Zum Inhalt springen

Michael Jungclaus zu unserer Großen Anfrage 34 „Flächenverbrauch und -nutzung in Brandenburg“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, liebe Gäste,

als wir im Dezember letzten Jahres unsere Anfrage an die Landesregierung zum Thema Flächenverbrauch stellten, konnten wir noch nicht absehen, dass jetzt - fünf Monate später ein UN-Report erscheint, der vor einer unmittelbar bevorstehenden extremen Beschleunigung des weltweiten Artensterbens warnt.

Die unmissverständliche Aussage des Berichts vom Weltbiodiversitätsrats IPBES: Wenn die Menschheit nicht schnellstmöglich ihre Wirtschafts- und Lebensweise umstellt, wird sie zum Totengräber der Artenvielfalt und zerstört damit ihre eigene Existenz.

Als Ursache steht neben dem Klimawandel dabei ganz oben die veränderte Nutzung von Land und Ozeanen.

60 Prozent der Landoberfläche sind heute durch menschlichen Einfluss beeinträchtigt. Die von Städten bedeckten Gebiete haben sich seit dem Jahr 1992 verdoppelt!

Jetzt könnten wir natürlich sagen, Brandenburg betrifft das eigentlich überhaupt nicht. Aber trotz einer nicht oder gering wachsenden Bevölkerung schreitet selbst hier die Flächeninanspruchnahme ständig voran.

„Wir wissen mehr über die Bewegung der Himmelskörper als über den Boden unter unseren Füßen“, schrieb Leonardo da Vinci schon vor über 500 Jahren. Das System unter unseren Füßen ist weiterhin wenig erforscht und vielleicht auch deshalb ein politisch vernachlässigtes Thema. Wenn man sich aber näher mit dem Boden befasst, ist es eigentlich unfassbar, was da vor sich geht. Milliarden Überlebenskünstler, vom Regenwurm bis zu Pilzen und Bakterien, verwandlen Totes in Lebendiges.

Wie der IPBES-Bericht zur Artenvielfalt ist auch die Antwort der Landesregierung auf unserer große Anfrage zum Flächenverbrauch in Brandenburg ein radikales Dokument. Leider, das eines des radikalen Nichttuns.

Ja, die Zunahme des Flächenverbrauchs ist nicht mehr so drastisch wie sie einmal war – aber über einen Zeitraum von fünf Jahren betrachtet (2012-2016) verbrauchen wir immer noch knapp 4 Hektar – und zwar täglich.

Wobei mit Flächenverbrauch die tägliche Neuinanspruchnahme von Freifläche durch Siedlungs-und Verkehrsfläche gemeint ist. Flächenverbrauch ist allerdings nicht gleich Versiegelung, in der Summe wird etwa die Hälfte der „verbrauchten“ Fläche tatsächlich versiegelt.

Nun hat die Bundesregierung das Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2030 nur noch maximal 30 Hektar Siedlungs- und Verkehrsflächen am Tag zu verbrauchen.

Das Umweltbundesamt hat dies für Brandenburg auf täglich maximal 1,3 Hektar heruntergebrochen:

Die erste Forderung unseres Antrags ist deshalb die Begrenzung auf diese Zahl. Die 1,3 Hektar müssen zeitnah gesetzlich verankert werden.

Wir schlagen hierfür das Brandenburger Landesplanungsgesetz vor. In Schleswig-Holstein steht das 1,3-Hektar-Ziel beispielsweise im Landesentwicklungsplan.

Zur Erinnerung: Momentan sind wir bei dem dreifachen Wert.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen empfiehlt gar das Netto-Null-Ziel, was bedeuten würde, bei jeder Flächeninanspruchnahme eine Kompensation durch Entsiegelung an anderer Stelle. So gesehen, ist unsere Forderung also noch recht zurückhaltend.

Eine verbindliche quantifizierbare Vorgabe zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme wäre auch die Voraussetzung, um ein Handelssystem mit Flächenausweisungsrechten zu etablieren. Womit wir zu unserer zweiten Forderung kommen:

Analog zum Emissionshandel wollen wir prüfen, inwieweit wir mit einem System von Flächenzertifikaten das Ziel von 1,3 Hektar-Ziel erreichen können.

Dies geht auf einen Vorschlag der Kommission für Bodenschutz beim Umweltbundesamt zurück. Ein Forschungskonsortium hat hierzu bereits einen Modellversuch erarbeitet und entsprechende Inhalte, Zielsetzung sowie einen Arbeits- und Ablaufplan zum Handel mit Flächenzertifikaten beschrieben

Es sind aber nicht nur Siedlungs- und Verkehrsflächen, die Druck auf unsere Böden ausüben, Land wird auch für Rohstoffe aufgebrochen und schwere Landmaschinen verdichten die Böden. Dazu findet man inzwischen auf über 80 % der Flächen in Europa Pestizidrückstände.

Völlig entmutigend ist daher, dass die Landesregierung es bis dato nicht geschafft hat die Leitlinien der guten fachlichen Bodennutzung zu überarbeiten. Dem expliziten Arbeitsauftrag des Landtags und aller Notwendigkeit zum Trotz. Die schnellstmögliche Umsetzung dieses Landtagsbeschlusses ist daher eine weitere Forderung unseres Antrags.

Hinzu kommt die Einführung eines wirksamen Flächenmanagements was natürlich zunächst eine ordentliche Datenerhebung voraussetzt.

Und bei der Versiegelung? Hierzu gibt es noch nicht einmal Zahlen in der Antwort der Landesregierung. Das ist zwar deutschlandweit so.

Aber wir hatten beispielsweise auch konkret danach gefragt, wieviel Fläche für den Aus- und Neubau von Bundes- und Landesstraßen versiegelt wurde und wenn man sich nur ein wenig Mühe macht, kann man durchaus auf diese Zahlen kommen. So wurden seit 2008 an Bundes- und Landesstraßen rund 113 km realisiert. Und wenn man von einem durchschnittlichen Standard ausgeht, kommt man seit 2008 auf über 100 zusätzliche Hektar Bodenversiegelung Fläche für diese Straßenkategorien.

Die 92 Kilometer zusätzliche Autobahn-Fahrspuren seit 2008 ergeben auch nochmal über 30 Hektar, allein die A14 auf Brandenburger Gebiet entspricht 83 Hektar versiegelte Fläche – und so weiter und so fort.

Und weil wir vorhin schon über das Thema gesprochen haben, möchte ich auch noch einmal noch kurz auf den Wohnungsbau eingehen:

Kritiker des Flächenschutzes verweisen ja auf die Wohnungsnot in den wachsenden Städten und Gemeinden und auf die Notwendigkeit, schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Da müssen wir uns als Gesellschaft aber auch die Frage nach den Ursachen stellen. In den neuen Bundesländern ist der durchschnittliche Wohnraum pro Kopf seit 1990 um sage und schreibe über 60% auf inzwischen 43 qm gestiegen.

Hier gilt ähnliches wie beim Konsum: Muss es tatsächlich immer mehr sein?

Und während die Baufertigstellungen von Wohneinheiten im platzsparenden Geschosswohnungsbau nur geringfügig anwachsen, sind die Fertigstellungen bei Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften rasant angestiegen.

Ich finde es daher großartig, dass die Landesregierung im eben beschlossenen Wohnraumförderungsgesetz auch mehr auf gemeinschaftliches Wohnen setzt.

Was die Landesregierung zum Zwecke des Flächenschutzes fabriziert, finde ich leider wenig großartig. Das alles ist fahrlässig. Brandenburg, ohnehin schon oft eine Wüste, wird immer trockener. Einige Arten – der Ameisenlöwe zum Beispiel – sind perfekt an diese sandigen Bedingungen angepasst. Die meisten Arten, inklusive des Menschen, sind es – nicht. Sie sollten also schon aus eigenem Interesse unserem Antrag zustimmen.

Ich freue mich auf die Debatte.

Vielen Dank!