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Michael Jungclaus spricht zu unserem Antrag "Zeit, dass sich was dreht - Zehn Maßnahmen für die Radverkehrswende in Brandenburg"

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste,

wie Sie sich sicherlich vorstellen können, besteht für einen Grünen beim Thema Fahrradfahren immer die Gefahr, dass man bei der Anzahl von Forderungen deutlich in den zweistelligen Bereich gerät.

Hier ein paar zusätzliche Fahrradständer, dort ein paar Kilometer Radwege.

Uns geht es bei diesem Antrag aber nicht um etwas Finetuning in dem einen oder anderen Bereich. Es geht uns um einen grundsätzlichen Richtungswechsel beim Radverkehr. Denn der ist definitiv nötig. Und zwar aus diversen Gründen:

Stichwort Gesundheit: Laut einer finnischen Studie spart das dortige Gesundheitssystem pro aktivem Radfahrer jährlich 1.200 Euro

Stichwort Wirtschaft: 2015 lag der Gesamtumsatz der deutschen Fahrradbranche bei 16 Mrd. Euro. Hinzu kommen die Umsätze aus dem Radtourismus - gerade in Brandenburg immens wichtig.

Und laut einer Berechnung des Umweltbundesamtes spart jeder Berufspendler, der per Rad statt Auto täglich fünf Kilometer zur Arbeit hin und zurück fährt, pro Jahr 350 Kilogramm CO₂-Emissionen ein. In Deutschland könnte eine Stärkung des Radverkehrs so bis zu acht Prozent CO₂-Ausstoß einsparen.

Auch beim Thema Flächenverbrauch ergibt sich ein eindeutiges Bild: Fahrräder beanspruchen bei 30 km/h im Vergleich zu Autos bei 50 km/h nur ca. 30 % der Fläche. Im ruhenden Verkehr ist dies sogar nur ein Zehntel. Vor dem Hintergrund eines permanenten Zuwachs von Siedlungs- und Verkehrsflächen in Brandenburg in Höhe von sage und schreibe 7,5 Hektar täglich, sollten wir auch deshalb zukünftig viel stärker aufs Fahrrad setzen.

Neben diesen nüchternen Zahlen spricht aber vor allem die generelle Verbesserung der Lebensqualität für den Radverkehr. Trotz all dieser Argumente sind Radler aber noch immer nicht ausreichend im Fokus der Verkehrspolitik und -planung.

Das wollen wir mit unserem Antrag ändern!

Das Rad muss nicht neu erfunden, aber es könnte mehr genutzt werden.

Dass der Radverkehrsanteil aktuell bei lediglich 11 Prozent liegt, kann hier niemanden zufrieden stellen. Dass es keine ambitionierten Ziele vonseiten der Landesregierung gibt, erst recht nicht. Denn nur mit langfristigen, politischen Zielsetzungen können grundlegende Veränderungen der Infrastruktur erreicht werden. Ohne Zielsetzung – keine Zielerreichung! Und damit auch kein Erfolgserlebnis.

Im Kern geht es uns also darum, der Landesregierung Erfolgserlebnisse verschaffen. Und das können Sie doch unmöglich ablehnen.

Auch was die Sicherheit der Radfahrenden angeht, ebenfalls eines unserer zentralen Anliegen, denn bislang wird erschreckend wenig dafür getan.

Im 1. Halbjahr 2018 gab es wieder einen deutlichen Anstieg der Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt waren. Von 1.632 im Vorjahreszeitraum um über 15% auf 1.879. Bei einem überproportionalen Anstieg der Unfälle mit Personenschaden und 22 mehr Schwerverletzte als im 1. Halbjahr 2017.

14 Radfahrer sind in den ersten 8 Monaten auf unseren Straßen bereits gestorben. 2017 waren es insgesamt 26.

Der ADFC benennt als eine Ursache die Abwesenheit bzw. den Zustand der Radwege: Viele Radwege in Brandenburg seien einfach zu gefährlich.

Besonders dramatisch: Am deutlichsten gestiegen sind die Unfälle an denen Kinder unter 14 Jahren als Radfahrer beteiligt sind.

In den Niederlanden heißt es: Wie gut oder schlecht eine Radverkehrsinfrastruktur ist, zeigt sich daran, ob sich Kinder und Ältere trauen, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Dazu bedarf es vor allem deutlich mehr Haushaltsmittel.

Es kann doch nicht sein, dass bei allen Vorteilen des Radverkehrs dafür nur 5 % der Straßenbaumittel aufgewendet werden.

Wir fordern für den Haushalt: Mindestens 15% der Straßenbaumittel müssen in den Radverkehr fließen.

Der Radverkehrsbeauftragte der Stadt Kopenhagen sagt: „Zerbrecht euch nicht den Kopf über Argumente, Philosophie, Lebensstilwandel. Die Erfolgsformel ist ganz einfach: Mehr Qualität des Angebots bringt mehr Radler, und mehr Radverbindungen bringen ebenfalls mehr Radler.“

Dies gilt besonders für die Unterstützung der Kommunen. Bei uns in Neuenhagen beziffert ein entsprechendes Gutachten das innerörtliche Verlagerungspotential von Auto- auf Radverkehr auf über 30%. Stellen Sie sich mal vor, was dies für die Lebensqualität in den Städten und Dörfern Brandenburgs bedeutet - wenn wir ein Drittel weniger Autoverkehr hinbekommen.

Dafür muss das Land aber deutlich aktiver werden, was die Förderung der Kommunen angeht.

Das betrifft natürlich genauso die Verbindungen zwischen größeren Orten.

15 Kilometer sind für viele eine zumutbare Distanz, wenn es eine entsprechende Infrastruktur gibt – erst recht seit dem Boom von Pedelecs und e-Bikes.

Im Speckgürtel würde so zwangsläufig ein Radwegegering um Berlin herum entstehen.

Unser Ziel ist, dass alle Orte in Brandenburg per ÖPNV oder Fahrrad beziehungsweise einer Kombination von beiden erreichbar sein sollten. Damit meine ich aber nicht nur bessere Mitnahmemöglichkeiten sondern auch mehr Leihradsysteme.

Es ist doch geradezu peinlich, dass Sie Zu ihrer Fahrradkonferenz in Eberswalde erst Dutzende Fahrräder aus Berlin ankarren mussten, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann auf Leihrädern zum Konferenzort fahren konnten.

Brandenburg – wozu einfach wenn‘s auch kompliziert geht.

Natürlich hat das alles auch etwas mit den entsprechenden Ressourcen und Kompetenzen im Ministerium zu tun:

Die Schaffung eines Radverkehrsbeauftragten hatten wir ausdrücklich begrüßt. Wenn es aber nun darauf hinausläuft, dass einfach eine Referentin 25% ihrer Arbeitszeit dem Radverkehr widmet, muss man sich fragen, wie ernst es Ihnen mit dem Thema wirklich ist.

Und dass keines der sechs Referate der Verkehrsabteilung des MIL primär zuständig ist für den Erhalt und Ausbau der Radwege, sagt auch einiges aus über den derzeitigen Stellenwert des Radverkehrs.

Vielleicht lohnt hier mal der Blick nach Baden-Württemberg.

Wir fordern eine eigene Stelle mit eigenem Budget und mittelfristig auch ein entsprechendes Referat.

Und natürlich sollte die Landesregierung auch eine Vorbildrolle einnehmen.

Zum Beispiel in dem sie bei allen Landesämtern und -ministerien Modelle für die Nutzung Dienstfahrräder und Ladestationen für e-Bikes anbietet.

Bislang hat sich die Landesregierung nicht gerade als Vorreiterin in Sachen Radverkehr einen Namen gemacht. Wir haben in dem vorliegenden Antrag viele Vorschläge wie man das ändern kann.

Wie diese konkret umzusetzen sind, können wir selbstverständlich gerne im Ausschuss diskutieren – ich bitte daher um Überweisung des Antrags. Alternativ dazu natürlich auch gerne die direkte Annahme.

Vielen Dank!

Unser Antrag als pdf-Datei.

Unser Antrag wurde abgelehnt.