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Axel Vogel spricht zum Antrag der CDU-Fraktion „Ehrenamtliche Betreuung und selbstbestimmte Vorsorge fördern“

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- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede

Um es vorweg zu nehmen: Wir sind über den Umgang von rot-rot mit dem Rechnungshofsbericht zur rechtlichen Betreuung und dem hierauf fußenden Antrag der CDU maßlos enttäuscht.

Wir hätten gedacht, dass der Bericht des Landesrechnungshofes über den Zustand der rechtlichen Betreuung in Brandenburg und das anschließende Fachgespräch im Sozialausschuss auch dem letzten deutlich gemacht haben sollte, wie groß der Handlungsbedarf im Land ist.

Auch wenn Anlass des Rechnungshofsberichtes zunächst die seit Jahren ungebremst angestiegenen Kosten waren, seit dem Jahr 2000 von damals noch rund 7 Mio € auf inzwischen über 30 Mio jährlich. Den eigentlichen Anlass zur Sorge bieten viele der hierfür festgestellten Gründe.

Der „typische beruflich Betreute“ ist nach den statistischen Erhebungen 51 Jahre alt, männlich und wird seit 6 Jahren rechtlich betreut. Die häufigsten Gründe für Betreuung sind demgemäß auch keine altersassoziierten Probleme, sondern geistige Behinderungen, psychische Erkrankungen und Alkoholabhängigkeit. Das Problem steigender Fallzahlen lässt sich daher bisher auch nicht auf den demografischen Wandel zurückführen, vielmehr ist zu erwarten, dass dieser in den nächsten Jahren für weiteren Betreuungsbedarf sorgen wird.

Wenn der Landesrechnungshof feststellt, dass Betreuungen wegen sozialer Auffälligkeit - Ruhestörung, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Schwierigkeiten im Umgang mit Behörden, Sehbehinderung, Analphabetismus oder gar Diabetes ausgesprochen werden, dann müssen Lösungen nicht erst vor Gericht getroffen sondern dann müssen Lösungsansätze viel früher greifen.

Hinter den ausufernden Betreuungszahlen aus teils geringfügigem Anlass kann man Missbrauch des Betreuungsrechts vermuten, man könnte es aber auch so bewerten, dass die aktuelle Zuständigkeits- und Kostenverteilung zur Flucht in die Betreuerbestellung einlädt.

Im Bericht des Landesrechnungshofes findet sich auf S. 27 folgendes erschütterndes Zitat: “Nicht verkannt werden darf aber, dass die Vermeidung von rechtlicher Betreuung für die Kommunen in der Regel zusätzliche Ausgaben bedeutet. Die aus der Landeskasse finanzierte rechtliche Betreuung wird sich daher in der Regel attraktiver darstellen als der Ausbau niedrigschwelliger Hilfsangebote.“

Allerhöchste Eisenbahn also für die Erarbeitung des geforderten und aus den Reihen der Landesregierung mehrfach versprochenen Gesamtkonzepts.

Neben der Stärkung ehrenamtlicher Betreuung muss es dabei natürlich und vor allem um die Vermeidung von Betreuung gehen, aber es muss auch um die Bündelung der Verantwortung für Aufgaben und Kosten gehen. Die Landesregierung ist also gut beraten, das hier geforderte Handlungskonzept zusammen mit den Kommunen zügig zu entwickeln, und dabei die in der Beratung mehrfach benannten vier Bereiche also die Bündelung der Verantwortung, die bessere Zusammenarbeit aller Akteure, betreuungsvermeidende Maßnahmen und natürlich die Stärkung des Ehrenamtes, auch entsprechend zu berücksichtigen. Das vorzulegende Konzept sollte daher eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den lokalen Behörden, der Justiz und dem Land vorsehen.

Aber was wir hierzu aus dem mitberatenden Rechtsausschuss hören ist ein Skandal allererster Güte: Ich zitiere aus der Stellungnahme vom 28.Februar:

„Aus Sicht der Koalitionsfraktionen habe die Anhörung ergeben, dass es vorliegend um ein bundesweites Problem und nicht ausschließlich um ein solches des Landes Brandenburg handele, wie dies der Antrag impliziere. Zudem bestehe die Schwierigkeit genügend ehrenamtliche Betreuer werben zu können. Ferner würden 80 % der derzeit tätigen ehrenamtlichen Betreuer überhaupt nicht durch Betreuungsvereine unterstützt, so dass eine finanzielle Unterstützung der Betreuungsvereine das bestehende Problem auch nicht lösen könne.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, da müssen wir wohl auf zwei verschiedenen Veranstaltungen gewesen sein:

Frau Dr. Köller (Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik berichtete, dass in Deutschland die Ausgaben im Betreuungswesen in den vergangenen Jahren jährlich um gut 11 % stiegen. In Brandenburg stiegen die Ausgaben hingegen um über 17 %, was eine der höchsten Entwicklungen im Bundesgebiet ist. Das ist Brandenburgspezifisch.

Zudem wurde von Frau Grzanna vom Landkreis Teltow-Fläming berichtet, wie wichtig die Werbung neuer ehrenamtlicher Betreuerinnen und Betreuer durch die Betreuungsvereine ist und das die zunehmende Komplexität in der Betreuung von einzelnen ehrenamtlichen Betreuern kaum noch zu bewältigen ist. Sowohl Frau Ackermann vom Betreuungsgerichtstag e. V. als auch Herr Clavée vom Landgericht Cottbus betonten, wie wichtig Netzwerke bei der rechtlichen Betreuung sind und empfahlen eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Gerichten, Kommunen und Betreuungsvereinen.

In der Berichterstattung, die ich zusammen mit Frau Mächtig jetzt dem Haushaltskontrollausschuss vorgelegt habe, sind diese Punkte ebenfalls enthalten. Dazu gibt es jetzt nach den umfangreichen Beratungen ja auch eigentlich gar keinen Dissens. Mit großer Verwunderung mussten wir aber jetzt im letzten Sozialausschuss zur Kenntnis nehmen, dass mit diesem Konzept erst in der nächsten Legislaturperiode gerechnet werden kann. Das ist so absolut nicht nachvollziehbar, denn der Bericht des Landesrechnungshofes liegt seit vergangenem Sommer vor, die Eckpunkte eines Konzeptes wurden vom Staatssekretär Prof. Schröder schon im Oktober skizziert und daran hat sich ja bislang auch nichts Grundlegendes geändert.

Kann es sein, dass diese Landesregierung sich einerseits mit millionenschweren Haushaltsüberschüssen brüstet und schon das Ende der Sparsamkeit ausruft und andererseits die Ausgaben für die Kommunen scheut um hier präventiv tätig werden zu können? Denn ohne finanzielle Zugeständnisse wird es wohl kaum gehen. Für eine erfolgreiche Abstimmung mit den Kommunen sieht die Landesregierung demnach derzeit auch keine großen Chancen. Da wirkt wohl noch das Scheitern des groß angekündigten Unterbringungskonzeptes für Flüchtlinge nach, wo man sich mit den Kommunen nicht einig wurde. Zu nenne wäre hier auch der Streit um die Kitafinanzierung.

Anrede

Diese Regierung ist zunehmend handlungsunwillig, vielleicht auch kaum noch handlungsfähig. Sie vertagt dringende Reformen anstatt sie an zu packen. Finanzielle Spielräume gibt es durch das BER-Desaster nicht mehr, das wird hier wieder offenbar. Aber so wichtig und dringend die Reform der rechtlichen Betreuung im Land auch ist, eine wirkliche Lösung der hierbei zu tage getretenen Probleme ist nur zu erwarten, wenn es uns gelingt, die lokalen Akteure in die Lage zu versetzen, sich dieser Entwicklung entgegen zu stellen. Gemeint sind hier ausdrücklich nicht nur die Gerichte und die Kommunen sondern gerade auch die zivilgesellschaftlichen und bürgerschaftlichen Kräfte in diesem Land.

Anstatt ein ungelöstes Problem nach dem anderen in die nächste Legislaturperiode zu verschieben, gilt es die zivilgesellschaftlichen Kräfte zu stärken und dem Land wieder eine Perspektive zu geben, das wäre die Aufgabe dieser Regierung.