher gegraben werden, wertvolle Braunkohle hieraus entnommen wird und am Ende eine wundervolle Seenlandschaft entsteht. Gleichzeitig verdient quasi als Nebeneffekt bei dieser Aktion das Braunkohleunternehmen viel Geld und verteilt es an seine Angestellten und regionale Zulieferer weiter, füllt nebenher das Steuersäckel auf, sodass alle etwas davon haben. Fast nebenbei wird mit der entnommenen Braunkohle noch jede Menge preiswerte Energie erzeugt, die neuerdings auch noch den Ausbau der erneuerbaren Energien flankierend unterstützt. Allerdings werden in dieser märchenhaften Verzerrung der Realität die Folgelasten für Mensch, Umwelt, Natur und Klima, für Wasserhaushalt und Atmosphäre wie auch die gesellschaftlichen Folgelasten ausgeblendet.

Mit unserer Großen Anfrage „Bergschäden durch den Braunkohlebergbau" wollten wir erfahren, wie sich die Landesregierung zu den tatsächlichen Sorgen und Problemen der Menschen verhält - gegenüber denjenigen vor Ort, die nicht das Glück haben, nur von fern auf die Braunkohletagebaue zu schauen, Familien, die am Rande der Tagebaulöcher wohnen und damit konfrontiert sind, dass Nachbardörfer mit Verwandten oder Freunden oder vielleicht auch nur die Wege dorthin unwiderruflich verschwinden, Bürger, die wir pauschal als Tagebaurandbetroffene bezeichnen, deren Schicksale aber keineswegs pauschal abgehandelt werden können.

Da ist zum Beispiel das Dorf Neupetershain am Westrand des Tagebaus Welzow. Einige Häuser des Dorfes stehen nur ca. 200 m von der Abbaukante entfernt. Dort stellten seit 2005 mehrere Anwohner Risse an ihren Gebäuden fest. Ein typischer Fall ist eine Bewohnerin, die sich mit ihrer Schadensvermutung von Setzungsrissen infolge der Grundwasserabsenkung an Vattenfall wandte, damit der Schaden repariert und entschädigt werden kann. Vattenfall verweigerte jedoch die Schadensregulierung mit dem Hinweis, dass die Ursache Bergbau nicht nachzuweisen sei. Der Betroffenen blieb nur der Weg, privat einen Gutachter mit der Schadensbegutachtung zu beauftragen und auf eigenes Risiko vorzufinanzieren.

Nun liegt Vattenfall seit mehr als einem Jahr ein Gutachten der betroffenen Hausbesitzerin vor, welches bestätigt, dass die Schadensursache vermutlich Setzungen infolge des Bergbaus sind. Doch Vattenfall ist weiterhin nicht gewillt, den Schaden detaillierter zu untersuchen oder ihn zu begleichen. Es scheint dort am Rande des Tagebaulochs keine Behörde zu geben, die ein Beweissicherungsverfahren anordnet. Es gibt offenbar keine staatliche Instanz, welche die Einschätzung Vattenfalls überprüft, nicht einmal eine Schlichtungsstelle, an die sich die Betroffenen wenden können. Ich sage: Es gibt diese Schlichtungsstelle noch nicht, da auch die Landesregierung die Sinnhaftigkeit einer solchen Schlichtungsstelle in der Antwort auf die Frage 17 in der Großen Anfrage bejaht. Einziger Knackpunkt: Für die Einrichtung einer solchen Stelle müsste das Unternehmen bereit sein, mitzuarbeiten. Das ist jedoch offensichtlich nicht der Fall. Jedenfalls wäre das ein schönes Thema gewesen, Herr Minister

Christoffers, für den Vertrag mit Vattenfall, den die Landesregierung erst vor wenigen Tagen vorgestellt hat. In der offiziellen Verlautbarung ist dazu allerdings nichts zu finden.

Aus Neupetershain, Welzow und Proschim haben sich 38 Betroffene in der Bürgerinitiative „Vermutete Bergschäden" zusammengeschlossen, die sich im Mai dieses Jahres in einem offenen Brief mit ihrem Anliegen an uns Abgeordnete gewandt haben. Dort ist die von den von Bergschäden Betroffenen als demütigend empfundene Situation beschrieben, die seit 2005 Schadensbildung an ihren Gebäuden feststellen und seitdem noch keinen Schritt in Richtung Schadensregulierung weitergekommen sind.

Die Feststellung der Ursachen wird immer schwieriger, weil eine kontinuierliche flächendeckende Beweissicherung nicht stattfindet. Dabei muss immer die rechtlich missliche Situation der Betroffenen im Auge behalten werden. Vattenfall und die LMBV gelten so lange als unschuldig an dem Bergschaden, bis ihnen der Geschädigte zweifelsfrei die Ursache Bergschaden infolge des Bergbaus nachweisen kann. Verbleibt auch nur der geringste Zweifel an der Ursache, gilt für den Tagebaubetreiber die Unschuldsvermutung. Das ist in unseren Augen eine absurde Rechtslage, die dringend mit einer Beweislastumkehr korrigiert werden muss, einer Beweislastumkehr, die übrigens für den untertägigen Steinkohlebergbau gilt.

Das ist eine Position - das erfreut mich sehr, deswegen hätten hier jetzt auch noch andere klatschen können -, die laut Antwort der Landesregierung auf die Frage 15 auch von der Landesregierung zumindest zaghaft unterstützt wird. Aktuell aber macht Vattenfall die Regel noch selbst, wann und wer entschädigt wird. Gezahlt wird laut Auskunft der Landesregierung nur in der Hälfte – genau 51 % – der Fälle und laut Auskunft der Betroffenen extrem zeitverzögert sowie nur dann, wenn die Betroffenen eine Stillschweigevereinbarung unterzeichnen. Ein Vergleich der Entschädigungszahlungen bei gleichgelagerten Fällen ist daher nicht möglich. In 43 % der Fälle wird eine Entschädigung abgelehnt. Die Landesregierung schreibt in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage zu diesem Umgang der beiden Bergbauunternehmen Vattenfall und LMBV: „Diese Vorgehensweise stellt ein weitgehendes Entgegenkommen der beiden Lausitzer Bergbauunternehmen dar ..."

Doch es sind nicht nur die Schäden am Eigentum, die uns in der Großen Anfrage beschäftigt haben, sondern auch die Gesundheitsgefährdung für die Menschen. So wird dem aktiven Tagebau bescheinigt, dass er keine Erhöhung der Feinstaubbelastung verursache. Dennoch stellen Bewohner des Tagebaurands immer wieder tage-, wochen- und monatsweise eine ungewöhnlich starke Staubbelastung fest. Die Staubbelastung wird nur von Vattenfall dokumentiert und erst nachträglich den Behörden vorgelegt. Bereits die zulässigen 35 Überschreitungen des Tagesmittelwertes pro Jahr bedeuten aber eine erhebliche Belastung der Anwohner. Gemessen wird nämlich ein sogenannter Emissionsjahreswert, ein Durchschnittswert Vorjahr, der an 35 Tagen im Jahr überschritten werden darf. Die Geheimniskrämerei um die Daten und die mangelnde Neutralität der Messungen - es misst nicht das Landesumweltamt – vergiften darüber hinaus die Atmosphäre.

Ein anderes Beispiel für die Gesundheitsgefährdung haben wir gestern der „Lausitzer Rundschau" entnehmen können: Die Stadt Welzow möchte eine Schallpegelmessung installieren, um die Geräusche aus dem näher rückenden Tagebau aufzuzeichnen. Denn seit dem Sommer klagen Anwohner zunehmend über unerträgliche Geräusche von Bandanlagen und Förderbrücke: „Vor allem nachts halten es viele Menschen nicht mehr aus", heißt es hier. Herr Dr. Ulrich Obst vom Landesbergamt erläuterte dagegen, dass es momentan kein technisches Messgerät für den Dauerbetrieb gebe, das die Geräusche aus dem Tagebau vom Siedlungslärm und anderen Einflüssen trennen könne und damit gerichtsfeste Werte liefere. Damit ist das Problem sehr deutlich geworden: Man kann zwar messen, aber letztlich – Stichwort keine Beweislastumkehr – besteht keine Möglichkeit, gerichtsfest nachzuweisen, dass die Lärmbelastung unerträglich ist und dafür Entschädigungen zu leisten sind.

Unserer Auffassung muss es möglich sein, relevante Informationen zum Bergbau nicht nur an vielen Stellen im Lande zu haben - das ist ein Ergebnis der Großen Anfrage –, aktuell beim Landesbergamt, beim LUGV, bei Vattenfall, bei LMBV. Der Zugang zu diesen Informationen ist unterschiedlich geregelt. Betroffene werden teilweise von Amt zu Amt, von Pontius zu Pilatus geschickt. Das ist kein Weg.

Grundvoraussetzung dafür, dass überhaupt jemand seine Rechte geltend machen kann, ist, dass er über eine grundlegende Information seiner Probleme verfügt. Da bietet sich, wie es in anderen Bereichen auch möglich ist, eine „One Stop Agency", also ein einheitlicher Ansprechpartner an, bei dem alle diese Informationen gesammelt werden und jeder und jede die Möglichkeit hat, die Information ohne große Probleme zu erhalten.

Es ist einfach an der Zeit, pragmatisch zu denken und pragmatisch zu handeln. Bis zur Einführung der Beweislastumkehr im Bundesbergrecht - vielleicht kommt sie ja mit der neuen Regierungsbildung auf Bundesebene, die angesichts der geschilderten Fälle eigentlich niemand infrage stellen kann, benötigen wir nicht nur eine Schlichtungsstelle für die Betroffenen, sondern auch eine neue Kultur im Umgang mit den Betroffenen des Bergbaus. Denn diese Menschen müssen für die Energieversorgung anderer eine große Last auf sich nehmen.

Wir schlagen deshalb in unserem Entschließungsantrag vor, zügig diese Landesinformationsstelle Bergbau einzurichten, um auch Schwellenangst, einen vermuteten Bergschaden zu melden, zu reduzieren, um verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen, um die Auswirkungen des Bergbaus besser zu dokumentieren und um letztlich auch den gesetzlichen Anforderungen des Umweltinformationsgesetzes in Brandenburg endlich zum Durchbruch zu verhelfen.

Ich denke, wir alle können mit der Umsetzung und der Annahme dieses Antrages erreichen, dass die Bürgerinnen und Bürger verlorengegangenes Vertrauen in das Land Brandenburg und die Bergbauunternehmen zurückgewinnen können – auf der Basis eines fairen Informationszuganges und darauf aufbauender Schadensregulierung.

Recht herzlichen Dank.

Redemanuskript als PDF

Die Große Anfrage und die Antwort der Landesregierung als PDF