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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der CDU–Fraktion „Opfer vor Mehrfachstraftätern mit einer psychischen Krankheit schützen“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Jeder Mensch hat ein Recht auf Schutz vor Gewalt. Das ist nicht verhandelbar und damit meine ich wirklich jeden Menschen, ob mit oder ohne psychiatrische Diagnose. Ihre Schutzrechte müssen mit allergrößtem Bedacht gegeneinander abgewogen werden. Angesichts der Prävalenzzahlen für psychische Erkrankungen, die zeigen, dass jeder dritte Mensch im Laufe eines Jahres an einer solchen erkrankt, kann es uns nicht daran gelegen sein, aufgrund vereinzelter, wenn auch sehr betroffen machender Straftaten Gesetze zu verschärfen. Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen zu erleichtern, so wie es der Antrag erreichen will, stellt einen schweren Eingriff in die Grundrechte von Menschen dar!

Dabei ist es ein gesellschaftlicher Fortschritt, dass wir in Deutschland in den 1970er Jahren begonnen haben, die psychiatrische Versorgung humaner zu gestalten. Diesen Weg sollten wir konsequent weitergehen, auch wenn er manchmal unbequem ist. Die Prävalenzzahlen, und die Erinnerungen an den klinischen Umgang mit psychisch Erkrankten in früheren Zeiten, sollten uns eigentlich Ansporn sein, noch mehr Anstrengungen für eine gute psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung zu unternehmen.

Natürlich kann es uns nicht kalt lassen, wenn Menschen durch psychisch Kranke zu Schaden kommen, ja auf grausame Art getötet werden wie in dem schrecklichen Fall von Müllrose. Und selbstverständlich müssen wir bei einer Häufung bestimmter Straftaten überlegen, wie diese abgewendet werden können. Prognosegutachten können aber irren und auch Gerichtsentscheidungen können problematisch sein. Der schwierige Spagat, Menschen nicht zu leichtfertig wegzusperren und andererseits die Gesellschaft zu schützen, wird uns erhalten bleiben. Unsere Antwort generell lautet jedoch nicht, einfach mehr Menschen gegen ihren Willen psychiatrisch zu behandeln oder wegzusperren, sondern die Hilfsangebote weiter auszubauen. Wir fordern einen Ausbau der akuten Krisenhilfe, mehr integrierte Versorgungsangebote und genügend psychotherapeutische Plätze ohne lange Wartezeiten. Dass es genau daran zumindest in vielen Teilen des Landes hapert, haben wir in unserem Fachgespräch vor kurzem erfahren. Wir haben auch erfahren, dass Nachsorgeangebote fehlen. Die brauchen wir, und die müssen so ausgestaltet werden, dass das Auftreten einer psychiatrischen Krise frühzeitig erkannt werden kann. Bereits länger ist bekannt, dass einige Landkreise übermäßigen Belastungen durch Crystal Meth KonsumentInnen ausgesetzt sind. Auch hier braucht es sehr gute Konzepte und wirksame Hilfsangebote.

Die Leitlinien, die das brandenburgisch Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF) in der Vorbereitung auf die ohnehin anstehende Novellierung des brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetz formuliert, gehen in die richtige Richtung. Dazu gehören insbesondere die Punkte, das Selbstbestimmungsrecht und die Persönlichkeitsrechte psychisch kranker Menschen zu beachten und die Anwendung von Zwangsmaßnahmen zu verringern. Wir wünschen uns zudem, dass das MASGF seine Absicht, die gemeindepsychiatrischen Versorgungsstrukturen zu sichern umdefiniert. Wir fordern, auch als Fazit unseres Fachgesprächs, gemeindepsychiatrische Versorgungsstrukturen deutlich auszubauen. Den Status Quo zu sichern reicht ja eben nicht aus.

Die Landesregierung hat aufgrund der Verpflichtung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und in Erwartung neuer Regelungen zur Umsetzung von Zwangsmaßnahmen durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen klaren Auftrag. Wir sehen am hochkarätig besetzten Dialogforum zu Veränderungsbedarfen des Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKG), dass sie diesen ernst nimmt. Sicher wird auch die Position der Landkreise und kreisfreien Städte angemessen Berücksichtigung finden. Der Schutz vor Gewalt muss Vorrang haben. Aber das gilt auch für psychisch Kranke.