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Axel Vogel spricht zum Gesetzentwurf zum Nachtragshaushaltsgesetz und zum Antrag „Schuldentilgung mit Zinsminderaussagen“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Präsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

Haushaltsdebatten gelten ja als Königsdisziplin der parlamentarischen Arbeit, in denen breit angelegt über die wesentlichen Ziele der Landesregierung und die dazu erforderlichen und bereitstehenden Haushaltsmittel diskutiert wird. Um diesen Ruf als Königsdisziplin zu rechtfertigen, müssen aber auch die entsprechenden Grundlagen vorliegen, muss ein Mindestmaß von politischen Aktivitäten erkennbar werden, über die es sich zu diskutieren lohnt. Derartige in die Zukunft weisende politische Aktivitäten sind in dem vorgelegten Nachtragshaushalt erkennbar nicht vorhanden.

Auf das Haushaltsjahr 2013 bezogen wird überhaupt nicht erkennbar, wozu das ganze vollgeschriebene Papier erforderlich und gut sein soll, auf den Haushalt 2014 bezogen lassen sich die Aktivitäten auf einen Punkt fokussieren: Die Bewältigung der Bauruhe am Flughafen BER. Alles andere ist Haushaltslyrik.

Nunmehr sollen also Ausgaben für BER in Höhe von 164 Millionen Euro aus 2013 nach 2014 verschoben werden. Aber wieso 164 Mio. Euro, wieso nicht 250 oder 0 Euro? Wir kennen heute immer noch keinen Eröffnungstermin, keinen Zeitplan für die Umsetzung der Lärmschutzmaßnahmen (700 Mio. Euro), haben keine belastbare Kostenschätzung für zusätzliche Investitionen und für die auf uns zurollenden Betriebskosten nach der Eröffnung; von Mehdorn hören wir nur dass es weiteren Finanzbedarf gäbe. Natürlich können wir uns auch ohne Taschenrechner ausrechnen, dass Mehrkosten von rund 35 Millionen Euro pro Monat Stillstand in 15 Monaten sich für die Eigner auf eine satte halbe Milliarde Euro aufsummieren werden, aber inwieweit sie zahlungswirksam werden wissen wir nicht.

Aber absehbar wird es auch 2014 zu keiner nennenswerten Auflösung des Investitionsstaus kommen und auch wenn die nächsten Abfindungen für gescheiterte Mitglieder der Geschäftsführung zwar individuell hohe Summen erreichen, den Kohl werden sie nicht fett machen. Ehrlich gesagt, stochern wir aber alle im Nebel was das gesamte Kosten- und Finanzierungstableau des Flughafens betrifft. Allerdings: Solange es nur um die Verlagerung dieser 164 Mio. Euro nach 2014 ginge, ließe sich dieses Problem auf Basis des geltenden Haushaltsrechts lösen, ohne dass es eines 300-Seiten Konvoluts bedürfte. Deshalb verstehe ich nicht, wieso mit der Einbringung des Nachtragshaushalts nicht so lange gewartet wird, bis sich die Nebelschwaden gelichtet haben und die Fakten zum BER auf dem Tisch liegen.

Eine wirkliche Notwendigkeit zur Vorlage eines Nachtragshaushaltes zum jetzigen Zeitpunkt kann man auch jenseits der Flughafenfinanzierung bei genauerer Durchsicht des Planes nicht erkennen. Alle sonst noch vorgenommenen Veränderungen ließen sich auf Grundlage der weitreichenden Bestimmungen im Haushaltsgesetz zur gegenseitigen Deckungsfähigkeit von Haushaltstiteln quer durch alle Ausgabengruppen durchaus auch mit dem bestehenden Doppelhaushalt umsetzen.

Betrachten wir einzelne Punkte:

Das Finanzministerium freut sich mit uns darüber, dass die Zinsausgaben 2013 und 2014 aufgrund der günstigen Zinssätze für ausgegebene Staatsanleihen um 140 Mio. Euro pro Jahr nach unten korrigiert werden können. Nötig ist diese Haushaltskorrektur zwar nicht, weil Haushaltsansätze keine Verpflichtung zum Ausgeben sondern nur eine Berechtigung zur Verwendung der eingestellten Mittel darstellen. Allerdings bestätigen diese Kürzungen unsere seit Jahren immer wieder vorgebrachte und jedes Jahr aufs Neue bestätigte Kritik an der bisherigen Praxis der Landesregierung, die Zinskosten unrealistisch hoch zu planen und die hierdurch erwirtschafteten Überschüsse für den Aufbau von Rücklagen oder das Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden.

Unser Finanzminister verwendet für diese Politik der zu hohen Ausgabenansätze und zu niedrig veranschlagten Einnahmen dann gerne den Begriff der konservativen Haushaltsführung, und freut sich wenn in deren Ergebnis Jahr für Jahr hunderte Millionen Euro Überschüsse erzielt werden. Dieser Sachverhalt wurde vom Landesrechnungshof angemahnt und dem will man ja im vorliegenden Nachtragshaushalt auch schon ein stückweit nachkommen. Ob diese Korrektur jedoch ausreichend ist, darf man getrost bezweifeln. Die jetzt neu veranschlagten Zinskosten entsprechen immer noch einem durchschnittlichen Zinssatz von über 3%-, während die Umlaufrendite für Staatsanleihen bei rund 1,5 % pendelt.

Im ganzen Haushalt ist deutlich mehr Luft als die für dieses Jahr immer noch geplante Nettoneuverschuldung von 130 Mio. Euro uns weismachen will. Korrekt wäre es, auch auf diese Neuverschuldung zu verzichten, die im Wesentlichen dazu dient die Rücklagen aufzufüllen.

Mit diesem Kunstgriff vergrößert die Landesregierung das Finanzpolster für die nächsten Jahre und vermeidet eine weitergehende Konsolidierung der Landesfinanzen im Jahr der Landtagswahl. Das kann man angesichts der auf uns zu rollenden Defizite für den Flughafenbetrieb so halten, der reinen Lehre der Haushaltspolitik entspricht das allerdings nicht.

Die CDU greift mit ihrem Antrag nun eine alte grüne Forderung auf, die Zinsminderausgaben nicht im allgemeinen Haushalt verschwinden zu lassen sondern gezielt für Tilgung der aufgelaufenen Schulden einzusetzen. Schließlich muss ja einmal ein Anfang gemacht werden, wenn man von den aufgelaufenen 18 Milliarden Euro Verschuldung runter kommen will. Und Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern machen uns ja auch schon seit Jahren vor, dass man Schulden nicht nur aufhäufen sondern auch zurückzahlen kann. Angesichts der ab 2019 greifenden Schuldenbremse sollten wir in den folgenden Ausschussberatungen daher zweierlei versuchen:

Zum einen sollten wir uns bemühen einen gemeinsamen Zielkorridor zu definieren, bis zu dessen Höhe wir Einnahmeüberschüsse in die Allgemeinen Rücklagen einstellen wollen. Ich könnte mir vorstellen, dass das Land versucht hier einen Zielbetrag von 1 Milliarde Euro zu erreichen um hieraus besondere Investitionen zu finanzieren oder Einnahmeschwankungen auszugleichen,

zum anderen sollte festgelegt werden, welcher Betrag jährlich für Zins und Tilgung aufgewandt werden soll. Steigen die Zinsen, dann sinkt die Tilgung, sinken die Zinsen, dann wird mehr getilgt. Auf diese Weise können wir wie jeder Hausbesitzer mit seinem Annuitätendarlehen den Schuldenabbau nicht nur einleiten sondern auch progressiv beschleunigen.

Die Landesregierung legt mit diesem Nachtragshaushalt allerdings ein Papier vor, dass die sich abzeichnenden finanziellen Probleme des Landes nicht im Ansatz zu lösen versucht.

Brandenburg ist seit der Wende auf Transferzahlungen vom Bund und den finanzstarken Ländern angewiesen. Ohne diese Gelder wäre das Land auch jetzt, nach fast 23 Jahren noch immer unfähig, seine Aufgaben zu erfüllen. Auch der prosperierende Speckgürtel wäre ohne die Bundeshauptstadt Berlin alleine nicht lebensfähig.

Der wirtschaftliche Aufholprozess der ersten Jahre ist inzwischen zum Erliegen gekommen. Der Abstand zu vergleichbaren westdeutschen Ländern bleibt seit Jahren konstant. Das BIP pro Kopf ist in Brandenburg unterdurchschnittlich, aktuell sogar rückläufig und liegt im Bundesländervergleich auf dem viertletzten Platz. Wenn wir so weiter machen, läuft Brandenburg auch in Zukunft den anderen Bundesländern weiter hinterher und bleibt damit auf Dauer Kostgänger anderer Länderhaushalte.

Brandenburg muss aber nicht auf Dauer die Rolle eines Bittstellers unter den Bundesländern einnehmen. Brandenburg hat die Potenziale sein Geld selber zu verdienen. Dazu bedarf es aber einer Reihe von mutigen Schritten, die diese Regierung anscheinend nicht willens ist, zu gehen. Einer massiven Investition in die Bereiche Bildung, Forschung und Innovation. Hierfür sind die Mittel aus den EU-Strukturfonds in erster Linie zu verwenden.

An Hand der jetzt vorliegenden Konzepte zum Einsatz der EU-Mittel in der kommenden Förderperiode wird deutlich, dass die Aufteilung der Mittel zwischen dem Infrastrukturbereich EFRE und dem Sozialfonds wieder 70 zu 30 betragen soll. Eine andere Verteilung wäre möglich. Die linke Landesregierung will aber für die Investition in Menschen und ihre Kompetenzen nur 30% dieser Gelder aufwenden. Schwerpunkt der EU Förderung werden demnach also vermutlich wieder Investitionszuschüsse an Unternehmen und öffentliche Einrichtungen werden. Eine wirkliche Wende für die Entwicklung unseres Landes ist so nicht zu erwarten.

Brandenburg hat das Potenzial die besten Köpfe der Welt anzulocken und auszubilden. Brandenburg kann mit seinen zahlreichen Forschungseinrichtungen, Universitäten und Fachhochschulen innovative Produkte und Dienstleistungen entwickeln und an den Markt bringen, die weltweit nachgefragt werden.

Dazu reicht es aber nicht, ein wenig mehr Lehrer einzustellen und den Hochschulpakt zu verlängern. Erst recht nicht, wenn jetzt schon klar ist, dass es so nicht funktionieren kann.

Wie sollen denn die Schulen das jetzt zur Verfügung gestellte Budget sinnvoll einsetzen, um Unterrichtsausfall wirklich begegnen zu können? Wo sollen denn die Lehrkräfte herkommen, die im Krankheitsfall kurzfristig an verschiedenen Orten für ein paar Tage gebraucht werden? Wir werden erleben, dass diese gut gemeinte Geste am Ende sinnlos verpuffen wird.

Das Ziel müsste es doch stattdessen werden, die besten Schulen Deutschlands zu besitzen. Statt die Mittel für die freien Schulen zu streichen, sollte man den Wettbewerb positiv aufnehmen und versuchen, seine öffentlichen Schulen über eine Qualitätsoffensive wieder konkurrenzfähig zu machen?

Brandenburg vernachlässigt unverändert seine Universitäten und nimmt damit in Kauf, beim Kampf um die besten Studentinnen und Studenten immer auf einem der letzten Plätze zu landen.

Auch diesmal werden wir daher die Forderung zur ersatzlosen Rücknahme der inzwischen in die Globalbudgets eingearbeiteten 12-Millionen hohen Globalen Minderausgabe für die Hochschulen in die Haushaltsberatungen einbringen.

Mit seiner feinziselierten Förderlandschaft verzettelt sich das Land zudem weiter im Klein-Klein anstatt ein klares Innovationssystem zu entwickeln und zusammen mit Berlin umzusetzen.

Neue Ideen und Initiativen, wie das Land nach 2019 ohne eine Fortführung der Alimentierung durch Andere, die westlichen Bundesländer und den Bund, auskommen kann, bietet auch dieser Nachtragshaushalt nicht.

Um es kurz zu sagen: Für einen Nachtragshaushalt ist das jetzt hier vorgelegte zu wenig. Herausgekommen sind einige kleine Änderungen hier, die zu erwartende Verschiebung der Flughafenmittel da und eine scheinheilige Geste zur Senkung der Nettoneuverschuldung.

Dieser Nachtragshaushalt wird seinem Namen nicht gerecht und wir wissen nicht, ob wir in den Beratungen in den Ausschüssen daran ändern können. Alle unsere Änderungsanträge in allen bisherigen Haushaltsberatungen wurden von rot-rot abgelehnt. Wir lassen uns aber nicht entmutigen und werden diese Sisyphusarbeit auch für diesen Nachtragshaushalt wieder aufnehmen.

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