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Axel Vogel spricht zum Antrag "Aktionsplan für den Mittelstand"

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Sehr geehrter Herr Präsident, Liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Zu jung zu sein ist ein Fehler, der sich täglich bessert." Dieser Sinnspruch gilt vermutlich für Unternehmen stärker als für Menschen. Denn junge Unternehmen sehen sich unmittelbar nach Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit einem sehr hohen Risiko des Scheiterns ausgesetzt.

Junge Unternehmen leiden an einer Diskrepanz zwischen den erforderlichen Ressourcen, um im Wettbewerb bestehen zu können, und dem tatsächlichen verfügbaren Ressourcenfundament. Junge Unternehmen charakterisieren sich durch geringe materielle Ressourcen bei Immobilien, Ausrüstungen, Finanzen und Personal. Gleichzeitig besitzen neue Firmen nicht die notwendige Vertrauensbasis und Zuverlässigkeit am Markt. Auch unternehmensinterne Verfahrensabläufe und Netzwerkverbindungen müssen noch etabliert werden. Ist die Gründungsgröße zusätzlich relativ gering , verstärken sich die Anforderungen noch.

Diese großen Risiken in der Vor- und Frühphase des Unternehmens erfordern intensive Begleitungs- und Beratungsangebote. Denn mehr innovationsfreudige UnternehmerInnen würden das wirtschaftliche Vorankommen Brandenburgs erleichtern.

Der Feststellung im vorliegenden CDU-Antrag, „Potenzielle Selbstständige müssen aktiv bei ihrem Prozess der Existenzgründung unterstützt werden", ist also vorbehaltlos zuzustimmen.

Brandenburg braucht Gründungen von innovativen Unternehmen. Der CDU-Antrag suggeriert allerdings, dass das Hauptversagen am zu langsamen Existenzgründungsprozess in Brandenburg liegt. Diesen Ansatz teilen wir nicht.

Die Risiken einer Unternehmensgründung bedürfen fundierter Kalkulation, Abwägung und Beratungen. Deshalb ist allein die Beschleunigung des Existenzgründungsprozess nicht das Patentrezept für eine starke Gründungsdynamik in Brandenburg. Der Schlüssel zu einer neuen Existenzgründungsdynamik in Brandenburg sind andere. Ich konzentriere mich auf ein Beispiel.

Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn stellte vor kurzem über die Gründungsaktivitäten in Deutschland fest: „Im Jahr 2010 hat sich die positive Gründungsentwicklung aus dem Vorjahr fortgesetzt." Das Gründungssaldo zwischen Neugründungen und Abmeldungen entwickelte sich für das gesamte Jahr positiv. „Der Anteil der Gründungen von Frauen liegt (allerdings) im abgelaufenen Jahr leicht unter dem Vorjahr." Diese statistische Beobachtung ist gravierend. Denn die Beteiligung von Frauen an der Existenzgründung ist insgesamt nur gering. Frauen stehen im Jahr 2010 nur für 30,9 Prozent der Gründungen in Deutschland.

Das ist doch ein Problem der westlichen Bundesländer, wird mancher denken. Die Brandenburger und ostdeutsche Geschichte mit der starken Einbindung von Frauen in die Erwerbstätigkeit zeichnet sicherlich ein anderes Bild. Weit gefehlt!

Laut Statistischen Bundesamt hielten Frauen sowohl bei den Gewerbean- als auch -abmeldungen ca. 32 Prozent der Gesamtmeldungen in Brandenburg 2009. In der Wissenschaft ist die These, „Frauen gründen anders", schon lange belegt. Gründungen von Frauen finden größtenteils in Wettbewerbsmärkten mit geringen Markteintrittsbarrieren statt. Gründungen von Frauen sind geprägt durch geringere Verschuldung und weniger Fremdkapital. Der Gründnungsanteil von Frauen in Hochtechnologiebereichen ist marginal.

Der bundesweite Status quo ist:

  • Ein geringer Anteil von Frauen an Gründungen.
  • Frauengründungen erfolgen nicht in innovativen und renditestarken Märkten.
  • Die Risikoneigung von Frauen ist im allgemeinen geringer.

Deshalb muss aus diesem Grund der Zugang zu Kapital und die Verteilung des unternehmerischen Risikos in das Zentrum einer Gründungsförderung für Frauen. Gleichzeitig sind für Frauen Mindestfördervolumen und die Vergabe von Mikrokrediten ein wichtiges Kriterium oder auch Ausschlusskriteriuml bei der Förderung von Existenzgründungen.

Allerdings ist die Nutzung und Umsetzung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse in praktische Wirtschaftspolitik bisher nicht die Stärke unserer Landesregierung. Hält doch das Ministerium für Arbeit noch vor einem halben Jahr in der Publikation „Selbstständig ist die Frau"(Redaktionsschluss September 2010) fest: „es gibt keine Beratungsangebote, die sich ausschließlich an Gründerinnen wenden." Die bisherige Praxis in Brandenburg, keine Beratungsangebote ausschließlich für Gründerinnen anzubieten, ist durch die frauenspezifische Momente in der Existenzgründung längst überholt.

Allein aus diesem Grund halte ich die Forderung der CDU-Fraktion nach einem Aktionsplan 2011 für sinnvoll. Leider kommen die Frauensicht noch nicht vor. Denn die Konzentration, des Lotsendienstes und anderen Beratungs- und Betreuungsangeboten für Existenzgründung, auf Frauen hat allein schon durch die Verbesserung der Frauenpartizipation bei Existenzgründungen großes Potential für eine dynamischeres Gründungsgeschehen in Brandenburg.

In der Hoffnung, dass unsere Botschaft angekommen ist und die Regierung die Anregung zur Frauenföderung aufgreift, stimmt die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen dem Antrag der CDU-Fraktion zu.

Vielen Dank!