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Axel Vogel spricht zum "Gesetz zur Förderung des Mittelstandes im Land Brandenburg"

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Herr Präsident, Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wir begrüßen die Initiative der CDU die mit diesem Gesetzentwurf die Diskussion um das Vergabegesetz um eine spezifische Mittelstandskomponente zu bereichern.

Die Brandenburger Unternehmenslandschaft ist überwiegend von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt, Großunternehmen sind vergleichsweise spärlich vorhanden. Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen, die die Entfaltung der klein- und mittelständischen Wirtschaftsinitiativen hemmen oder verhindern, schaden Brandenburg. Deshalb ist das Instrument einer gesetzlich vorgeschriebenen Mittelstandsverträglichkeitsprüfung - wir können
es auch volkstümlicher: Bürokratiecheck nennen - zur Vermeidung unverhältnismäßigen Regelungen zumindest zu prüfen. Aber auch die Verbesserung der Förderung von KMUs in Brandenburg ist dringend notwendig. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen müssen mehr an der öffentlichen Vergabe partizipieren.

Die öffentliche Vergabepraxis kann in besonders hohem Maße die Entwicklungschancen der kleinen und mittleren Unternehmen im Lande negativ oder positiv beeinflussen. Das Land Brandenburg gibt jährlich rund eine Milliarde Euro für Beschaffungen aus. Die Kommunen erhöhen die Nachfrage der öffentlichen Hand hierzulande um weitere zwei Milliarden Euro. Das ist eine beträchtliche "Nachfrage-Macht". Deshalb ist für kleine und mittelständische Unternehmen der Zugang zu öffentlichen Aufträgen zwingend erforderlich. Die rege Teilnahme von KMUs an öffentlichen Vergabeverfahren ist dabei maßgeblich von den Zugangshürden abhängig.

Das Risiko, dass KMUs durch wettbewerbsstarke Großbetriebe aus öffentlichen Vergabeverfahren verdrängt werden, ist ständig gegeben. Deshalb müssen Politik und Verwaltung die Teilnahme-, Bürokratie- und Informationskosten bei Vergabeverfahren im Blick haben. Innovationen wie die E-Vergabe bergen dabei nicht nur Chancen, sondern auch Risiken, über die wir diskutieren müssen.

Zu loben ist an diesem Antrag nicht nur, dass er diese Probleme aufgreift sondern dass er auch einige pfiffige Ideen enthält, beispielsweise die Möglichkeit unterhalb der Schwellenwerte ausschließlich ausbildende Unternehmen an Vergabeverfahren zu beteiligen.

Bedauerlich ist nur, dass der Gesetzentwurf auf einigen ideologisch motivierten Grundpositionen beruht, denen wir auf keinen Fall folgen können; ich möchte dies an zwei Punkten deutlich machen: In in § 2 vorgesehenen Vorrang privater Leistungserfüllung vor öffentlicher Aufgabenwahrnehmung lehnen wir strikt ab. Wir wollen die sowieso schon eingeschränkten Möglichkeiten der unternehmerischen Tätigkeit der Kommunen und der öffentlichen Hand insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge, also Wasser, Abwasser, Müllentsorgung oder Energieversorgung nicht noch weiter beschränken. Ganz im Gegenteil, sehen wir in der Wiederbegründung von Stadtwerken ein gutes Korrektiv zu privater Marktmacht vor Ort. Die gegenwärtig bestehenden gesetzlichen Regelung reichen für das positive Miteinander von privaten und öffentlichen Leistungsanbietern aus. Auch die ausschließliche Kopplung der Mindestarbeitsentgelte an die aktuelle Bundesgesetzgebung im § 13 Absatz 4 Satz 2 tragen wir nicht mit.

Solange die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland nicht zuverlässig durch Mindestlöhne vor Lohndumping geschützt sind, kommt den Ländern eine besondere Verantwortung zu. Wir fordern bei der Vergabe
öffentlicher Aufträge nur Unternehmen mit einer angemessen Entgelthöhe zuzulassen.

Die Verbesserung der Förderung von KMUs in Brandenburg ist dringend notwendig. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen müssen mehr an der öffentlichen Vergabe partizipieren. In den weiteren Beratungen zum Vergaberecht sollten wir uns unbedingt über folgende von Ihnen auch angesprochene Punkte verständigen:

1.) Das maßgebliche Anliegen öffentlicher Vergabe ist es, das wirtschaftlichste Angebot anzunehmen. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Christoffers, sehe ich dabei keinen „Widerspruch zwischen Haushaltsrecht und Vergaberecht“. Gerade für eine nachhaltige Haushaltsführung sind die Lebenszeitkosten einer Beschaffung von zentraler Bedeutung. Deshalb sollten wir den Spielraum in der europäischen Gesetzgebung nutzen. Wir müssen den Wettbewerb um das billigste Angebot bei öffentlichen Ausschreibungen unterbinden. Die gängige Praxis, lediglich Einkaufspreise zu vergleichen, muss überwunden werden. Die Kosten, die ein Produkt während seiner Lebensdauer verursacht, ist neben den reinen Anschaffungskosten das zentrale Kriterium. Dies muss klar im Gesetz verankert werden. Wir fordern die explizite Aufzählung der Lebenszeitkosten als Kriterium für die Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebotes.

2.) „Kleine und mittlere Unternehmen (sind) besser für ein erfolgreiches Abschneiden bei öffentlichen Ausschreibungen“ zu qualifizieren. Die Umsetzung dieses begrüßenswerten Vorsatzes leisten die § 12 und 13
nur suboptimal. Der §12 „Beteiligung an öffentlichen Aufträgen“ sollte den ursprünglichen Sinn und Zweck des Gesetzesentwurfs deutlicher akzentuieren. Die Formulierung im Gesetzesentwurf, „kleine und mittlere Unternehmen angemessen zu beteiligen“, bietet nicht die notwendige Unterstützung für die KMUs. Denn die Intention des Gesetzes ist es doch, die Zugangsbedingungen zum Markt der öffentlichen Beschaffung für KMUs deutlich zu verbessern. Die Integration der gängigen Mechanismen zur Stärkung der KMUs in den Gesetzesentwurf, wie Teilung des Vergabevolumens in kleinere Losgrößen und die Zulassung von Bietergemeinschaften kleiner Unternehmen, begrüßen wir.

Der §13 regelt die Vorbereitung des Vergabeverfahren. Dies ist ein neuralgischer Punkt für die Beteiligung der KMUs, da die Teilnahmebereitschaft substanziell vom Vergabeverfahren abhängt. Wir brauchen eine hier Ausgestaltung, die speziell den kleinen und mittelständischen Unternehmen hilft.

Unser Ziel ist es, den Wettbewerbsnachteil von KMUs durch Kompetenz und Ressourcenlücken im eigenen Personalbestand abzuschwächen. Basis ist ein flexibleres Vergabeverfahren, d.h.: · Korrektur und Ergänzung der Unterlagen bis zum Ende des Vergabeverfahrens

  • Ein Auswahlverfahren für die Beteiligung an mehreren Vergabeverfahren
  • Ein zentrales Brandenburger Portal für Aufträge
  • Vermeidung von übermäßigen mit Vorschriften und Kosten versehenen Vorqualifizierungsverfahren
  • Umfassende Bereitstellung von Informationen zur Verringerung von Informationsasymmetrien

Ich möchte keinen Zweifel daran lassen:Wir lehnen wesentliche Grundgedanken und inhaltliche Bestimmungen des
Gesetzentwurfs ab und könnten bei einer heutigen Entscheidung dem Gesetz nicht zustimmen. Aber ich sage auch sehr deutlich: Das Gesetz enthält wertvolle Anregungen zur Mittelstandsförderung, die eine eingehende Beratung in den Ausschüssen nicht nur bedürfen, sondern diese auch verdienen.

Da ich weiß, dass Sie beabsichtigen, der beantragten Überweisung an die Ausschüsse nicht zuzustimmen, möchte ich mich an dieser Stelle ganzgrundsätzlich an die Abgeordneten der Regierungskoalition wenden: Am Tag der Demokratie wurde dieses Hohe Hause gegenüber den anwesenden Jugendlichen mehrfach als „Gesetzesschmiede“ bezeichnet.

Wir alle wissen, dass wir als Abgeordnete und unsere Fraktionen als Verfasser von Gesetzen eine untergeordnete Rolle spielen und diese Aufgaben zunehmend von der Ministerialbürokratie übernommen wurde. Wenn denn doch einmal eine Fraktion dieses Hauses Kraft und Energie in die Erarbeitung eines fundierten Gesetzentwurfs gesteckt hat und dessen Beratung in den Ausschüssen beantragt, sollte es eigentlich eine demokratische Selbstverständlichkeit sein diesem Begehren zu entsprechen.

Aus dem Bundestag kenne ich es nur so, dass den beantragten Überweisungen von Anträgen an die Ausschüsse ohne Wenn und Aber zugestimmt wird. In unserem Landtag habe ich leider in den letzten Monaten viel zu oft erleben müssen, dass auch handwerklich und inhaltlich gut formulierte Initiativen mit einer einzigen Plenarberatung abgebürstet werden.

Da Initiativen aus der Mitte des Parlaments kaum noch in die Ausschüsse überwiesen werden, degenerieren diese zunehmend zu einem Berichterstattungsgremium für die Landesregierung. Damit entmündigt sich dieses Parlament, entmündigen Sie als Abgeordnete sich aber zunehmend selbst.

Deshalb bitte ich Sie, auch wenn Sie genauso wie wir wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfes ablehnen, stimmen Sie der beantragten Überweisung des Gesetzesentwurfes in den Ausschuss zu. Er hat es verdient.