Zum Inhalt springen

Clemens Rostock spricht zum Antrag "Endlich mehr Gerechtigkeit für Beschäftigte in der Corona-Krise"

Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen
und Zuschauer an den Bildschirmen!

Nachdem wir heute schon das obligatorische Rundschreiben an die kommunale Familie von BVB / FREIE WÄHLER hatten, haben wir jetzt die obligatorische Bundesratsinitiative der Linken. Aber, wie dargestellt,
möchte ich noch einmal zwischen der Bundesebene und der Landesebene unterscheiden - was dann auch eine Unterscheidung zwischen der Kenia-Koalition im Land und der Großen Koalition auf der Bundesebene ist. Das war nicht immer so ganz deutlich in Ihrem Beitrag, Herr Walter.


Sowohl gestern als auch heute ist noch einmal deutlich geworden, dass alle Fraktionen das Kurzarbeitergeld grundsätzlich gut finden. Es wurde auch betont, dass es vorbildliche Arbeitgeber gibt, die das Kurzarbeitergeld aufstocken. Um das Bild zu vervollständigen und die Leistungen der vorbildlichen Arbeitgeber in ein noch besseres Licht zu rücken, kann man auch schlechte Beispiele nennen. Wir haben namhafte Unternehmen wie Rheinmetall, die das explizit nicht machen, aber gleichzeitig Dividenden
in Höhe von über 100 Millionen Euro ausschütten.

Zum Gesamtbild gehört auch, dass viele Zuzahlungen der Arbeitgeber erst durch die Gewerkschaften erstritten und erkämpft wurden. Das zeigt noch einmal: In der Krise wird die Stärke von Gewerkschaften deutlich; in der Krise brauchen wir Solidarität. Aber unabhängig von der Rolle der Arbeitgeber hat das Kurzarbeitergeld grundsätzliche Schwächen. Diese werden gerade in mder Krise sichtbar; im Normalfall sind sie vielleicht noch verschmerzbar.

Aber es ist nicht nur ein soziales Problem, sondern auch ein Problem für die Verwaltungen. Man kann sich vorstellen, was es bedeutet, wenn Kurzarbeitergeldbezieher jetzt en masse auch noch Grundsicherung beantragen müssen, also die Bezüge von zwei unterschiedlichen Sozialleistungen bearbeitet
werden müssen. Wir hatten Vertreter der Arbeitsagentur im Wirtschaftsausschuss
zu Gast und haben auch viele Fragen gestellt. Wir haben noch kein komplettes Bild. Wir haben gehört, jeder vierte Arbeitnehmer bzw. jede vierte Arbeitnehmerin ist betroffen. Aber um bzw. auf
wie viel Prozent heruntergefahren wurde, ist noch unklar.

Unklar ist auch, wie viele Menschen tatsächlich Grundsicherung beantragen müssen. Ein Gesamtbild bekommen wir also erst noch. Mit einem Nettoeinkommen von 2 100 Euro - überlegen wir uns
einmal, wie viele der Betroffenen in Brandenburg so viel verdienen - kommt man, wenn man 60 % Kurzarbeitergeld bezieht, auf 1 260 Euro. Das liegt ganz knapp über der Grenze, bis zu der man aufstocken kann. Das heißt, es wird voraussichtlich sehr viele treffen. Schon jetzt ist klar, dass die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes in Abhängigkeit von der Bezugsdauer, wie auf Bundesebene
beschlossen, dieses Problem nicht löst.

Aber auch der Antrag der Linken, das Kurzarbeitergeld pauschal auf 90 % zu erhöhen, löst dieses Problem nicht direkt. Sie haben das im Europavergleich aufgezeigt, und ja, wir Grüne sind auch dafür, es zu erhöhen. Aber wir gehen ein bisschen differenzierter vor, mit einer gewissen Herleitung. Es geht vor allen Dingen darum, das Abrutschen in die Grundsicherung zu vermeiden, aus sozialen Gründen, aber auch aus Verwaltungsgründen, wie ich gesagt habe. Deswegen schlagen wir, um für einen Großteil der Arbeitnehmer zu vermeiden, dass sie in die Grundsicherung abrutschen, einen Stufenplan vor, der ab 2 300 Euro beginnt und bei dem die prozentuale Erhöhung steigt, je niedriger das vorherige
Einkommen ist. Was Sie mit der pauschalen Auszahlung von 90 % usw. machen, ist eine Überdehnung der ursprünglichen Idee des Kurzarbeitergeldes.

Von Herrn Bommert wurde noch einmal richtig dargestellt, dass es vor allen Dingen darum geht, die Arbeitslosigkeit zu vermeiden, also das weitere Arbeitsverhältnis zu finanzieren statt die Arbeitslosigkeit. Herr Rüter hat ausgeführt, dass das auch in Bezug auf die Minijobs das Prinzip überdehnt. Im Übrigen schlagen wir vor - bei Herrn Rüter klang das ebenfalls an -, bei den Azubis nicht erst nach sechs Wochen einzuspringen. Auch da gibt es Verbesserungsbedarf. Nichts wäre schlimmer, als wenn aufgrund dieser sechs Wochen die ganze Ausbildung in die Brüche ginge. Das hätte langwierige Folgen für die Betroffenen, und das müssen wir vermeiden.

Fazit: Der Antrag der Linken hat in der Begründung ein Problem aufgegriffen, das wir durchaus sehen. Mit der vorgeschlagenen Lösung wird aber die Grundidee des Kurzarbeitergeldes überdehnt. Uns ist die vorgeschlagene Lösung zu pauschal, zu wenig differenziert, und deshalb lehnen wir den Antrag ab.

- Danke.

Sehen Sie hier die Rede: