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Benjamin Raschke spricht zur Aktuellen Stunde "Walter Lübcke, Halle, Hanau – Wehrhafte Demokratie in der Pflicht"

>> Entschließungsantrag der Fraktionen SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und BVB/FREIE WÄHLER (pdf-Datei)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ferhat,

Gökhan,

Hamza,

Said Nesar,

Mercedes,

Sedat,

Kaloyan,

Fatih.

Und Vili Viorel

- sie und die Mutter des Täters sind die Opfer des schrecklichen Anschlags in Hanau. Sie alle waren Teil unserer Gesellschaft, sie lachten, sie weinten, sie liebten, sie waren Anlagenmechaniker oder selbstständig, sie spielten Fußball, sie hörten Rapmusik. Nun sind sie alle tot, grausam ermordet, weil sich Rassismus und Hass in diesem Land ausbreiten - und das nicht etwa zufällig, sondern weil rechtsextreme Kräfte hier systematisch den Nährboden dafür schaffen. Weil sie den Alltagsrassismus schüren. Weil sie gezielt Netzwerke aufbauen und weil sie ihre Macht in den Parlamenten missbrauchen.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD, CDU und DIE LINKE)

- Etwa, wenn der Vizepräsident versucht, die Debatte zu unterbinden. Auch im Rechtsausschuss: Seit Jahren hat die AfD im Rechtsausschuss nur ein einziges Thema, nämlich Themen auf die Tagesordnung zu setzen, bezüglich derer sie Schlagzeilen über vermeintlich Nichtdeutsche, die vermeintliche Straftaten begangen haben sollen, gelesen haben. Vorbereitung, Fragen, inhaltliche Befassung - Fehlanzeige! Darum geht es auch gar nicht. Es geht immer nur darum, Vorurteile zu schüren.

Diese Netzwerke - von der AfD bis zur Kampfsportgruppe - arbeiten seit Jahren daran, unsere Gesellschaft zu spalten. Daran diejenigen herauszudrängen, die vermeintlich „anders“ oder „fremd“ sind. Sie führen einen Feldzug gegen das Dazugehören und damit gegen unsere weltoffene, lebendige, vielfältige Gesellschaft. Sie wollen - und das ist das Schlimmste -, dass sich gerade diejenigen unter uns wieder fürchten, die nicht in ihr rassistisches und faschistisches Weltbild passen. Das, liebe Demokratinnen und Demokraten, können und das werden wir nicht zulassen!

(Beifall B9O/GRÜNE, SPD, CDU, DIE LINKE und BVB/FW)

Die Anschläge etwa in Kassel, Hanau und Halle sind nur die Spitze des gesellschaftlichen Eisbergs.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin es leid, dass wir hier Gedenkminute nach Gedenkminute abhalten müssen - so würdig unsere Präsidentin das auch gestaltet und so gut es dann tut, hier zusammenzustehen. Aber ich bin es leid; und wenn wir solche Angriffe - zumindest soweit es nur irgendwie geht - verhindern wollen, dann reicht es nicht, zu trauern und unserem Schmerz Ausdruck zu verleihen. Dann müssen wir konkret etwas tun, dann müssen wir an die Ursachen gehen. Auch und gerade das - das erwarte ich von uns - muss Teil der heutigen Aktuellen Stunde sein.

Deswegen ist es richtig, dass bundesweit besonders gefährdete Orte wie Moscheen und Synagogen jetzt besonders geschützt werden sollen. Es ist richtig, dass das Waffenrecht wieder in der Diskussion ist, dass wir darüber reden, wie man an Waffen und Munition kommt. Und es ist besonders richtig und wichtig, dass der Verfassungsschutz jetzt wieder Abgeordnete der AfD ins Visier nimmt, auch - und ganz besonders - den Vorsitzenden der hiesigen Fraktion, Andreas Kalbitz.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD, CDU und DIE LINKE)

Aber so richtig das ist, so kurz greift es auch. Denn die Antwort auf diesen fortwährenden Angriff auf unsere Demokratie und unsere Werte kann nicht allein in der Androhung der vollen Härte des Rechtsstaats liegen. Nein, sie muss auch darin liegen, aufzuklären, zu stärken, Beteiligungen auszubauen, Menschen einzubeziehen.

Deshalb ist es so wichtig, dass unser Koalitionsvertrag viel davon vorsieht. Ein Bekenntnis zur Stärkung der direkten Demokratie, der elektronischen Beteiligung: Wir wollen hier neue Formen der Bürgerbeteiligung einführen, eine umfassende Beteiligungsstrategie wird erarbeitet. Ich könnte das jetzt lange fortführen, denn die Spaltung und den Hass zu verringern ist eine der erklärten Hauptaufgaben der Koalition. Im Koalitionsvertrag finden sich entsprechend viele Maßnahmen, und ich weiß die Fraktionen
der FREIEN WÄHLER und der Linken an unserer Seite.

Das wird immer noch nicht reichen. Aber wir nehmen damit viel von dem vorweg, was Experten gerade als Vorschlag für einen Masterplan gegen Rechtsextremismus in Deutschland vorgestellt haben. Diese Experten rund um den Verein „DeutschPlus - Initiative für eine plurale Republik“ - allein der Name spricht schon Bände - loben dabei ausdrücklich unser Bundesland Brandenburg für seine Antirassismusklausel in der Verfassung weil damit der wichtigste Schritt schon getan ist: anzuerkennen, dass es hier nicht um Einzeltäter und ein zufälliges Phänomen geht, sondern dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt, das nicht totgeschwiegen werden darf.

(Beifall B9O/GRÜNE, SPD, CDU, DIE LINKE und BVB/FW)

Brandenburgist kein rassistisches Land, aber natürlich gibt es auch bei uns Rassismus. Ich erinnere nur an den Fall, der gerade durch die Presse ging: der Fall des „Bayerischen Hofs“ hier in der Landeshauptstadt, wo es dem Betreiber trotz wiederholter Bemühungen nicht gelungen ist, eine Mitarbeiterin zurückzugewinnen, die gekündigt hatte, weil sie rassistisch beleidigt wurde. Deswegen: Auch wir hier in Brandenburg können und sollten diesem Expertenvorschlag wertvolle Anregungen entnehmen.

Zwei dieser zwölf dort aufgeführten Punkte will ich besonders hervorheben. Erstens: Antidiskriminierung durch gesetzliche Grundlagen, Beauftragte, Leitbilder, Schulungen. Zweitens: Ausbau der Demokratieförderung; wir sollten unser Landesprogramm „Tolerantes Brandenburg“ ausbauen und uns zugleich im Bund dafür einsetzen, dass das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gestärkt wird. Über 120 Vereine und Initiativen fordern eine Aufstockung der Mittel für dieses Programm, und dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es jetzt wirklich höchste Zeit.

(Beifall B9O/GRÜNE, SPD, CDU, DIE LINKE und BVB/FW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Taten sind schrecklich, aber nehmen wir sie wenigstens zum Anlass, unsere eigenen guten Programme und Gegenmaßnahmen noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, unsere wehrhafte und lebendige Demokratie in Brandenburg noch wehrhafter zu machen. Ein Ausruhen auf dem schon Erreichten können und werden wir uns nicht leisten. - Vielen Dank.

(Starker Beifall BI9O/GRÜNE, SPD, CDU, DIE LINKE und BVB/FW)

>> Entschließungsantrag der Fraktionen SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und BVB/FREIE WÄHLER (pdf-Datei)

Der Entschließungsantrag wurde angenommen.