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Marie Luise von Halem spricht zur Großen Anfrage 26 der CDU-Fraktion „Heimat- und Brauchtumspflege in Brandenburg“

- Es gilt das gesprochene Wort!

[Anrede]

Natürlich ist es für alle Menschen gut, die in Brandenburg schon länger leben oder nach Brandenburg kommen, ob als Touristen, Geflüchtete, Studierende oder dauerhaft Zugezogene, wenn es vor Ort Menschen gibt, die sich für Gemeinwohl und Zusammenhalt engagieren, sich kulturell betätigen und sich um Brauchtum und Traditionen bemühen. All diesen Menschen, die sich ja meist ehrenamtlich engagieren, gebührt unser Dank und unser Respekt!

Und wir haben viel zu bieten, als junges Bundesland mit einer wechselvollen Geschichte, Jahrhunderten von Wanderungsbewegungen, mit einer nationalen Minderheit mit eigener Sprache und Bräuchen. Es ist das Verdienst der Landesregierung, diese Vielfalt in der Beantwortung der Großen Anfrage skizziert zu haben. Wenn dabei auch schmerzhaft bewusst wird, dass die Fragestellenden leider versäumt haben, ihre Sicht auf die Begriffe „Heimat“ und „Brauchtum“ auch nur annähernd zu klären.

Wer auf Spurensuche in die Vergangenheit geht, trifft nicht nur auf schöne Bräuche und Traditionen, sondern auch auf die Spuren zweier Diktaturen und auf eine wechselvolle, oft kriegerische preußische Geschichte. Diese als Teil der heimatlichen Vergangenheit anzunehmen, gehört auch zur Identifikation dazu, wenn sie auch in der Anfrage nicht erwähnt werden.

Trotzdem: Ich kann mit dieser Großen Anfrage wenig anfangen. Sicher ist es verdienstvoll, jetzt mal eine minutiöse Auflistung der vielen Heimat- und kommunalen Museen und all der Vereine und Stiftungen zu haben, die sich in irgendeiner Form um Heimat- und Brauchtum in Brandenburg kümmern. Aber wozu brauchen wir das? Viele Fragen waren auch überflüssig: Wie soll die Landesregierung z. B. die Entwicklung der Brauchtumspflege in anderen Bundesländern seit 2010 beurteilen? Und vor allem: Mit welchem Ziel?

Wenn die Antwort Ihr Entschließungsantrag sein soll, dann hilft mir das auch nicht viel weiter. Sie fordern jetzt vermehrt Anstrengungen für Heimat und Kultur, sogar einen eigenen Haushalt dazu. Aber wie stellen Sie sich das vor? Sollen wir jetzt alle Ausgaben, die diesem Titel zuzurechnen wären – wie etwa Denkmalpflege, kulturelle Bildung und Kulturförderung – neu in einen eigenen Haushalt verpacken? Und dann, dem Verständnis des Bayrischen Heimatministeriums folgend, Landesentwicklung und Breitbandausbau auch noch dazu nehmen? Wozu? Und vermehrt heimatbezogene und kulturelle Projekte fördern? So wie das Fontane- und das Reformationsjubiläumsjahr? Vermehrt? Was bedeutet das?

Grundsätzlich könnten wir uns wohl in der Stoßrichtung einigen, aber es irritiert mich, dass in der Großen Anfrage und auch in Ihrem Entschließungsantrag die Begriffe so unklar sind. Was ist eigentlich Heimat- und Brauchtumspflege? Wenn der Blasmusikverband amerikanische Gospelsongs spielt, ist das dann Brauchtumspflege? Und Fußball, ist das „Brauchtum“? Und brauchen wir die Feuerwehr zur Heimatpflege (mal abgesehen davon, dass Heimat vernichtet wird, wenn Häuser abbrennen)?

Wir müssten genauer klären, wo wir das Land tatsächlich in der Pflicht zum Erhalt von Gebräuchen und Kulturgütern sehen. Aber leider liefern Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, darauf keine Antwort.

Was Sie außerdem in ihrer Sorge um die Heimat völlig ausblenden, ist die Zerstörung von ganzen Landstrichen und über 130 Ortschaften und Ortsteilen durch den großflächigen Braunkohleabbau in der Lausitz. Die Folgen für die Menschen, die dort unwiederbringlich ihrer Heimat beraubt wurden und werden, aber auch für uns alle, die wir die Umwelt- und Klimaschäden tragen müssen, sind der CDU offensichtlich keine Zeile in ihrer Anfrage wert. - Und auch wenn die Spree verockert, die Bienen sterben und der Nitratgehalt im Grundwasser bedrohlich steigt, ist das für uns das Gegenteil von Heimatpflege!

Was wirklich Ihr Ziel ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, bleibt für uns im Dunkeln. Wenn Sie ernsthaft vertreten, dass das Land im großen Stil in die Förderung von Schützenfesten und Traditionsumzügen einsteigen soll, haben Sie uns nicht an Ihrer Seite.
Wenn es aber um eine lebendige Auseinandersetzung mit Brauchtum und Traditionen geht, um das Zusammenbringen von Menschen welcher Herkunft auch immer, mit dem Ziel, das geschichtliche Bewusstsein sowie den kommunalen und sozialen Zusammenhalt zu stärken und gleichzeitig die Heimat vor der Umweltzerstörung zu bewahren, dann dagegen schon.