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Axel Vogel spricht zum Bericht der Landesregierung "Stärkung der Regionalen Wachstumskerne"

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Sehr geehrter Herr Präsident, Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bei Debatten zum Thema Regionale Wachstumskerne sehe ich mich als Bill Murray in „Und täglich grüßt das Murmeltier." Bei jeder parlamentarischen Begleitung des RWK-Prozesses - ob in den Ausschüssen oder im Plenum - fühle ich mich wie in einer Zeitschleife, bei der mit traumwandlerischer Sicherheit immer wieder die gleichen Argumente in den Raum geworfen werden, ohne ansatzweise die Berichte, Evaluationen und Stellungnahmen zu beachten. In jeder Plenardebatte habe ich aus den aktuellen Berichten zitiert und Bestandsaufnahmen der Umsetzungen in die Diskussion geworfen, aber an den wirklichen Fakten hatte niemand Interesse.

Und dann kam der Wendepunkt: mit diesem 10. Bericht und der dogmatischen Festhaltung am „Club der 15" hat die Landesregierung das Fass zum Überlaufen gebracht.

In der 19. Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 02. März dieses Jahres meldete sich unser Kollege Dirk Hohmeyer zum 10. Bericht der Landesregierung zu Wort, bisher einer der großen, nein einer der ganz großen, Befürworter des RWK-Prozesses, und kritisierte die sture „Augen zu und durch"-Mentalität der Landesregierung.

Was ist passiert?

Aus der Evaluation des RWK-Prozesses ist bei aller Schönfärberei einer Feststellung nicht zu entkommen. Die außerordentliche Förderung der Regionalen Wachstumskerne hat die einzelnen Standorte nicht vorangebracht.

Sinnbildlich dafür steht doch die Tabelle auf Seite 12 der Evaluation! Hieraus ist zu entnehmen, dass vier Standorte eine vorwiegend schwache, acht Standorte eine durchschnittliche und nur drei Standorte eine positive Entwicklung verzeichneten. Ich lehne mich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte: Potsdam, Schönefelder Kreuz und Oranienburg/Hennigsdorf/Velten hätten sich auch ohne den RWK-Status positiv entwickelt.

Noch lächerlicher wird die ganze Lobhudelei bei der Betrachtung der Spalte drei der Tabelle „Verbesserung der Ansiedlungsbedingungen".

Die Verfasser kommen zu dem Schluss, dass ausschließlich in einem Wachstumskern, nämlich Oranienburg/Hennigsdorf/Velten, eine positive Standortentwicklung zu erkennen ist. Bei Fürstenwalde, Neuruppin, Prignitz, Schwedt und Westlausitz, immerhin fünf regionale Wachstumskerne, stellten die Verfasser sogar eine schwache Entwicklung fest.

Das ist doch der absolute Offenbarungseid. Die Standortentwicklung ist doch die Kernaufgabe jedes einzelnen Regionalen Wachstumskern.

  • jeder RWK vereinbarte mit dem Interministerialen Arbeitskreis (IMAK) ein Standortentwicklungskonzept,
  • 28 Förderprogramme wurden speziell auf die RWK ausgerichtet,
  • GRW 11 Mittel fließen zu 75 Prozent in Regionale Wachstumskerne

und das Ergebnis ist: In einem einzigen Standort wird die Verbesserung der Ansiedlungsbedingungen positiv bewertet.

Dieses Ergebnis ist selbst verschuldet. Der eindeutige Schwerpunkt in den Regionalen Wachstumskernen liegt bisher bei Investitionen in den Straßenbau und in die Gebäudeinfrastruktur.

Diese Schwerpunktbildung steht jedoch in eindeutigem Widerspruch zu den von den Unternehmen geforderten prioritären Handlungsbedarf.

Der aktuelle Bericht zur Evaluierung der Wirtschaftsförderung in Brandenburg

stellt fest: für Unternehmen stellt die Fachkräftesicherung den größten politischen Handlungsbedarf bei der Standortentwicklung dar. Statistisch setzt jeder Regionale Wachstumskern aber nur 0,73 Maßnahmen zur Fachkräftesicherung um. Die Regionalen Wachstumskerne Cottbus, Schönefelder Kreuz, Spremberg und Neuruppin verzichten aktuell sogar auf die Umsetzung von Maßnahmen zur Fachkräftesicherung.

Diese falsche Schwerpunktsetzung bei der Standortentwicklung wird auch in Zukunft fortgesetzt. Der 9. Bericht vom Dezember 2010 beinhaltet unter Rubrik „neue prioritäre Maßnahmen" nur zwei Maßnahmen zur Fachkräftesicherung. Andere RWKe planen den Ausbau von Bundes- und Landesstraßen, Investitionen in Häfen und die Gestaltung von Bahnhofsvorplätzen mit höchster Priorität. Insofern können wir auf einen Lerneffekt in den Regionalen Wachstumskernen nicht hoffen.

Symbolisch für die Durchsetzungskraft der Landesregierung bei der Verwendung öffentlicher Gelder in den RWKen möchte ich den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zitieren. Ich will Ihnen helfen dieses Zitat zu finden, denn der Satz ist ein wenig versteckt: letzter Punkt, letzter Satz: „Handlungsfelder sollen u.a. die Themen Fachkräftesicherung, Technologie- und Wissenstransfer, Innovationsförderung sein." Dies möchte ich mal übersetzen: eigentlich ist uns klar, dass fünf Jahre die falschen Maßnahmen umgesetzt wurden, und eigentlich wollen wir das gern verändern, aber so richtig trauen wir uns nicht.

Es geht übrigens auch anders. Ohne staatliche Förderung plante der Wachstumskern Autobahndreieck Wittstock-Dosse 2010 die Maßnahmen:

  • Fachkräftebedarfsanalyse,
  • Analyse der Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene
  • den 5. Prignitzer Nachwuchspool,
  • 5. Jobstart,
  • 2. Betriebsfest für alle Unternehmen und MitarbeiterInnen der Region (UMA).

Ergebnis ist: die unveränderte Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den bisherigen 15 RWKen durch die Landesregierung ist deplatziert. Die Landesregierung sendet die Botschaft, wir vollziehen keine objektive Analyse und gerechte Auswertung. Privater Einsatz, gute Ideen und eine nachvollziehbare Schwerpunktsetzung reichen nicht aus für eine Eintrittskarte in den exklusiven Förder-Club.

Unabhängig von der individuellen Bewertung der Förderpolitik der Regionalen Wachstumskerne setzt diese Entscheidung der Landesregierung jeglichen Leistungs-, Anreiz- und Wettbewerbsgedanken außer Kraft. Das ist ein Blankoscheck für alle Regionale Wachstumskerne und ein Schuss vor den Bug, für alle anderen.

Dieser radikale Abschied von jeglichen Anreizen durch die Landesregierung ist anscheinend auch den treuen BefürworterInnen aus der SPD und der CDU aufgefallen. Beide fordern nun mit Ihren jeweiligen Entschließungsanträgen die Landesregierung auf, Gespräche mit den Kommunen und Städteverbünden ohne RWK-Status zu führen. Beide Entschließungsanträge gaukeln diesen wiederholt nicht berücksichtigten Gemeinden neue Chancen vor. Das ist doch Mumpitz.

Fakt ist doch, Kommunen und Verbünde ohne RWK-Status haben sinnvolle Ideen ohne Unterstützung der Landesregierung entwickelt und umgesetzt. Zum Teil waren die Schwerpunktsetzungen deutlich besser als in den Regionalen Wachstumskernen. Deshalb haben diese Kommunen eine ideelle Förderung durch die Landesregierung doch gar nicht nötig. Die einzige konsistente Entscheidung wäre der sofortige Zugang zur materiellen Förderung dieser, durch Privatinitiativen gut aufgestellten Kommunen und Verbünde.

Ich halt mich hier ganz an Helmut Kohl:"Entscheidend ist, was hinten raus kommt." Hier ist es nur heiße Luft. Und solch eine Politik lehnen wir selbstverständlich ab.

Vielen Dank!