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Axel Vogel spricht zum Brandenburgischen Spielhallengesetz

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“Das Würfelspiel treiben sie merkwürdiger Weise in voller Nüchternheit wie eine ernsthaftes Geschäft, im Gewinnen und Verlieren so unbeherrscht, dass sie, wenn sie nichts mehr haben, im letzten Wurf ihre Freiheit und Person einsetzen. Der Besiegte begibt sich freiwillig in die Knechtschaft; wenn auch jugendlicher, wenn auch stärker, lässt er sich binden und verkaufen.“ (Tacitus Germania, 24 3-4)

So Tacitus vor 2000 Jahren über die Germanen.

Das Würfelspiel wurde inzwischen von Geldspielautomaten abgelöst, die freiwillige Knechtschaft besteht heute durch ein Leben in Armut und den Verlust sozialer Kontakte Glück muss der Mensch haben, zumindest im Spiel. Die meisten allerdings haben keines und versuchen es dennoch immer wieder.

Wer meint, dass die Glückspielautomaten nur ein Randproblem sind, irrt. Mehr als 22 Millionen Bundesbürger, also jeder zweite zwischen 16 und 65 Jahren, spielen mindestens einmal im Jahr. Der Universität Hohenheim zufolge haben die Deutschen 2008 rund 25 Milliarden Euro riskiert. Sieben Milliarden Euro steckten sie in Lottoscheine, 630 Millionen Euro investierten sie in die Fernsehlotterie, und für gut 590 Millionen Euro kauften sie Lose der Süddeutschen und Norddeutschen Klassenlotterien. Diese Spielarten liegen allesamt fest in staatlicher Hand und zeichnen sich durch besonders schlechte Gewinnchancen aus: Beim Lotto beträgt die Wahrscheinlichkeit des Hauptgewinns in etwa 1:139.000.000. Zudem liegt der Teil der Einsätze, der in Form von Gewinnen wieder ausgeschüttet wird, bestenfalls bei 50 Prozent. Der Rest verbleibt als Einnahme bei der öffentlichen Hand, 2009 waren das 2,9 Milliarden Euro.

Bei den einarmigen Banditen teilen sich Privatwirtschaft und öffentliche Hand derzeit den Topf. Sieben Millionen Deutsche spielen nach Angaben des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie regelmäßig an den Slotmaschinen. Allein 2008 registrierte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt 100.000 neu aufgestellte Geräte und 390.542 neue Softwareanmeldungen. Im selben Jahr steckten die Deutschen nach Angaben der Universität Hohenheim acht Milliarden Euro in privat betriebene Automaten und ebenso viel Geld in die Geräte der staatlichen Kasinos.

Natürlich wird nicht jeder Spieler abhängig. Aber dennoch: Insgesamt wird die Zahl der spielabhängigen Deutschen auf 250.000 geschätzt. Von ihnen dürften etwa 188.000 vor Slotmaschinen sitzen. Die Brandenburger Landesstelle für Suchtfragen verzeichnet aktuell rund 10.000 Menschen mit problematischem Glückspielverhalten und bezeichnet 9.000 weitere Personen als pathologische Glücksspieler.

8 von 10 Personen, die eine der 13 Suchtberatungsstellen des Modellprojektes “Frühe Intervention bei pathologischem Glücksspiel” aufsuchen, geben als Hauptproblem “Geldspielautomaten” an. Entscheidend für die Ausprägung der Suchtgefahr ist die Griffnähe des Suchtmittels, ist die Begrenzung der Verfügbarkeit, dass das funktioniert hat der rückläufige Zigarettenabsatz durch den Nichtraucherschutz in Gaststätten gezeigt.

14,2 Prozent der 12-18 Jährigen haben bei einer Umfrage in Rheinland-Pfalz angegeben in den letzten 12 Monaten an Geldautomaten gespielt zu haben. Das durchschnittliche Einstiegsalter liegt bei 23 Jahren, es handelt sich also nicht um ein Problem einer alternden Gesellschaft.
Nachdem der Bund über Jahre nicht handelte, ja ganz im Gegenteil die Spielverordnung des Bundes von 2006 den Umsatz an und den Absatz von Glücksspielautomaten noch beschleunigte ist es zu begrüßen, dass jetzt landesrechtliche Restriktionen gesetzlich verankert werden, wobei wesentliche Probleme gar nicht erst angetastet werden.

So bleiben die staatlichen Spielhallen, sprich Spielbanken außen vor, obwohl sie genauso viel Umsatz an Glückspielautomaten machen wie die privaten Spielhallen. Die Spielautomaten stammen zwar von den selben Herstellern: Unterschiedlich sind sie trotzdem, und das liegt an der Software im Innern.

Sie wird von den Automatenherstellern speziell programmiert – für den staatlichen oder privaten Einsatz. Im letzteren Fall gilt die Spielverordnung, die unter anderem Einsatz, Gewinne und Verluste vorschreibt. Auch die Mindestdauer für einzelne Spiele ist gesetzlich festgelegt: fünf Sekunden. Aber noch bis 2006 betrug die Mindestdauer zwölf Sekunden. Zur gleichen Zeit also, als der Gesetzgeber mit dem Argument der Suchtprävention den alten Staatsvertrag durchsetzte, beschleunigte er das Automatenspiel. Dabei haben Suchtexperten wie der Psychologe Gerhard Meyer von der Fachstelle Glücksspielsucht der Universität Bremen schon seit Langem nachgewiesen, dass das Gefahrenpotenzial mit dem Spieltempo steigt. Der Verband der Automatenindustrie weist darauf hin, dass die Gewinne und Verlustmöglichkeiten in spielbanken viel höher sind als in Spielhallen. Allerdings unterschlägt er, die Auszahlquoten: « Die liegen in der Privatwirtschaft bei 75 Prozent des Einsatzes, rechnete der Verband der Deutschen Automatenindustrie aus, gegenüber rund 92 Prozent bei den Maschinen in den Staatskasinos. Mit anderen Worten: Ein Spieler verliert in einer privaten Eckkneipe bei gleichem Einsatz durchschnittlich dreimal so viel wie in einem staatlichen Kasino. Schlechtere Quoten. Schnelleres Spiel.

In privaten Spielhallen gibt es zudem keine gesetzlich vorgeschriebene Ausweiskontrolle am Eingang. So verwundert es auch nicht, dass die Mitarbeiter derKasinos ihre bei ihnen gesperrte Klientel bisweilen in Spielotheken wiederfinden. »Wenn man sich im Kasino sperren lassen kann, aber in den Spielhallen oder im Internet spielen kann, ist das so, als lasse sich ein Alkoholiker für Wodka sperren, aber nicht für Whisky«, sagt Spielforscher Tilman Becker von der Universität Hohenheim.

Der Staat, der mit dem Glücksspielmonopol vorgeblich die Suchtspieler vor sich selbst schützen will, hat das Problem nach unten delegiert: Die Angestellten der Kasinos und Spielhallen sind in der Pflicht. Aber wie soll ein Croupier wissen, ob Spieler ihre Ehegatten über ihr Spielverhalten beschwindeln oder wie viel Geld sie ihrer Bank schulden?

Aus heutiger Sicht sieht es eher danach aus, als habe sich der Staat damals die üppigen Lottoeinnahmen sichern wollen und den privaten Veranstaltern im Gegenzug weitreichende Zugeständnisse für das Automatengeschäft gemacht. Ein Riesengeschäft: Gauselmanngruppe 1 Mrd Jahresumsatz (incl. Merkur-Spielotheken).