Zum Inhalt springen

Carla Kniestedt spricht zum Antrag "Anerkennung polnischer Mediziner und Medizinerinnen-Abschlüsse sicherstellen!"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In schöner Klarheit formuliert der Antrag, worum es geht, nämlich um die Anerkennung der Abschlüsse, die junge Menschen in Polen erlangen, um dann in Deutschland als Ärztinnen und Ärzte arbeiten zu können.

Es gibt Erkenntnisse, die sind unstrittig, vor allem, dass wir dringend Medizinerinnen und Mediziner brauchen, auch weil sich der schon heute bestehende Fachkräfteengpass in den kommenden Jahren verschärfen wird, denn viele von denen, die heute noch arbeiten, werden absehbar in Rente gehen. Wir können also auf keinen verzichten, der von der Uni kommt und - wenn es ganz besonders gut läuft - in Brandenburg arbeiten möchte.

Nun ist es genauso unstrittig, dass viele junge Menschen gefühlt endlos warten, um einen Studienplatz zu erwischen. Und dass der Numerus clausus als wichtigstes Auswahlkriterium vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss ist, wird inzwischen immerhin diskutiert. Deshalb suchen viele junge Menschen nach einem
Ausweg - ein Studium im Ausland ist ein solcher. Seit Jahren ist es üblich, dass deutsche Studentinnen und Studenten an polnischen Universitäten nicht nur die englischsprachigen Vorlesungen besuchen, sondern dort auch ihr Studium abschließen.

Bisher wurden diese Absolventen, wenn sie nach Deutschland zurückkehrten, meist umgehend approbiert, weil sie alle Bedingungen erfüllten, die Europa an ein anzuerkennendes Medizinstudium stellt.

Nun wurde im April vergangenen Jahres die EU-Richtlinie mit dem charmanten Namen 2005/36/EG modifiziert, und zwar von polnischer Seite. Was genau bedeutet das? Polen hat der EU veränderte Bedingungen für die EU-Anerkennungsrichtlinie gemeldet. Darin wird nun von Absolventinnen und Absolventen eines Medizinstudiums an einer polnischen Universität zusätzlich - ich betone ausdrücklich: zusätzlich - eine mündliche Prüfung im polnischen Medizinrecht, „LEK“, in polnischer Sprache gefordert
- nahezu unmöglich für Menschen, die vorzugsweise in Englisch studiert haben und nie vorhatten, in Polen zu praktizieren.

Außerdem sollen sie ein „Staż“ absolvieren, ein 13-monatiges Praktikum im polnischen Gesundheitswesen, obwohl - ich wiederhole es ausdrücklich - das eigentliche Studium bereits die erforderlichen Praktika enthält. Beide Dinge, „Staż“ und „LEK“, beziehen sich in der Sache ausschließlich auf Polen. Da aber Polen
diese Veränderung an die EU-Kommission als immanente Bestandteile eines anzuerkennenden Studienabschlusses gemeldet hat, gibt es in Deutschland natürlich ein Problem: Approbationsbehörden
verlangen nun auch von deutschen Absolventinnen und Absolventen diese beiden Scheine. Sie müssen es tun, weil das momentan geltendes EU-Recht ist.

Das Problem gibt es, wie gesagt, seit April vergangenen Jahres. Mir wurde es im Dezember bekannt, im Wesentlichen durch ein Schreiben des Klinikums Schwedt. Das gehört, wie Sie wissen,zum Asklepios-Konzern, und der Hintergrund des Schreibens ist:
Das Klinikum kooperiert seit Jahren mit der Pommerschen Medizinischen Universität Stettin. - Nun kann man, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, zu einem privatwirtschaftlichen Klinikbetreiber
stehen, wie man möchte, und darüber - ich hätte nicht wenig Lust - könnte man trefflich und lange diskutieren. Es gäbe Gründe, nur - und das ist der Punkt - darum geht es gerade
nicht.

Es geht darum, dass junge Menschen aus dem EU-Land Deutschland im EU-Land Polen gemeinsam studieren, unter anderem in Stettin, aber auch an anderen Universitäten, und es alle betrifft. Ergebnis im Moment: Junge Leute, die ihr Studium eigentlich absolviert haben, arbeiten bei uns maximal als Hilfskräfte.

Die Unsicherheit ist allgemein. Die Richtlinien werden in unterschiedlichen Staaten offenbar unterschiedlich ausgelegt, und zwar eben von den Staaten. Das lässt keinen anderen Schluss zu, als dass der Bund in der Verantwortung ist, schnellstmöglich eine Lösung zu finden. Was tut man momentan?

Bundesgesundheitsminister Spahn hat auf den Alarm aus Brandenburg hin immerhin Gespräche in Warschau geführt - erfolglos. Man hätte annehmen können, dass von Bundesseite wegen der Dringlichkeit
Tag und Nacht am Thema gearbeitet wird. Und es müsste am Ende heißen, dass eine rechtssichere Variante für alle hermuss, die sein könnte: „Staż“ und „LEK“ werden für ausländische Studierende
aus den besagten Richtlinien gestrichen. - Der Eifer, so mein Eindruck, hält sich sehr in Grenzen.

Stattdessen wird hier das uralte Schwarzer-Peter-Spiel aus der Tasche gezogen und mitgeteilt: Approbation ist in unserem föderalen System Ländersache. - Die Verantwortung wird also klassisch delegiert, mit dem entscheidenden Nachteil, dass auf Länderebene natürlich nichts anderes geht, als sich an geltendes Recht zu halten. Ministerpräsident Woidke hat auch versucht, eine Lösung zu finden - erfolglos, weil Warschau bei seiner Regelung bleiben will.

Kein Licht am Ende des Tunnels.

Ich finde es geradezu empörend, dass wir zwar alle finden, wir brauchen Ärztinnen und Ärzte, das Land
Brandenburg im entscheidenden Moment aber ziemlich alleingelassen wird, mit der ulkigen Begründung: Was geht uns im Bund das an? Approbation ist Ländersache!

Lösungsmöglichkeit zwei, die hier erarbeitet wurde: „ius migrandi“ wie in Österreich oder Frankreich. Dabei wird festgeschrieben, dass Absolventinnen und Absolventen, welche die grundlegenden Anforderungen erfüllen, in anderen EU-Staaten in ihrem Beruf arbeiten dürfen - möglich, langfristig und vor allem: Auch auf diesem Wege hat das Land Brandenburg keinerlei Einflussmöglichkeiten.

Lösung drei ist eigentlich auch keine: ein bilaterales Abkommen zwischen Deutschland und Polen. Und warum ist es keine? Es ist nicht so richtig gut und nicht gewollt, dass zwischen EU-Mitgliedsstaaten
bilaterale Abkommen geschlossen werden.

Wie man es also dreht und wendet: Die Situation ist untragbar - für uns und für die jungen Menschen. Vor allem für den Jahrgang 2019 müsste zumindest eine Zwischenlösung her, um Approbationen zu ermöglichen, aber auch für die vielen, die bald fertig sein werden, und für die, die sich um ein Studium in Polen bewerben wollen oder eben auch nicht.

Rechtssicherheit muss dringend her, weil das Studium in Polen auch ohne „Staż“ und „LEK“ alle Bedingungen erfüllt, weil wir junge Menschen, die bei uns oder auch woanders arbeiten wollen,
dringend brauchen, weil es um Vertrauen geht und weil es doch eine großartige Sache ist, dass Europa das Studium überall ermöglicht. Das, finde ich, darf auf gar keinen Fall auf der Strecke
bleiben. Deshalb bitte ich Sie sehr um Zustimmung zu unserem Antrag.

Sehen Sie hier die Rede: