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Ursula Nonnemacher spricht zum Gesetzentwurf zur EU-Richtlinie 2016/680 für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Polizei sowie den Justiz- und Maßregelvollzug des Landes Brandenburg und zur Änderung weiterer Gesetze

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

War man vor einer Woche im Innenausschuss zugegen, so hätte man meinen können, dass Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in den Augen der Landesregierung ein nettes Gimmick seien, nice to have, doch mit Vorsicht zu dosieren. Zwei wesentliche Aspekte werden dabei völlig vergessen:

Erstens: Wir sprechen bei der informationellen Selbstbestimmung von einem in der Verfassung verankerten Grundrecht. Dieses steht nicht zur Disposition, auch nicht, wenn es einem gerade ungelegen kommt. Zweitens: Selten war es so wichtig wie heute, unsere Daten zu schützen! Wir alle sind Bürgerinnen und Bürger des digitalen Zeitalters und müssen für uns als Gesellschaft grundsätzlich entscheiden, wo wir Speicherung und Verarbeitung persönlicher Daten für akzeptabel und sinnvoll halten und wo nicht. Es gibt politische Ordnungen, beispielsweise in China, in denen nicht nur Namen, Geburtsdaten und Schulzensuren, sondern nach einem Punktesystem auch sämtliches Sozialverhalten gespeichert und bewertet wird. In solch einer Gesellschaft möchte ich nicht leben!

Der vorliegende Gesetzentwurf hätte nun die Chance für ein eindeutiges Grundsatzbekenntnis zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geboten. Stattdessen

sind wir Zeugen eines weiteren Paradebeispiels für einen in letzter Minute durchgepeitschten Gesetzentwurf zu einer hochkomplexen Materie. Der Entwurf wird dadurch der Zielrichtung der mit dem Gesetz umzusetzenden Richtlinie nur unzureichend gerecht und der Gesetzgebungsprozess war bezeichnend für eine Regierung, die viel zu vieles auf die lange Bank geschoben hat und am Ende der Legislaturperiode unter immensen Druck gerät.

Zunächst verzögerte sich die Umsetzung der sogenannten JI-Richtlinie durch die Loslösung vom Polizeigesetz beträchtlich. Dann geriet der Gesetzentwurf im federführenden AIK zeitlich in einen Anhörungsmarathon mit sämtlichen weiteren noch aus den Schubladen auferstandenen Gesetzentwürfen der Regierung, so dass man der Landesbeauftragten für Datenschutz statt einer mündlichen nur noch eine schriftliche Anhörung zubilligte. Deren reichlich vorhandene inhaltliche Bedenken wurden bis zuletzt großzügig ignoriert, genauso wie die Empfehlung der Landesbeauftragten für Datenschutz, den Gesetzentwurf nicht zwingend noch vor den Wahlen zu verabschieden, sondern in der kommenden Legislatur in besonnener Weise erneut zur Hand zu nehmen.

Vergessen wurde zunächst auch die Überweisung an den mitberatenden Fachausschuss, nachgeholt ein Plenum später. Immerhin führte der fachlich für den Maßregelvollzug zuständige Sozial- und Gesundheitsausschuss (AASGFF), ebenfalls in einer Sondersitzung eine sehr instruktive Anhörung zu der hochkomplexen Materie durch. Es musste neben den datenschutzrechtlichen Regelungen der EU-Richtlinie auch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Fixierung im Maßregelvollzug untergebrachter Menschen landesrechtlich umgesetzt werden. Gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen konnten wir hier einen Teil unserer Änderungswünsche durchsetzen. Leider nicht durchsetzen konnten wir uns mit unserer Forderung nach einer grundsätzlichen richterlichen Überprüfung angeordneter Maßnahmen. Der derzeitige Entwurf räumt unserer Ansicht nach die verfassungsrechtlichen Bedenken des Deutschen Richterbundes Brandenburg und aus der Ärzteschaft selbst nicht aus, der in den sehr weit gefassten Befugnissen der unabhängigen Prüfstelle einen Widerspruch zu den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts sieht. Erforderlich wäre hier ein echter Richtervorbehalt!

Inhaltlich bleiben die Regelungen zum Maßregelvollzug dennoch der einzig akzeptable Teil des Gesamtentwurfes. Betrachtet man den Bereicht der Justiz, so finden sich reichlich datenschutzrechtliche Vorbehalte, die die EU-Richtlinie so nicht fordert. Der Entwurf lässt weiterhin klare Durchgriffsrechte für die Landesbeauftragte für Datenschutz vermissen, eine langjährige Forderung unserer Fraktion. Besonders kritikwürdig finde ich, dass die Landesbeauftragte für Datenschutz in Bezug auf Personen, denen Vertraulichkeit zugesichert worden ist, entgegen der Intention der Richtlinie und entgegen der Regelung im Bund keine Kontrollkompetenzen erhält. Da bleibt Brandenburg bei seiner Wagenburgmentalität und lässt sich bei V-Leuten durch niemanden in die Karten gucken.

Dieser Gesetzentwurf hätte dringend einer sorgfältigen Überarbeitung bedurft. In der vorliegenden Form ist er für uns nicht zustimmungsfähig.