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Axel Vogel spricht zum Bericht zur Entwicklung und aktuellen Situation der Steuerverwaltung des Landes Brandenburg

- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrter Herr Minister Markov,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

lassen sie mich Eingangs feststellen, dass der von uns Landtagsabgeordneten geforderte Bericht alle aufgeworfenen Fragen zur Situation der Brandenburger Steuerverwaltung umfassend beantwortet.

Auch wenn das Ministerium der Finanzen sich in der Bewertung der erhobenen Daten von der "branchenüblichen" Schönfärberei nicht frei machen kann, legt dieser Bericht - und da muss man gar nicht einmal so viel zwischen den Zeilen lesen – auch die derzeitigen Schwachstellen offen.

Damit ist er als Basis für eine umfassende Diskussion über die zukünftige Entwicklung der Steuerverwaltung geeignet. Denn auch das gehört zur Ehrlichkeit: Konkrete Vorstellungen zur zukünftigen Entwicklung der Steuerverwaltung sind im Bericht nur rudimentär enthalten.

Stellt man das Fazit des Ministers: "Die Steuerverwaltung arbeitet modern, effizient und bürgerfreundlich. Sie nutzt moderne Steuerungsinstrumente, insbesondere in den Bereichen Auftragserfüllung, Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit und wirtschaftlichem Ressourcen-Einsatz (...)"

dem Kommentar des Landesvorsitzenden der Deutschen Steuer-Gewerkschaft Hans-Holger Büchler gegenüber, so meint man zunächst, dass hier über 2 verschiedene Berichte gesprochen wird.

Herr Büchler kommentiert:

"Egal in welchem Finanzamt ich mich befinde, die Situation der Steuerverwaltung ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Überlastung des vorhandenen Personals, die trotz aller Bemühungen um organisatorische Effizienzverbesserung und maschinelle Unterstützung dazu führt, dass stringenter Gesetzesvollzug und Einheitlichkeit der Rechtsanwendung nicht mehr gewährleistet werden können."

Ich denke, dass die Befürchtungen der Deutschen Steuer-Gewerkschaft gerechtfertigt sind und sich unmittelbar aus diesem Bericht erkennen lassen:

Lassen sie mich dies an drei Beispielen dokumentieren:

1.) IT-Verfahren:

Laut Bericht wird im Rahmen des Projektes KONSENS (Akronym für Koordinierte neue Softwareentwicklung für die Steuerverwaltung) an bundesweit einheitlichen IT-Verfahren für die Steuererhebung gearbeitet. Diese haben so niedliche Namen wie BIENE (Bundeseinheitliches, integriertes, evolutionär neuentwickeltes Erhebungsverfahren), ELFE (Einheitliche länderübergreifende Festsetzung) oder GINSTER (Grundinformationsdienst Steuer). (ELSTER kennen Sie ja schon)

Schwerpunkt von KONSENS ist, ich zitiere: "die bestehenden bis zu 30 Jahre alten IT-Verfahren zu modernisieren"

Vor 30 Jahren hießen die Computer im Westen noch Commodore und Atari, im Osten Robotron. Damals gab es auch noch den Wartburg 353 und den Opel Kadett. Wer heute noch 10 Jahre alte IT-Verfahren in seinem Betrieb verwendet, würde nicht allen Ernstes den Anspruch moderner Methoden erheben. Vielleicht sollten Sie die Aussage von der angeblichen Modernität der Steuerverwaltung doch noch einmal überdenken.

2.) Bundeseinheitlichkeit der Steuererhebung

Laut Bericht (Seite 26) sind die einzelnen Länder nicht mehr in der Lage mit der Entwicklung der Steuergesetzgebung im Bund Schritt zu halten.

„Neue Verfahren auf Basis elektronischer Datenübermittlungen bringen regelmäßig Anlaufschwierigkeiten mit sich und erfordern aufwändige Überprüfungen."

„Unklare Formulierungen und daraus resultierende unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten erschweren in zunehmenden Maße die Arbeit der Programmierung."

Ich denke, diese grundlegenden Probleme bei dem Einsatz von Software erschweren die tägliche Arbeit der Sachbearbeiter allgemein und gefährden auch die Bundeseinheitlichkeit der Steuererhebung.

Ich begrüße daher ausdrücklich das Eintreten der Landesregierung für die Schaffung einer Bundessteuerverwaltung.

3.) Personalsituation

Laut Bericht stehen der Steuerverwaltung 3.459 Stellen zur Verfügung. Die Umrechnung von Teilzeitarbeitsplätze auf sogenannte Vollzeitäquivalente verdeutlicht jedoch, dass nur 3.278 Vollzeitstellen aktuell besetzt sind. Nach der Zielplanung der Landesregierung soll die Stellenzahl bis 2014 um 101 Stellen auf 3.358 Stellen gesenkt werden. Dies heißt, dass aktuell die Zielzahl 2014 bereits um 80 Stellen und die aktuelle Stellenzahl sogar um 181 Stellen unterschritten wird.

Angesichts der nur unzureichenden Einsatzmöglichkeit der Finanzbeamten, von denen 50 % keine adäquate Ausbildung haben (Stichwort im Bericht: Effizient) und durchschnittlichen Krankheitszahlen von 24,9 Arbeitstagen pro Jahr (Vergleich Sonstige öffentliche Verwaltung in Berlin-Brandenburg: jeweils 2008 nach AOK und Barmer: 18,5 Ausfalltage; Privatwirtschaft: Handel: 12 Tage), trotz einer im Verwaltungsvergleich überdurchschnittlich jungen Verwaltung von 45 Jahren, ist kaum zu glauben, dass die "vorhandenen personellen Ressourcen optimal genutzt werden können", wie es im Bericht heißt.

Nach 5 nachwuchslosen Jahren soll Verstärkung nun u.a. von überzähligen Waldarbeitern kommen, die laut Bericht nicht ganz so willig sind. Zweifel an diesem Rekrutierungsverfahren sind angebracht. (wörtlich zur Weiterbildung: das die Schwierigkeit der Unterrichtsmaterie "Steuerrecht" lebensältere Auszubildende vor besondere Herausforderungen stellt".)

Da die Fachausbildung 2-3 Jahre dauert, ist offenkundig, dass die nun erstmals wieder eingerichteten 30 Anwärterplätze die Not nicht lindern können, da diese erst 2012/2013 zur Verfügung stehen. Aber bereits 2012 scheiden 63 Personen altersbedingt aus oder gehen in die Freistellungsphase der Altersteilzeit, 2013 sind es bereist 89, und 2014 105 Mitarbeiter. Dann reichen auch die ab nächstem Jahr eingeplanten 60 Anwärterplätze nicht mehr aus.

Dass die Mitarbeiterzufriedenheit unter diesen Bedingungen leidet ist offenkundig. Laut Fazit des Ministerium der Finanzen heißt es ja auch nicht, dass die Mitarbeiterzufriedenheit hoch ist, sondern nur, "dass man in dem Bereich Mitarbeiterzufriedenheit neue Steuerungsinstrumente einsetzt". Gemeint war damit wohl die Mitarbeiterbefragung mit dem Ergebnis, dass die Mitarbeiterzufriedenheit "eher durchschnittlich" ist (Gott sei dank aber "keine generelle Unzufriedenheit" besteht).

Dieser Bericht ist eine umfassende Bestandsaufnahme der Steuerverwaltung in Brandenburg. Deshalb ist die Vorlage des Berichts nicht das Ende der Debatte, sondern der Anfang und die Basis einer umfangreichen aufgabenkritischen Analyse über die Steuerverwaltung in Brandenburg.

Was ist also zu tun:

Die Notwendigkeit der Anpassung der Personalzahlen an die demographische Entwicklung steht nicht im Zweifel und kommt in den Zielzahlen der Landesregierung auch zum Ausdruck. Die Ungleichzeitigkeit der Entwicklung im Lande (Verhältnis Speckgürtel – Peripherie) ist bei der Bestimmung der Personalzielzahlen der einzelnen Finanzämter Rechnung zu tragen. Die Anwärterausbildung ist den Altersabgangszahlen unter Berücksichtigung der Personalzielzahlen anzupassen. Umsetzungen aus anderen Ressorts sollen sich an der Vorbildung der Mitarbeiter orientieren.Die in den Stellenplänen ausgewiesenen Stellen sind auch vollständig zu nutzen, d.h. auch freie Potentiale durch Elternzeit oder Krankheit sind zu kompensieren.

Die Rationalisierungsmöglichkeiten durch moderne IT-Verfahren werden erst in den nächsten Jahren schrittweise greifen, dies ist in der weiteren Personalplanung nach 2014 zu berücksichtigen.

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