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Heide Schinowsky spricht zum Bericht der Landesregierung "Strukturentwicklung in der Lausitz - Bericht des Lausitz-Beauftragten"

- Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Ergebnis der Kohlekommission ist ein Minimalkompromiss. Mit Blick auf die Klimakrise und unsere Verantwortung gegenüber unseren Kindern und Enkeln ist er zutiefst unbefriedigend. Deutschlands Klimaziel für 2020 wird damit aufgegeben; ob das Ziel für 2030 erreicht werden kann, ist auch wegen der Blockade-Haltung unserer Landesregierung noch völlig unklar. Planungssicherheit gibt es auf dieser Grundlage weder für die direkt und indirekt Beschäftigten in der Lausitzer Braunkohle, noch für die Einwohnerinnen und Einwohner der immer noch von Abbaggerung bedrohten Dörfer wie Proschim. Das ist bitter!

Zugleich wird damit aber auch endlich ein Rahmen gesetzt, wie der Kohleausstieg in Deutschland angegangen werden soll. Das ist bei aller Enttäuschung ein Wert an sich. Und wir Bündnisgrüne werden uns weiter mit voller Kraft für das Gelingen des Strukturwandels in der Lausitz sowie wirksamen Klimaschutz einsetzen!

Und auch wenn Sie das immer wieder schlechtreden: Der Klimaschutz ist eine Chance für die Lausitz! Eine Chance dafür, die Abhängigkeit von der Braunkohle zu überwinden und die Wirtschaft zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Und eins ist auch ganz klar: Nicht der Kohleausstieg treibt die Wählerinnen und Wähler zu den Kollegen hier ganz rechts im Landtag. Sondern ihre Angstmacherei davor! Wir müssen stattdessen den Menschen erklären, worin realistische Chancen bestehen und wie das Ganze gelingen kann.

Und während NRW einen wichtigen Beitrag zur Befriedung des gesellschaftlichen Konflikts um die Kohle beigetragen hat – nämlich mit der Abschaltung großer Kraftwerkskapazitäten bis 2022 und insbesondere dem Verzicht auf die Rodung des Hambacher Waldes – fehlt ein solches Signal für Brandenburg.

Stattdessen wird mit Hinweis auf eine großtechnisch bisher nicht erprobte CO2-Spar-Technologie – ich erinnere an heute vormittag – der Eindruck erweckt, als könnten wir in der Lausitzer Braunkohle einfach so weitermachen wie bisher. Das ist paradox: Es wird regelmäßig und zu Recht auf viele noch offene Fragen bei der technischen Umsetzung der Energiewende hingewiesen. Aber in diesem Fall wollen Sie mal eben 10 Mio Tonnen CO2 mit einer großtechnisch unerprobten Technologie einsparen – von der bisher noch nicht einmal die beim Kraftwerk Jänschwalde ansässigen Firmen etwas gehört haben. Das ist unseriös und weckt völlig falsche Erwartungen. Was heißt das denn konkret für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kraftwerk Jänschwalde? Wenn die Technologie nicht funktioniert, ist ganz schnell Schluss mit der Arbeit – Planungssicherheit ist anders!

Was bedeutet das nun alles für den Strukturwandel in der Lausitz?

Richtig ist, dass inzwischen einiges auf den Weg gebracht wurde – doch viel zu spät! So hat die Landesregierung erst nachdem sie die Kohlekommission in die Verlängerung gezwungen hatte, Ihr Sofortprogramm vorgelegt, über das wir heute reden. Davor sah Ihr Input für die Lausitz leider recht dünn aus. Und das ist das Problem, mit dem wir jetzt in der Lausitz am meisten zu kämpfen haben!

Ich will das mal an einem konkret Beispiel beschreiben: Obwohl die Bundesregierung schon seit mehreren Jahren zugesagt hat, dass sie den kohleausstiegsbedingten Strukturwandel finanziell massiv unterstützen will, sind bis heute die Leitlinien für die Verwendung dieser Gelder, die Entscheidungsprozesse und Strukturen in Brandenburg unklar.

Vor kurzem habe ich mich mit der Cottbuser Handwerkskammer getroffen: Es gibt bis heute keine Vereinbarungen dazu, wie die Kammer in diesen Prozess eingebunden wird. Dabei wissen wir alle, dass der Kohleausstieg insbesondere für die vielen kleinen Handwerks-Unternehmen in der Braunkohlewirtschaft riesige Unsicherheiten bedeutet. Hier muss dringend Klarheit geschaffen werden!

Wir haben schon vor langer Zeit die Einrichtung eines Lausitzfonds und eines Steuerungskreises unter Beteiligung von Bund, Land und regionalen Akteuren gefordert, um die systematische Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu ermöglichen – das haben Sie alles abgelehnt: Brauchen wir nicht. Dass das inzwischen anders gesehen wird, hilft da nur wenig.

Aber es gibt auch positive Entwicklungen: Was vielen Strategien der Landesregierung fehlt – nämlich eine Definition der Ziele - gibt es im Bericht zur Perspektive Lausitz 2050. Den Zielen werden Handlungsschwerpunkte zugeordnet und diese mit Maßnahmen untersetzt. Am Ende steht ein umfangreiches und teilweise auch in Einzelheiten ausgearbeitetes Maßnahmenprogramm. Das Sofortprogramm hat einen Umfang von etwa 122 Mio. Euro, also durchaus darstellbar im Landeshaushalt. Das ist eine wichtige Grundlage.

Bis zum 30. April dieses Jahres will die Bundesregierung Eckpunkte für ihr Strukturwandelmaßnahmengesetz erarbeitet haben: Ich erwarte und fordere von der Landesregierung einen substanziellen Vorschlag, wie hierin die Lausitzer und Lausitzerinnen einbezogen werden. Wenn der Strukturwandel ein Erfolgsmodell werden soll, müssen die Bürgerinnen und Bürger mitgestalten können.

Und nicht zuletzt brauchen wir Klarheit bzw. Planungssicherheit zum Kohlekurs bei uns in Brandenburg. Nach Willen der Kommission soll der Kohleausstieg 2035 oder 2038 kommen. Glauben Sie denn wirklich, dass die tschechische EPH noch im Jahr 2033 einen neuen Tagebau aufmachen wird? Und können sie sich vorstellen, was das für unser Land bedeuten würde? Statt die Befriedung eines gesellschaftlichen Großkonfliktes anzustreben, setzen sie auf ein Weiter so. Das ist übrigens auch eine Blanko-Einladung für die Klimaschützer von Ende Gelände und die weltweit aktiven Kohleproteste, nach Brandenburg zu kommen.

Deshalb unser Appell: Schaffen Sie endlich Planungsicherheit. Es darf keinen neuen Tagebau mehr geben und und Proschim muss erhalten bleiben!

Gemeinsam müssen wir uns für eine lebenswerte Zukunft in der Lausitz einsetzen.

Vielen Dank.