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Ursula Nonnemacher spricht zu unserem Antrag und der Beschlussempfehlung „Ausbildungsduldung integrations- und wirtschaftsfreundlich ausgestalten“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Im September 2018, nach Beginn des letzten Ausbildungsjahres, waren fast 1900 Ausbildungsstellen im Land Brandenburg nicht besetzt. Demgegenüber war die Zahl der jungen Menschen ohne Ausbildungsplatz mit rund 1.190 deutlich geringer. Rein mathematisch gesehen gab es also einen Überhang von Ausbildungsplätzen, ergo einen Bedarf an Auszubildenden.

Ebenfalls im letzten Sommer gab es mehrere junge Menschen, die nach längeren Praktika gerne im gleichen Betrieb eine Ausbildung begonnen hätten. Auch die Betriebe hätten sie gerne als Auszubildende begrüßt und hatten ihnen bereits Verträge ausgestellt. Doch die Bereitschaft der Betriebe, die persönliche und fachliche Eignung der potenziellen Auszubildenden, das Missverhältnis zwischen offenen Ausbildungsplätzen und Bewerberinnen und Bewerbern, das war alles irrelevant. Denn diese jungen Männer haben einen Fluchthintergrund. Deshalb können sie – ebenso wenig wie die interessierten Betriebe -nicht frei entscheiden, ob sie den angepeilten Beruf erlernen dürfen. Ausreisepflichtige Jugendliche und junge Erwachsene müssen zunächst eine sogenannte Ausbildungsduldung beantragen. Warum ist das so? Im August 2016 trat auf Bundesebene das Integrationsgesetz in Kraft. Mit ihm sollte auch integrationswilligen jungen Geflüchteten über die Ausbildungsduldung explizit eine aufenthaltsrechtliche Perspektive geschaffen werden. Diese sogenannte 3+2-Regelung ist eigentlich sehr zu begrüßen. Denn nicht nur junge Geflüchtete profitieren. Auch den Betrieben im Land Brandenburg, die unabhängig von Landkreis und kreisfreier Stadt sowie Branche auf Fachkräfte angewiesen sind, erhalten damit Perspektiven zur Gewinnung motivierter Beschäftigter.

Leider hat die Bundesregierung den Ländern aber erhebliche Interpretationsspielräume bei der Auslegung der 3+2-Regelung gelassen. Im Land Brandenburg wird der Interpretationsspielraum noch einmal auf 18 kommunale Ausländerbehörden erweitert. Sie entscheiden darüber, ob ein junger Mensch mit Fluchthintergrund, wenn er einen gültigen Ausbildungsvertrag vorweisen kann und sich bemüht, seine Identität nachzuweisen, diese Ausbildung auch wirklich beginnen darf. Eine landesweit sehr uneinheitliche Auslegungspraxis haben die Vertreterinnen und Vertreter der Kammern und des Flüchtlingsrats in der Anhörung zu unserem Antrag bestätigt und stark kritisiert. In einigen Landkreisen oder kreisfreien Städten wird die Duldung unkompliziert und in einem transparenten Verfahren erteilt. In anderen hingegen fordern die kommunalen Ausländerbehörden die jungen Menschen im Zuge der Identitätsfeststellung zu Maßnahmen auf, die eine unverhältnismäßig hohe finanzielle oder persönliche Belastung der Betroffenen darstellen. So wurde beispielsweise ein junger Mann, der mit 14 Jahren sein Herkunftsland verlassen hatte und dementsprechend über keinen Pass verfügt, aufgefordert, in sein afrikanisches Herkunftsland zurückzureisen, um sich dort einen Pass zu beschaffen. Dann könne er ja versuchen, wieder nach Deutschland einzureisen und die Ausbildung beginnen. In dem Betrieb übrigens, in dem er bereits seit zwei Jahren als Praktikant tätig ist und der ihm bereits zwei Verträge angeboten hatte.

Wir finden, und das hatte übrigens auch der Bundesgesetzgeber beabsichtigt, dass Probleme der Passbeschaffung, deren Ursache in logistischen und demokratischen Defiziten der Herkunftsländer liegen, nicht zu Ungunsten der betroffenen Duldungsinhabenden sowie der Betriebe ausgelegt werden dürfen. Für eine Ausbildungsduldung nach der 3+2-Regelung reicht der Nachweis, sich um die Erlangung von Identitätspapieren bemüht zu haben. Oberstes Handlungsziel unseres Antrags war daher, die kommunalen Ausländerbehörden landesseitig dementsprechend anzuweisen und so im gesamten Land Brandenburg Planungssicherheit sowohl für die potenziellen Auszubildenden als auch für die Betriebe zu erreichen.

Wir sind erfreut über den guten Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen. Er bildet die Intention unseres Antrags ab und greift aktuelle bundesrechtliche Entwicklungen auf. Ähnlich wie der vor zwei Wochen gefasste wohlwollende Beschluss des Sozialausschusses. Warum der Innenausschuss dessen Empfehlungen ignorierte und unseren Antrag vergangene Woche ablehnte, ist schwer nachvollziehbar. Auf dem Weg zu den wichtigen gesellschaftlichen Zielen, junge Menschen mit Fluchthintergrund über Arbeit zu integrieren und Planungssicherheit für brandenburgische Betriebe zu schaffen, kommen die Koalitionsfraktionen mit dem vorliegenden Entschließungsantrag nun aber zum Glück wieder in die Spur.