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Axel Vogel spricht zur Änderung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts der Industrie- und Handelskammern in Brandenburg

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- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede

Herr Präsident,

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Die Industrie- und Handelskammern übernehmen zweifellos eine wichtige Funktion im dualen System der bundesdeutschen Berufsausbildung. Zunehmend haben sie sich unter dem Rubrum "Vertretung der Gesamtinteressen der Wirtschaft" aber auch eine Fülle von Aufgaben an Land gezogen, die von immer mehr Unternehmen als unzulässige Konkurrenz bewertet wird. Das geht von Beratungsleistungen bis zu Aus- und Weiterbildung in kammereigenen Gesellschaften.

Angesichts des vielfältigen Agierens der Kammern ist weithin in Vergessenheit geraten, dass diese als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts Teil der öffentlichen Verwaltung des Landes sind.

Anrede,

Kammern sind durch den Gesetzgeber erzwungene Selbstverwaltungsorgane der Freien Wirtschaft, dem Wortlaut nach, ein Widerspruch in sich. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes Zwangsvereinigungen - das Bundesverwaltungsgericht spricht in einem Urteil vom 23.Juni 2010 von Zwangskorporationen - da kein Unternehmen sich dem gesetzlichen Kammerzwang entziehen kann.

Diese Zwangsmitgliedschaften werden zunehmend skeptisch gesehen: So hält die EU-Kommission (laut Angabe des Bundesverbandes der freien Kammern e.V.) in einem Schreiben vom November 2012 die Pflichtmitgliedschaft für unvereinbar mit der EU- Dienstleistungsrichtlinie, haben zuletzt Spanien und Griechenland auf Freiwillige Kammermitgliedschaft umgestellt, hat das Bundesverfassungsgericht erstmals seit 52 Jahren letzte Woche zwei Klagen gegen die Zwangsmitgliedschaft angenommen.

Die Kammern erhalten Fördermittel und erheben für die Finanzierung ihrer Aufgaben Beiträge und Gebühren, allein im Jahr 2013 verzeichneten die deutschen IHKen Einnahmen von über 1,2 Milliarden Euro: Zur Erhebung dieser Beträge wird ziemlich einmalig in unserem Rechtssystem auch das Steuergeheimnis durchbrochen, da die Finanzämter den IHKen gegenüber auskunftspflichtig sind.

Als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts könnte man annehmen, dass sie einen besonders verantwortungsvollen Umgang mit Beiträgen und Gebühren von Pflichtmitgliedern an den Tag legen, da die Mitgliedschaft auf gesetzlichem Zwang beruht sollte man auch annehmen, dass das Land sich besonders ins Zeug legt um die Rechte der Pflichtmitglieder zu schützen. Beides ist nicht der Fall.

Zu diesen Ansprüchen passt insbesondere nicht die Geheimniskrämerei, die einige IHKen bis heute an den Tag legen. So findet sich im Transparenzportal der DIHK zu den IHKen Cottbus und Potsdam die Angabe, dass eine Veröffentlichung der Jahresabschlüsse bislang nicht stattfindet, aber in Planung sei, ist auf den Dokumentationsseiten des Kammerberichts 2013 bei den meisten Feldern zu allen drei Brandenburger IHKen Cottbus, Frankfurt/Oder und Potsdam "Keine Angabe" verzeichnet.

Wenn nun angesichts der Vorkommnisse um die "früheren Organe" (wie sich die Herrschaften Stimming und Kohl bezeichnen lassen) in der IHK Potsdam (in der Pressemitteilung der Vizevorsitzenden Frau Fernengel zu den Ergebnissen der Vollversammlung am 26.3.) von "Entsetzen und Empörung" die Rede ist, dann muss dieses Entsetzen und Empören auch bei der Landesregierung und uns als Gesetzgeber eintreten und Folgen haben. Denn mit den Mitgliedern der IHK Potsdam schauen wir gemeinsam in einen Abgrund von Selbstbedienungsmentalität und Vetternwirtschaft, den Landesregierung als Rechtsaufsicht und Landtag als Landesgesetzgeber mit zu verantworten haben.

Das betrifft zum einen die unmittelbare Rechtsaufsicht über die IHK durch das Wirtschaftsministerium, die all die Jahre wohl nichts mitbekommen hat. Damit befindet sich Brandenburg übrigens in Gesellschaft mit Niedersachsen, wo der Niedersächsische Landesrechnungshof, der im vergangenen Jahr bei der Prüfung der Rechtsaufsicht über die Kammern, dem Wirtschaftsministerium gravierende Mängel attestierte. Und genauso wie bundesweit ein reger Postenwechsel zwischen den Kammern und den sie beaufsichtigenden Wirtschaftsministerien und damit eine problematische Nähe zu beobachten ist, gilt dies auch für Brandenburg, ist ein ehemaliger Wirtschaftstaatssekretär jetzt Hauptgeschäftsführer einer IHK, arbeitete einer der jetzt in Potsdam geschassten zuvor für das Wirtschaftsministerium.

Dies betrifft zum anderen aber auch die Bestimmung im Brandenburger IHK-Gesetz, nach dem der Landesrechnungshof die IHKen nicht prüfen darf. Eigentlich ein unglaublicher Sachverhalt.

So ist der LRH gemäß Paragraf 111 LHO grundsätzlich für die Überprüfung aller Kammern zuständig und hat dieses Prüfrecht weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren auch mehrfach ausgeübt. Einzig und allein die IHKen sind ohne nachvollziehbaren Grund landesrechtlich davon ausgenommen. Einzig und allein die IHKen Stellen einen "Prüfungsfreien Raum" unter den Brandenburger Körperschaften dar. Kann mal jemand erklären warum? Gründe wurden im damaligen Gesetzgebungsverfahren jedenfalls nicht genannt.

Dabei ist seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.09.2009 gegen den erbitterten Widerstand der IHK Schwaben höchstrichterlich geklärt, dass den Landesrechnungshöfen ein Überprüfungsrecht der Kammern übertragen werden kann.

Deren Überprüfung im Jahr 2010 hat umfassenden Reformbedarf aufgezeigt, der bundesweit auch außerhalb Schwabens besteht und allerorten Aktivitäten ausgelöst hat. Das betrifft das Vergütungsniveau der Führungskräfte, Transparenz bei den Vorstandsgehältern oder den Wirtschaftsplänen, Einhaltung von Vergabebestimmungen, insbesondere aber die Höhe der Rücklagen und die Bildung sogenannter Liquiditätsrücklagen.

Und nebenbei bemerkt: Hat sich hier eigentlich mal irgendjemand die Frage gestellt, wie und wieso die IHK Potsdam ein Eigenkapital von über 50 Millionen Euro anhäufen konnte und damit mit deutlichen Abstand vor den IHKen in solchen Wirtschaftszentren wie Bremen, Düsseldorf, Nürnberg oder Wiesbaden liegt?

Wenn ich das Ergebnis des Fachgesprächs meiner Fraktion zu Grunde lege, dann scheuen die Brandenburger IHKen ein Prüfungsrecht des LRH wie der Teufel das Weihwasser. Und was lässt man sich da nicht alles einffallen: der LRH sei nicht kompetent, er habe nicht die notwendigen Kapazitäten, er habe nicht geeigneten Fachleuten. Alles Begründungen, die der LRH zurückgewiesen hat. Er hat die Fachkompetenz und die geeingenten Prüfer. Als letzte Begründung wird seitens der IHKen dann auf die eigene Fachkompetenz und die Existenz einer Prüfungseinrichtung verwiesen. Nur:

Die hausinterne Rechnungsprüfungsstelle für die IHKs mit ihrem Sitz in Bielefeld prüft die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, die ordnungsgemäße Aufstellung und den Vollzug des Wirtschaftsplans unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, also nichts anders, wie ein Rechnungsprüfer in der freien Wirtschaft.

Mit der Arbeit eines Rechnungshofes, der sich fallweise Vorgänge von besonderem Interesse herausgreift und als Außenstehender viel unabhängiger und undogmatischer zu Werke geht, in persönliche oder organisatorische Loyalitäten nicht eingebunden ist, der primär die allgemeingesellschaftlichen Interessen und nicht die Interessen einzelner Gesellschaften vertritt, hat das sehr wenig zu tun.

Anrede,

wer die IHKen erhalten will und zugleich die Interessen ihrer Mitglieder optimal wahren will kommt um die Einführung des Normalzustandes, nämlich die Streichung des systemwidrigen Prüfungsverbots für den LRH im IHK-Gesetz nicht herum.

Wer dagegen meint,aus welchen falsch verstandenen Rücksichtnahmen auch immer die IHKen vor dem LRH schützen zu müssen, wird dagegen erleben, dass er damit einen weiteren Sargnagel für die spezifische Ausgestaltung des bundesdeutschen IHK-Rechts bereitgelegt hat.

Anrede

Die Arbeit des Landesrechnungshofes hat sich in all den Jahren seit seinem Bestehen bewährt und dient dem Wohle Brandenburgs. Er ist nicht nur willens, sondern auch personell und fachlich in der Lage, seine Tätigkeit auf die Industrie- und Handelskammern in Brandenburg auszudehnen. Positive Beispiele aus anderen Bundesländern ermuntern dazu, es ihnen gleich zu tun. Wir bitten daher, der Überweisung dieses Antrags in den Ausschuss für Haushaltskontrolle als federführender Ausschuss und in den mitberatenden Wirtschaftsausschuss zuzustimmen.