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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag „Brandenburgisches Polizeigesetz jetzt reformieren“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Brandenburgs Kriminalstatistik 2017 weist einen Straftaten-Rückgang und die höchste Aufklärungsquote seit zehn Jahren auf. Bundesweit sieht es ähnlich aus, wie die Tageszeitung „Die Welt“ am Wochenende berichtete. Die Schlagzeile lautete: „Kriminalität geht in Deutschland so stark zurück wie seit 1993 nicht“.

In dieser Situation überrascht die CDU mit einem Versuch, unsere Polizei in eine militärische Geheimpolizei zu verwandeln. Aber nicht einmal mit der Strafverfolgung als Hauptziel, sondern „insbesondere“ zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“. Und zwar schon bezüglich „Straftaten von erheblicher Bedeutung“, die im Straftaten-Ranking unterhalb von „schweren Straftaten“ und „besonders schweren Straftaten“ rangieren. Die mittlerweile bundesweit zu beobachtende besorgniserregende Tendenz, immer weiter im Vorfeld zu agieren, hat auch die CDU-Fraktion erfasst.

Zu diesem Zweck soll die Polizei Bodycams in Wohnungen einsetzen, elektronische Fußfesseln anlegen, genetische Daten erheben, Pfänden, Post sicherstellen und Personen bis zu einem Monat lang in Gewahrsam nehmen können. Und das nur auf der wackeligen Basis von Vermutungen, es könnte jemand zum Straftäter werden. Für Willkür und Schikane wären Tür und Tor geöffnet. Mir scheint, die Brandenburger CDU Fraktion hat überreichlich von ihren sächsischen Parteifreunden und der Schwesterpartei in Bayern abgeschrieben.

Ich bin es ja durchaus gewohnt, mich mit der CDU um die Abwägung zwischen „weniger Freiheit“ auf der einen und „mehr Sicherheit“ auf der anderen Seite zu streiten. Was mich dieses Mal irritiert: Dass etliche CDU-Vorschläge nicht nur zu weniger Freiheit, sondern auch zu weniger Sicherheit führen würden.

So würden unvorstellbare Datenmengen zusätzlich erhoben, wenn schon zur „Gefahrenvorsorge“ mit Staatstrojanern Computerfestplatten durchsucht und verschlüsselte Telekommunikation-Verbindungen überwacht werden dürften. Welche Polizistinnen und Polizisten sollen das alles auswerten und bewerten?

Arbeitsmarktbedingt können schon heute nicht alle Stellen besetzt werden.

Wo sollen da bitte die Schleierfahnder herkommen, die nach den Vorstellungen der CDU einfach mal auf gut Glück durch die Gegend kontrollieren sollen?

Eine ganz besondere Arbeitskraftverschwendung würde aber aus der irreführend als „intelligent“ bezeichneten Videoüberwachung resultieren. Denn beim diesbezüglichen Modellversuch am Berliner Bahnhof „Südkreuz“ liegt die Fehlerquote bei „durchschnittlich weniger als ein Prozent“. Das klingt wenig, kann aber ganz schön viel sein: Wenn an einem Bahnhof mehrere Kameras aufgehängt sind, deren Bilder mit einem Gesichtserkennungsprogramm ausgewertet werden, und beispielsweise 100.000 Reisende pro Tag nur an zwei Kameras vorbeilaufen, dann gibt es täglich bis zu 2000 Fehltreffer. Und damit bis zu 2000 unbescholtene Bürgerinnen und Bürger, die falsch verdächtigt und sinnfrei von jeweils zwei oder mehr Sicherheitskräften kontrolliert werden müssten.

Das ist doch Wahnsinn! Wer – wie es die CDU will – die Polizei mit Massen unbrauchbarer Daten überschwemmt, der legt den Sicherheitsapparat lahm.

Bei den größten Terrorismus-Fällen der jüngeren Geschichte – den NSU-Morden und dem Weihnachtsmarktattentäter Anis Amri - hatten die Sicherheitsbehörden wohlgemerkt genügend Informationen, um deren Anschläge zu verhindern. Gescheitert ist das in beiden Fällen, weil vorliegende Informationen unzureichend oder gar nicht ausgewertet worden sind – und ausgewertete Informationen nur unzureichend oder nicht zwischen Sicherheitsbehörden ausgetauscht worden sind.

Der wirkungsvollste Hebel, um für mehr Sicherheit zu sorgen, ist daher aktuell die Auswertung – was Personalstärke und Personalkompetenz betrifft.

Davon lese ich im CDU-Antrag jedoch nichts. Die CDU hält es für wichtiger, die Polizei mit Maschinengewehren auszustatten. Ich betone: Nicht mit Sturmgewehren, sondern mit Maschinengewehren!

Zudem fordert die CDU „Sprengmittel“ für die Polizei, mit denen zielgerichtet auf Straftäter „eingewirkt“ werden soll. Für uns Bündnisgrüne ist dieser Antrag ein zielgerichteter Anschlag auf unseren demokratischen Rechtsstaat, den wir entschieden zurückweisen.