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Axel Vogel spricht zum Gesetzentwurf über Mindestanforderungen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen

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- Es gilt das gesprochene Wort! -

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

Der Berg kreißte und er gebar ein Mäuslein - große Versprechungen und wenig dahinter, so und kaum anders kann man den heute vorliegenden rot-roten Entwurf für ein Brandenburgisches Vergabegesetz bezeichnen.

Wer gehofft hatte, dass die Landesregierung in einem solchen Gesetz mehr als die bloße Verankerung eines Mindestlohns in Höhe von 7,50 € und die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes und der tarifrechtlichen Vereinbarungen enthält, sieht sich nun enttäuscht. Ich sage absichtlich nicht "bitter" enttäuscht, da nach den vorherigen Positionierungen aus der SPD schon lange erkennbar war, dass dieser Koalition zu wesentlich mehr die Kraft nicht reichen würde.

Dass Sie nicht alle Anregungen aus unserem bündnisgrünen Gesetzentwurf – Sie werden sich vielleicht noch an die Debatte am 23. Februar dieses Jahres erinnern – aufgreifen werden, war zu erwarten; dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf aber keinerlei Berücksichtigung der Umwelteigenschaften von Produkten, keine Maßnahmen zur Förderung des Mittelstandes, zur Entgeltgleichheit von Frauen und Männern oder zur Förderung von Schwerbehinderten im Arbeitsmarkt verankert haben, ist mindestens bedauerlich.

Dass Sie aber die in ihrem eigenen Referentenentwurf vor kurzem noch vorgesehene Einhaltung des Verbots von Zwangsarbeit und Kinderarbeit aus dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf herausgestrichen haben, übersteigt dann doch unser Fassungsvermögen.

Als Begründung hören wir (oder dürfen wir vermutlich hören), dass diese so gennanten ILO- Kernarbeitsnormen obschon durch internationale Vereinbarungen verpflichtend vorgegeben sowieso nicht zu kontrollieren sind.

Ich möchte daran erinnern, dass der VENROB, der Dachverband der Brandenburger Entwicklungsorganisationen in seiner Stellungnahme zu den ersten Eckpunkten bereits beklagte, dass Sie die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen auf die schlimmsten Formen der Kinderarbeit beschränken wollten und Hinweise darauf gegeben hat, wie durch die Einforderung öffentlicher Erklärungen zugleich auch auf die Anbieter Druck zur Einhaltung dieser verpflichtenden Bestimmungen ausgeübt werden könnte. Genau hierauf hat auch unser Gesetzentwurf Bezug genommen.

Stattdessen nun also Konzentration auf eine angemessene Lohnhöhe - für eine rot-rote Regierung vermutlich das wesentliche Ziel ihrer Politik - für uns als Bündnisgrüne, wie übrigens auch für die rot-grüne Landesregierung in Bremen oder auch das noch von der SPD regierte Rheinland-Pfalz (siehe dazu die Bundesratsinitiative zur ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit mit der Ministerpräsident Beck fordert, dass „im EU-Vergaberecht und in den Vergaberegelungen auf Bundesebene die Zulässigkeit ökologischer und sozialer Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge konkretisiert und erweitert wird.) ist das ein wesentliches aber nicht das einzige Ziel in der Vergabepolitik.

Gerade das konsequente Ausblenden nachhaltiger Beschaffungsverfahren, insbesondere das des Lebenszyklus-Ansatzes, d.h. der Berücksichtigung aller Kosten, die während der Nutzungsdauer eines Produktes anfallen, ist mehr als bedenklich.

Nun also wollen Sie in den Kommunen 106 Stellen für Kosten in Höhe von 6,5 Mio € zuzüglich Schulungskosten schaffen und großzügig bemessene Fallpauschalen für Vergabe- und Kontrollaufwand allein für Mindestlohn und Tariftreue zukommen lassen. Für soviel Geld könnte man auch ambitioniertere Vorgaben erwarten.

Zumindest die von Ihnen nunmehr auf die Kommunen verlagerte Kontrollpflicht über die Einhaltung der Tarifverträge und des Mindestlohns wäre nach unserem Gesetzentwurf teilweise obsolet, da wir eine zentrale Kontrolle der Einhaltung der Mindestarbeitsbedingungen auf eine Sonderkommission des Landes übertragen würden. So würden den Kommunen weniger Mehrkosten entstehen. Zudem bestehen erhebliche Zweifel, dass derartige Überprüfungen in Amts- und Stadtverwaltungen des Landes einheitlich und jederzeit fachgerecht erfolgen. Da es hier auch um die Überprüfung von Büchern geht, fehlt mir der Glaube, dass jedeR gute BeschafferIn auch einE ausreichend guteR PrüferIn ist. Zudem ist es sinnlose Verschwendung, wenn acht Gemeinden den selben Auftragnehmer prüfen. Eine zentralisierte Nachprüfung, kann hier Synergieeffekte erbringen und zugleich eine einheitliche Rechtsanwendung sicherstellen

Und dies wäre dringend erforderlich. Negatives Beispiel ist für mich die schon jetzt auch für Kommunen uneingeschränkt gültige Verordnung über die bevorzugte Berücksichtigung von Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zur Förderung von Frauen im Erwerbsleben, kurz: Frauenförderverordnung vom 25. April 1996.

Hand aufs Herz, hätten Sie gewusst, dass hierzulande eine derartige Verordnung existiert, die den Vergabestellen vorschreibt AnbieterInnen zu bevorzugen, die einen höheren Frauenanteil an den Beschäftigten aufweisen oder die Frauen in höherem Ausmaß in qualifizierten Positionen beschäftigen? Ist Ihnen bekannt, dass solchen Unternehmen die Auftragsübernahme sogar angeboten werden muss, wenn deren Angebot 20 Prozent über dem wirtschaftlichsten Angebot lag, sofern diese bereit sind zum Preis des günstigeren Anbieters zu liefern.

Forschen Sie im Landesgleichstellungsbericht nach Anwendung dieser Verordnung: Fehlanzeige. Kein Wunder, wenn selbst die nach § 7 Absatz 3 der Frauenförderverordnung regelmäßig fortzuschreibenden Ausnahmen nach ihrer Erstveröffentlichung am 30.11.1998 nie überarbeitet wurden, kein Wunder, wenn als einzige größere Initiative die Befreiung des Kaufs von Schulbüchern von den Bestimmungen dieser Verordnung zu verzeichnen ist.

In unserem Gesetzentwurf haben wir ausdrücklich den Hinweis auf diese Verordnung aufgenommen, da jedermann/frau leicht erkennbar ist, dass einzeln verstreute Vergabebestimmungen, die zudem keiner regelmäßigen Kontrolle unterzogen werden, von den Vergabestellen auch nicht eingehalten werden. Gleiches ist nach einer ersten Anlaufphase auch bei der Umsetzung des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfes zu befürchten, der keine zentralen Kontrollinstanz benennt.

Zusammengefasst: dieser Gesetzesentwurf ist kleinmütig, er greift die großen Themen einer nachhaltigen und sozial verträglichen Beschaffung nicht auf, er bezieht zwar die Gemeinden ein, verzichtet aber darauf, diesen ehrgeizigere Vorgaben zu geben. In den Ausschüssen wartet bereits unser Gesetzentwurf darauf, mit ihrem Minimalkonsens verglichen zu werden. Wir werden Ihnen dort unsere besseren Regelungsvorschläge nahe bringen, was Sie daraus machen, werde ich dann in den folgenden Lesungen bewerten. Vermutlich wird es keine guten Noten geben.