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Axel Vogel spricht zur Großen Anfrage der FDP-Fraktion „Wirtschaftsfaktor Handwerk - Impulse für Wachstum und Beschäftigung“

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- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede

Mit seiner mittelständischen Prägung stellt das Handwerk eine wichtige Basis für Marktwirtschaft und Wettbewerb dar. Handwerksbetriebe erbringen individuelle und qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen für die Wirtschaft und die Endverbraucher. Durch seine dezentrale Struktur sichert das Handwerk eine wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung. Aber auch Handwerksberufe entwickeln sich dynamisch und müssen an die sich ständig weiterentwickelnden Märkte anpassen. Handwerker müssen sich innovative und fortschrittliche Technologien aneignen, um die Aufgaben, die ihnen gestellt werden, zeitgemäß zu erfüllen. Aktuell liegen die Herausforderungen des Handwerks vor allem in der Verwirklichung und Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarkts und der Bewältigung des demografischen Wandels. Der europäische Binnenmarkt funktioniert nicht als Einbahnstraße: Wer von offenen Grenzen profitieren will, muss sich auch selbst öffnen. Einer Umfrage zu Folge haben aber nur 2,5 % der Befragten Unternehmen in der Region Berlin-Brandenburg bisher die Möglichkeiten der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit genutzt und sich um ausländisches Personal bemüht. Für Brandenburger Handwerksbetriebe ergeben sich vor Allem durch die direkt angrenzenden osteuropäischen Regionen hervorragende Chancen sowohl was den Fachkräftenachwuchs als auch was neue Märkte anbelangt. Hier ist insbesondere die Chance, den in einigen Gewerken und Regionen bestehenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften abzumildern, zu nennen. Wir können daher die Zurückhaltung der Landesregierung, die in der Antwort auf die Große Anfrage zum Ausdruck kommt, in diesem Punkt überhaupt nicht nachvollziehen.

Die aktuelle Fachkräftestudie Berlin-Brandenburg 2010 prognostiziert für das Jahr 2015 einen ungedeckten Fachkräftebedarf für voraussichtlich 273.000 Arbeitsplätze, im Jahr 2020 für 362.000 Arbeitsplätze und in 2030 voraussichtlich für bis zu 460.000. Gleichwohl erachtet die Landesregierung „das vorhandene Fachkräftepotenzial in Brandenburg für ausreichend, dem Fachkräftemangel in Teilbereichen des Handwerks zu begegnen.“ Sie sieht auch keine zwingende Notwendigkeit, Fachkräfte aus dem Ausland zu akquirieren. Der dramatische Rückgang der Auszubildenden in Brandenburg zeigt aber schon jetzt Wirkung: Sie hat sich 2012 gegenüber 2005 fast halbiert! Das entspricht auch in etwa dem Rückgang der Schulabgänger in diesem Zeitraum. Der Handlungsbedarf liegt also auf der Hand und lässt sich nicht leugnen. Die Maßnahmen, zur Verbesserung der beruflichen Orientierung und der Förderung der Ausbildungsfähigkeit Brandenburger Schülerinnen und Schüler sind wichtig und richtig, sie zeigen auch Wirkung aber insgesamt fehlen schon jetzt schlicht die Menschen, um diesem Trend entgegen zu wirken.

Das wird auch aus einem anderen Teil der Antwort deutlich: „Durch den demographischen Wandel verringert sich der prozentuale Anteil nicht ausbildungsreifer Jugendlicher nicht. Aufgrund gestiegener Anforderungen von Unternehmen an die Ausbildungsanfänger wird mangelnde Ausbildungsreife gleichzeitig zu einer immer größeren Hürde für die Integration ins Ausbildungssystem. Nach Jahren mit einem Überangebot an Ausbildungsplatzbewerbungen und vorhandenen Fachkräften muss Politik umdenken.“

Wir fragen uns, wann sind sie mit dem Denken fertig und beginnen endlich zu handeln?

Anrede

Wie wichtig gut aufgestellte und leistungsfähige Handwerksbetriebe sind, sieht man auch bei der Energiewende. Kein Windrad dreht sich, keine Solaranlage produziert Strom oder Wärme, kein Ökostrom fließt, kein Haus spart Energie, bevor nicht Handwerkerinnen und Handwerker ihre Arbeit getan haben. Das Handwerk hat einen grünen Boden und sichert durch stetige Innovationen bei Energieerzeugung, Effizienz und -Einsparung zehntausende Arbeitsplätze. Vor Allem Privatleute investieren jetzt verstärkt in die eigenen vier Wände. Seit 2007 hat sich die Zahl der jährlich von der KfW geförderten energieeffizienten Wohneinheiten mehr als verdoppelt. 116.000 Immobilien wurden 2012 gefördert – ein Plus von 43 Prozent gegenüber 2011. Im vergangenen Jahr wurden erstmals mehr Biomasse-Heizungen und Wärmepumpen als Öl-Kessel verkauft. Dafür brauchen wir Handwerksbetriebe, die sich dieser neuen Technik stellen.

Nach Angaben des Handwerkskammertages des Landes Brandenburg erwirtschafteten die rund 40.000 Handwerksbetriebe des Landes im Jahr 2012 einen Umsatz von gut 13 Mrd. Euro. Das sind nur etwa 320 TEUR pro Betrieb und Jahr! In der Antwort der Landesregierung wird dagegen versucht ein etwas anderes Bild zu zeichnen: „Seit vielen Jahren ist das Handwerk eine starke Säule der Wirtschaft Brandenburgs und ebenso ein Innovations- und Technologiemotor, welcher zur praktischen Umsetzung und zur Prüfung von neuen Ideen fungiert.“ Das klingt ja sehr schön. Tatsache ist aber, dass 41 % der Betriebe im ostdeutschen Handwerk im Frühjahr 2013 eine mangelhafte Eigenkapitalquote von unter 10 % auf weisen. Bei weiteren 43 % ist die Eigenkapitalquote als unzureichend zu bezeichnen. Während die Aufgaben wachsen und das Personal fehlt leben über 80% der Handwerksbetriebe also praktisch von der Hand in den Mund und können keine längerfristigen Projekte oder neue Herausforderungen finanzieren.

Anrede

Wir brauchen leistungsfähige Handwerksbetriebe, diese haben nicht nur zu wenig Eigenkapital, ihnen fehlt auch auf absehbare Zeit der Nachwuchs. Für einen Ausweg aus diesem Teufelskreis brauchen wir endlich einen Mentalitätswandel in diesem Land: Nutzen wir die Chancen des EU-Binnenmarktes und befähigen die Unternehmerinnen und Unternehmer in den Handwerksbetrieben die Chancen der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit zu nutzen. Die Finanzierungsprogramme insbesondere für die Handwerksbetriebe müssen endlich so gestaltet sein, dass sie auch für die Handwerkerinnen und Handwerker wirklich nutzbar sind.