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Isabell Hiekel spricht zum Koalitionsantrag "Moorschutzprogramm erarbeiten und umsetzen"

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!


Ich freue mich, dass wir jetzt zu einem erfreulicheren und feuchteren Thema kommen. Wann ist ein Moor ein Moor? Moor ist es ab einer Schichtdicke von 30 cm und einem Anteil organischer Substanz von mindestens 30 %. Moore entstehen nur bei Wasserüberschuss durch die Akkumulation von organischem Material, also wenn Torfmoos, Schilf, Seggen oder Gehölze unter Luftabschluss konserviert werden. Das ist auf Brandenburger Territorium seit der letzten Eiszeit in großem Maßstab passiert.

Es geht in unserem Antrag daher nicht nur um die 3 000 Hektar noch intakter, ja mystischer Moore, wie Sie sich das vielleicht vorstellen, die im Land Brandenburg noch erhalten sind. Es geht vor allem um die großen Moorlandschaften, zum Beispiel um das Rhinluch, den Spreewald oder das Havelländische Luch. Es geht um 260 000 Hektar organischer Böden in unserem Land, von denen 162 000 Hektar als Niedermoore eingeordnet werden - für alle, die sich mit Flächenangaben nicht so gut auskennen: Das entspricht 364 000 großen Fußballfeldern. Von diesen Flächen werden 95 000 Hektar hauptsächlich konventionell
als Grünland genutzt. Dazu müssen sie entwässert werden. Bei der Entwässerung wird die organische Moorsubstanz belüftet. Damit werden Mikroorganismen aktiv, die das Moor zersetzen. Der „Moorpapst“, Prof. Hans Joosten, sagt dazu: Moor ist wie Spreewaldgurken im Glas - schüttest du das Wasser weg, verrotten die Gurken.


Bei der Moorzersetzung steigt CO2 als Klimagas in die Luft. Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor gelangen in die Entwässerungsgräben und führen dort durch erhöhten Nährstoffeintrag zu erhöhtem Bedarf in der Gewässerunterhaltung. Das Moor verliert an Masse, schrumpft und sackt ab, verdichtet sich und bildet Stauschichten, Regenwasser kann nicht mehr versickern, und der kapillare Wasseraufstieg in Trockenphasen ist unterbrochen.

Für die landwirtschaftliche Nutzung ist das nicht gut. Langfristig gehen diese Flächen für die herkömmliche Grünlandnutzung verloren. Viele Landwirte haben das bereits erkannt und sind deshalb durchaus bereit, Änderungen in der Bewirtschaftung von Moorflächen umzusetzen und hier neue Wege zu gehen. Dabei
brauchen sie die Unterstützung von Politik und Wissenschaft.

Der Auftrag, ein Moorschutzprogramm zu erarbeiten, ist deshalb nicht nur darauf ausgelegt, die verbliebenen naturnahen Moore zu schützen und die unbenutzten Moorflächen zu revitalisieren. Dieses Moorschutzprogramm soll vor allem auch den Weg zu einer freiwilligen natur- und klimaverträglichen Nutzung organischer Böden bereiten.

Was heißt das im Einzelnen? Einstellung hoher Wasserstände in den Moorböden, um die Zersetzungsprozesse zu reduzieren - dabei darf es keine Beeinträchtigung von Siedlungsbereichen geben -, Unterstützung und Förderung standortangepasster Grünlandtechnik, Unterstützung von Projekten zur Verwertung von Biomasse aus nassem Moor. Dazu brauchen wir eine intensive Zusammenarbeit der Wissenschaft mit den Landwirten und Agrarökonomen sowie eine verbesserte Beratung der Landwirte in Bezug auf Moorbewirtschaftung und Fördermöglichkeiten.

Und: Landeseigene Flächen sollen zukünftig moorschonend bewirtschaftet werden. Mit diesem Auftrag an die Landesregierung wollen wir nicht nur den moorbewirtschaftenden Landwirten eine langfristige Perspektive geben. Wir wollen und müssen auch ein Zeichen für den Klimaschutz setzen. Wiesen und Weiden auf entwässertem Moor emittieren bis zu 29 CO2-Äquivalente pro Hektar und Jahr. Das entspricht den Emissionen eines Mittelklassewagens, der 145 000 Kilometer weit fährt, also eine Strecke, die dreieinhalbmal so lang wie der Äquator ist. Bei tiefenentwässertem Acker werden sogar 37 Tonnen CO2-Äquivalente emittiert. Das entspricht den Emissionen auf 185 000 gefahrenen Kilometern - jedes
Jahr, auf jedem Hektar.

Berechnungen von wissenschaftlichen Einrichtungen gehen davon aus, dass die Emissionen aus entwässerten, landwirtschaftlichgenutzten organischen Böden im Land Brandenburg einen Anteil von 9 % der landesweiten Emissionen ausmachen. Also:

Moorschutz ist Klimaschutz, und nur ein nasses Moor ist gut fürs Klima. Damit ein nasses Moor auch ein gutes Moor für die Landnutzer und die regionale Wertschöpfung wird, brauchen wir innovative und zukunftsorientierte Bewirtschaftungsmethoden, angepasste Technik und diverse Verwertungsmöglichkeiten für die Biomasse. Nicht nur, aber auch das soll das Moorschutzprogramm leisten, mit dem wir die Landesregierung heute beauftragen. In diesem Sinne empfehle ich Ihnen wärmstens, unserem Antrag zuzustimmen, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Sehen Sie hier die Rede: