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Axel Vogel spricht zur Großen Anfrage 28 „Der Mittelstand – Rückgrat der brandenburgischen Wirtschaft“

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- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Mittelstand in Brandenburg, das sind 99,8% aller Unternehmen im Land. Wir reden hier also im Prinzip über die Wirtschaft Brandenburgs als Ganzes. Obwohl sich die Brandenburger Wirtschaft in den letzten Jahren insgesamt weiter positiv entwickelt hat, mehr Arbeitsplätze entstanden sind und die Eigenkapitalquote verbessert werden konnte, sind die in der Antwort auf diese Anfrage beschriebenen Probleme im Wesentlichen ja seit Jahren bekannt: Der unzureichende Zugang zum Kapitalmarkt, Probleme bei der Finanzierung von Investitionen, die oft schlechte Umsetzung von Innovationen, die Schwierigkeiten bei der Kooperation mit Forschungseinrichtungen, die schleppende Durchführung von Maßnahmen zur ökologischen Modernisierung wie zum Beispiel Energiesparmaßnahmen, der schlechte Zugang auf europäischen und internationalen Märkten oder die fehlenden Fachkräfte. Man könnte auch sagen, die Unternehmen haben nach wie vor ein Managementproblem. Es fehlt immer wieder an der Erfahrung, wie man aus einem kleinen Familienbetrieb ein international agierendes Großunternehmen entwickelt. Was ja auch logisch ist, da man sich dieses Know-how ja auch nach der Wende erst mühsam erarbeiten musste.

Genau das wissen wir alle seit vielen Jahren, nur geändert hat sich daran auch schon seit Jahren nicht viel. Ja, es gibt die, bei diesen Gelegenheiten immer wieder genannten Aktivitäten und Förderprogramme wie zum Beispiel den Innovationsgutschein, den Innovationsassistenten, das Mikrofinanzierungsprogramm oder die KMU-Innovativ Richtlinie. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, greift ihr Entschließungsantrag auch viel zu kurz.

Auch der Vorschlag hier mal gleich, sozusagen en passant, das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge abzuschaffen, ist hier völlig fehl am Platze und findet unsere Zustimmung nicht.
Die Probleme sind ja auch weitgehend bekannt, die Landesregierung tut auch was aber wesentlich besser wird es seit Jahren nicht. Mit den üblichen, marktliberalen Konzepten von gestern ist hier kein Blumentopf zu gewinnen. Es wird endlich Zeit, zum Beispiel das eklatante Missverhältnis zwischen den speziellen, innovationsorientierten Programmen, die regelmäßig zu schwach ausgestattet sind, und den klassischen Investitionszuschüssen für Gewerbeansiedlungen ins richtige Verhältnis zu rücken. Es wird meines Erachtens Zeit, dass den Sonntagsreden über die Wichtigkeit von Bildung, Forschung und Entwicklung in diesem Land endlich Taten folgen. Mit Bildung meinen wir hier auch die Weiterbildung und das coachen von Unternehmerinnen und Unternehmern, mit Forschung und Entwicklung meinen wir hier die Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen und Unternehmen.

Anrede!
Erlauben sie mir, zum Themenkomplex Forschung und Entwicklung aus der aktuellen sozioökonomischen Analyse des Landes zu zitieren, welche Grundlage für die Erarbeitung der operationellen Programme Brandenburgs ist: „Die Ausgaben für FuE aus dem Landeshaushalt gemessen am BIP betrugen im Jahr 2009 in Berlin 3,67% und in Brandenburg 1,39%. Berlin befindet sich damit oberhalb des deutschen Durchschnitts auf dem zweiten Platz nach Baden-Württemberg, Brandenburg auf dem viertletzten Platz.“ Zitatende. Auch bei den Patentanmeldungen belegt Brandenburg bundesweit regelmäßig einen der hintersten Plätze. Vor diesem Hintergrund ist es schon verwunderlich, dass der Landesregierung keine Erkenntnisse über den Umfang von Forschung und Entwicklung in den Brandenburger Unternehmen vorliegen. Es wird sogar versucht, diesen Befund zu leugnen in dem angeführt wird (Antwort zu Frage 72), dass eine Studie zu dem Schluss käme, dass „die Beteiligung von Brandenburger Unternehmen an FuE bzw. die FuE-Intensität in Brandenburger Unternehmen nicht geringer sei, als in vergleichbaren westdeutschen Unternehmen“.

Mit anderen Worten, die Situation in ähnlich schwach innovativen Unternehmen Westdeutschlands ist auch nicht besser! Na, prima. Dass hier aber die Achillesferse Brandenburgs liegt, weiß die Landesregierung natürlich. In keiner Region Deutschlands sind mehr Spitzenforschungsinstitute angesiedelt, arbeiten mehr Menschen in Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen an Zukunftstechnologien als hier in der Hauptstadtregion. Dennoch vermag Brandenburg diesen Schatz schon seit Jahren nicht zu heben! Im Gegenteil, die Hochschulen werden zur Konsolidierung des Landeshaushaltes herangezogen. Scharfe Kritik an der fortgesetzten Sparpolitik der Landesregierung bei den Hochschulen übte daher mit Recht auch der Präsident der Universität Potsdam, Prof. Günther. „So ist Spitzenforschung nicht zu finanzieren“, sagte er beim diesjährigen Neujahrsempfang.

Leistungsfähige Strukturen für den Technologietransfer an den Hochschulen sind so ebenfalls nicht aufzubauen und zu unterhalten. Eine oft hohe Fluktuation und geringe Professionalität in diesen Einrichtungen sind die Folge. Auch das weiß man in den Ministerien seit Jahren. Die Politik in Brandenburg setzt eben andere Schwerpunkte.

Anstatt systematisch und verlässlich in die Bereiche Technologietransfer, Forschung und Innovation zu investieren, machen in Brandenburg immer wieder, zunächst mit öffentlichen Mitteln geförderte und dann gescheiterte, Großprojekte negative Schlagzeilen. In der neuen EU-Förderperiode verspricht die Landesregierung nun endlich einen Investitionsschwerpunkt „Innovation“. Da verwundert es allerdings, dass die „konkrete Umsetzung mit Maßnahmen“ noch diskutiert wird, wie man der Antwort entnehmen kann. Wir können nur hoffen, dass sich in den Ministerien endlich die Erkenntnis durchsetzt, dass Brandenburg in die Entwicklung und den Aufbau der hiesigen Unternehmen investieren muss und nicht immer der Versuchung erliegen darf, mit vermeintlich totsicheren Megaprojekten schnelle Erfolge realisieren zu können. Investitionen meint hier übrigens nicht in erster Linie Geld in Form verlorener Zuschüsse, sondern vor allem Netzwerke, Management Know How und entsprechende Infrastruktur an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Sehr seltsam muten die Antworten der Landesregierung zum Thema Fachkräftebedarf und Zuwanderung an. Die Frage der Nettozuwanderung stellt sich nach diesen Ausführungen der Landesregierung derzeit nicht, weil es angeblich noch Spielräume gibt: Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, Ausweitung der Erwerbsarbeit, Erhöhung der Bildungsbeteiligung und Flexibilisierung der Tätigkeitsorientierung. Da fragen wir uns, ob Brandenburg in diesen Bereichen wirklich so schlecht abschneidet, dass man realistischer weise davon ausgehen kann, hier in kurzer Zeit die notwendigen Fachkräftepotenziale heben zu können? Natürlich braucht dieses Land eine Nettozuwanderung, allein schon, um der demografischen Entwicklung begegnen zu können. Attraktive Rahmenbedingungen wie eine gute soziale Infrastruktur, attraktive Verkehrsverbindungen und eine intakte Umwelt sind nicht nur für Zuwanderer, sondern auch für die eigenen Fachkräfte wichtige Argumente, die Region nicht zu verlassen. Wir tun also gut daran, diese sogenannten weichen Standortfaktoren ernster zu nehmen und die Rahmenbedingungen für qualifizierte Zuwanderer weiter zu verbessern.

Anrede!

Um es auf einen kurzen Nenner zu bringen: wir erwarten von der Landesregierung direkte Investitionszuschüsse an Unternehmen nur noch bei Neuentwicklungen und Kooperationsprojekten mit Forschungseinrichtungen zu zahlen und ansonsten revolvierende Förderinstrumente einzusetzen. Die Infrastruktur in Forschungseinrichtungen für solche Kooperationen muss deutlich besser und ihre Finanzierung verstetigt werden, Management Know-how in unseren Unternehmen muss weiter aufgebaut und die Arbeitsplätze für gut qualifizierte Fachkräfte attraktiver werden. Dann hat der Mittelstand auch in Brandenburg wirklich eine Chance im Bundesvergleich einen der vorderen Plätze einzunehmen.