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Marie Schäffer spricht zum Antrag der AfD-Fraktion „Sofortige Aufhebung aller Corona bedingten freiheitsbeschränkenden „Lock-down“-Maßnahmen und gezielter Schutz und Versorgung von Risikogruppen“

Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Die AfD Fraktion redet von Freiheit.

Wie immer bei Ihnen ist damit gemeint: die Freiheit des eigenen Egoismus, auch wenn man dafür die Oma oder das herzkranke Kind für die nächsten Monate wegsperren muss.

Sie fordern, alle Maßnahmen gegen Corona sofort aufzuheben, und begründen das damit - ich zitiere -, dass die Gefährlichkeit des Virus „mit der Gefährlichkeit von Grippeviren vergleichbar“ sei, und es sei - ich zitiere - „wissenschaftlich klargestellt [… dass] das deutsche Gesundheitssystem […] durch Corona- Patienten nicht an seine Grenzen“ komme.

Der Grund, warum Bundesregierung und Landesregierung trotzdem behaupten, man müsse die weltweite Pandemie ernst nehmen, sei - Zitat -:
„Die Bundesregierung liebäugelt damit, die aufgebauschte Gefahr dafür zu missbrauchen, die Schuldenunion zu vollenden und nun auch noch die zukünftige Wertschöpfung deutscher Bürger für die Schulden ganz Europas zu verprassen.“

Ich könnte jetzt auf die Absurdität des Verschwörungsgeraunes aus Ihren Reihen hinweisen, das impliziert, die Regierungen aller Länder der Welt hätten sich gemeinsam mit Medizinern und Wissenschaftlern verschworen, um eine Pandemie vorzutäuschen, die es nicht gibt. Ich könnte auch versuchen, Ihnen sachlich zu erklären, wie Wissenschaft funktioniert und warum diese bei einem neuen Virus keine allumfänglichen, immer perfekt stimmigen Erklärungen und Antworten liefern kann. Übrigens, Herr Kalbitz, auch der von Ihnen zitierte Prof. Streeck sagt sehr deutlich, dass Corona nicht mit einer Grippe vergleichbar ist.

Darüber, dass wir durch die Maßnahmen überhaupt erst von einer Übersterblichkeit, wie sie zum Beispiel in Schweden zu beobachten ist, fortgekommen sind, wurde heute schon geredet.

Aber ich weiß, Sie sind nicht daran interessiert, sachlich das Für und Wider konkreter Maßnahmen abzuwägen, und noch weniger daran, zu beleuchten, welche Auswirkungen Ihre vorgeschlagenen
Vorgehensweisen auf die betroffenen Menschen hätten. Was Sie wollen, ist, irgendwie wieder die Aufmerksamkeit zu bekommen, die Sie vor der Corona-Krise gewohnt waren.

Sie spalten die Gesellschaft, stiften mutwillig Verwirrung und untergraben gezielt immer und immer wieder die politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen, die zu unserer freien Gesellschaft gehören. Dabei kommen Anträge wie dieser hier heraus - nach demselben Muster wie beim Thema Klimawandel -: Sie scheren sich nicht um Prozesse des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns und auch nicht um Konsens oder Mehrheitsmeinungen im Wissenschaftsbetrieb.

Stattdessen suchen Sie so lange, bis Sie irgendjemanden finden, der das Richtige studiert hat und Ihre Meinung vertritt. Das bedeutet für Sie dann, die Frage sei wissenschaftlich geklärt. Dann wird mit ein paar, manchmal sogar korrekten, Zahlen ohne relevanten Kontext im Antragstext herumjongliert, und wenn aus
diesen stark verkürzten Zahlen nicht eindeutig erwiesen ist, dass eine Maßnahme wirkt, wird das eben rhetorisch so hingebogen, dass damit das Gegenteil bewiesen sei. Zum krönenden Abschluss
kommt dann noch das Verschwörungsgeraune über die dunklen Absichten hinzu, die angeblich dahinterstehen.

Meine Damen und Herren, so geht Desinformation.

In den sozialen Medien kann man unter Ihren Beiträgen auch mit schöner Regelmäßigkeit sehen, was diese Desinformation bewirkt:
Dort wird aus dem vorsichtigen Geraune Ihrer Seite über die dunklen Mächte hinter den Entscheidungen sehr, sehr schnell George Soros und das Weltjudentum, das dort irgendwelche Fäden zieht. Ich habe sehr selten gesehen, dass von Ihrer Seite dagegen vorgegangen wurde, wenn sich solche Kommentare
bei Ihnen ansammelten.

Wir lehnen den Antrag selbstverständlich ab und werden weiterhin auf Basis von Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen unsere Meinung diskutieren und sie hin und wieder auch überdenken,
wenn sich neue Erkenntnisse ergeben. Ich glaube, jeder hier im Raum weiß, wie schmerzhaft alles ist, was wir aktuell an Beschlüssen gefasst haben.

Wir alle haben ältere Familienmitglieder, kennen Kinder, die darunter leiden, nicht in die Kita oder in die Schule zu dürfen, kennen Familien, die durch die wirtschaftlichen Einbußen an den Rand des Ruins kommen, und vieles mehr. Wir wissen, wie hart diese Maßnahmen für die Wirtschaft sind. Trotzdem wägen wir das gegen das Risiko ab, das nun einmal für die Gesellschaft besteht, wenn sich diese Pandemie
wieder exponentiell ausbreitet.

Ich möchte aber auch sagen: Ich bin sehr froh, dass es möglich ist, mit den normalen Menschen darüber auch normal zu diskutieren und ihnen darzustellen und zu erklären, wie komplex die Faktenlage ist, wie viel wir auch nicht wissen und wie unvollständig die Daten sind, die wir haben.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Brandenburgerinnen und Brandenburgern, die in der ganz großen Mehrheit verantwortungsvoll damit umgehen, noch einmal ganz herzlich bedanken. - Vielen Dank.

Sehen Sie die Rede hier: