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Heiner Klemp spricht zum Antrag "Entlastung der Anwohner bei Erschließungsmaßnahmen"

- Es gilt das gesprochene Wort!

Frau Präsidentin,
werte Abgeordnete,
meine Damen und Herren,

nach dem Baugesetzbuch des Bundes sind Straßen oder Anlagen, die erstmals gebaut werden und ein Grundstück erschließen, durch die Eigentümerinnen und Eigentümer der anliegenden Grundstücke mitzufinanzieren. Die Gemeinde trägt mindestens 10 % der Kosten.

Nach dem Brandenburger Kommunalabgabengesetz sind seit dem 1. Januar vergangenen Jahres die Kosten für den Ausbau einer bestehenden Straße nicht mehr durch die Anwohner mit­zufinanzieren.

Diese Rechtsetzung durch den Landtag eskaliert natürlich die Frage: Wie verhält es sich mit sogenannten Sandpisten, die vor dem 3. Oktober 1990 errichtet worden sind? Sind sie bereits erschlossen oder nicht?

Wo eine Erschließung bereits vor dem 3. Oktober 1990 gegeben war, dürfen keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden. Kann oder muss das, was nach heutigem Augenschein häufig bestenfalls als Sandpiste zu bezeichnen ist, als vorhandene bauliche Erschließung eines Grundstücks gelten und ist damit der Neubau einer Straße, also bspw. durch Asphaltierung oder Pflasterung lediglich ein Ausbau, der nicht durch die Anwohnerinnen und Anwohner mitzufinanzieren ist?

Unter dem Strich bedeutet das für die Betroffenen eine Kostenbeteiligung von Null oder eben 90%.

Dass diese Fragen teilweise nunmehr seit Jahrzehnten als noch nicht befriedigend geklärt scheinen, ist wahrlich kein Glanzstück Brandenburger Politik.

Das lange Fortbestehen der Problemlage ist aber auch ein Hinweis darauf, dass diese Fragen nicht mit einem Handstreich aus der Welt zu schaffen sind, jedenfalls nicht mit einem Antrag, der sinngemäß dazu auffordert

  1. bei der Aktualisierung des Gemeindestraßen-Leitfadens die jüngste Rechtsprechung angemessen zu würdigen und
  2. die TGL, die technischen Normen der DDR heranzuziehen bei der Beurteilung der Frage, ob eine Erschließung nach damaligem Standard vorlag oder nicht.

Ich will hier nicht in Abrede stellen, dass womöglich beide Punkte einen Beitrag zur Problemlösung leisten können.

Aber bitte geben Sie uns noch etwas Zeit.

Wir diskutieren dieses und verwandte Themen ja hier regelmäßig. Daher wissen Sie auch, dass das Innenministerium derzeit einen Überblick über die Situation im Land erarbeitet. Das sollten wir abwarten. Nach Jahrzehnten der Unsicherheit und trotz der gerade durch BVB/FW durch die Abschaffung der Ausbaubeiträge betriebenen Eskalation sollten wir uns die erforderliche Zeit nehmen.

Die Koalition verfolgt den Ansatz, dem Landtag für das Gesamt­problem nach gründlicher Betrachtung aller relevanten Aspekte einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. An dieser Stelle mit zu kleinteiligen Anträgen am Problem herumzufrickeln kann nicht im Sinne einer nachhaltigen Lösung und nicht im Sinne der Betroffenen sein.

Ohne Datengrundlage und ohne angemessenen Überblick halten wir ein Herumdoktorn an Teilproblemen für verfrüht. Wie wir aus der Koalition heraus bereits mehrfach deutlich gemacht haben: "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit."

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Entschließungsantrag der AfD sagen. Der Antrag wiederholt schon mehrfach durch den Landtag zurückgewiesenen Forderungen ohne Rücksicht auf Finanzierbarkeit, Rechtskonformität und letztendlich auch Gerechtigkeit. Denn er würde eine Umverteilung von Geldern von der Steuerzahlerin zu den Grundstückseigentümern und letztendlich auch in die Taschen von Investorinnen und Investoren führen. Wir werden ihn daher ablehnen.

Vielen Dank.