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Michael Jungclaus spricht zum Antrag unserer Fraktion „Besserer ÖPNV in Brandenburg: Zweckbindung und Transparenz bei der Verwendung der Regionalisierungsmittel“

>> Unser Antrag als pdf-Datei

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, liebe Gäste,

in der Dezembersitzung hatte ich ja berichtet, dass ich es seit der Sommerpause nur ganze drei Tage ohne irgendeine Zugverspätung in den Landtag und zurück geschafft hatte. Obwohl seitdem knapp drei Monate ins Land gegangen sind, ist bei mir seitdem nur ein einziger Tag ohne irgendeine Zug, Schienen- oder Bertriebs-Störung dazu gekommen. Heute früh war es „eine kurzfristige Streckensperrung“

Was den Pendlerinnen und Pendlern in Brandenburg tagtäglich zugemutet wird, ist mehr und mehr ein Unding – vor allem weil es so absehbar war. Obwohl die bestellten Zug-km zwischen 2006 und 2016 deutlich reduziert wurden, nahm die Zahl der Fahrgäste im gleichen Zeitraum drastisch zu.

Ja, dass weniger Züge fuhren, war der Versuch der Landesregierung, ein Schrumpfen der Bevölkerung zu antizipieren. Spätestens seit Beginn der 2010er Jahre war aber absehbar, wie stark der Speckgürtel wachsen würde. Zu dem Zeitpunkt wäre es spätestens Aufgabe der Landesregierung gewesen, auf Bevölkerungs- und Fahrgastentwicklungen zu reagieren. Trotzdem hat sich die Landesregierung eher um den zehnspurigen Ausbau einer Autobahn, als um die Zweigleisigkeit von Bahnstrecken gekümmert.

Auch aktuell kann ich leider nur in Ansätzen erkennen, dass die Landesregierung geneigt ist, den Menschen zu helfen, die sich in vollen Zügen wie Ölsardinen quetschen.

Ja, es gibt das Projekt i2030 – das betrifft den langfristigen Ausbau der Infrastruktur – und einige Angebotsverbesserungen ab Dezember 2022. In der Laufzeit des aktuellen Landesnahverkehrsplans 2018 bis 2022 verbessert sich aber – nichts. Auch wenn Ministerin Schneider letzte Woche ankündigte, sie stünde hier kurz vor dem Abschluss von Vereinbarungen mit den Bahnunternehmen. Ich bin gespannt.

Fakt ist: Die Landesregierung entzieht dem Öffentlichen Personennahverkehr Jahr für Jahr Geld, vorgeblich um auf 2022 vorbereitet zu sein, wenn das Netz Elbe-Spree neu vergeben ist.

Das heißt für das Hier und Jetzt: Wir schieben jetzt eine Bugwelle an Regionalisierungsmitteln vor uns her, um ab Ende 2022 ein Netz zu finanzieren, das dann – wenn überhaupt! – den heutigen Erfordernissen im öffentlichen Verkehr gerecht wird. Dabei erwarten wir im Speckgürtel Zuwächse von 10, 15, 20 %! Die Lücke wandert also mit. Und das mit Ansage

Wir stellen diesen Antrag heute vor allem, weil wir wollen, dass die Mittel, die wir vom Bund für den ÖPNV – insbesondere den SPNV – bekommen, zweckgemäß eingesetzt werden sollen. Und damit die Landesregierung dem Parlament offenlegt, wie sie die angesparten Gelder verwenden wird.

Was heißt das im Einzelnen:

Brandenburg gibt von 2016 bis 2018 mindestens 120 Mio. Euro Regionalisierungsmittel nicht für den ÖPNV aus und spart das Geld an für schlechte Zeiten. Wir wollen aber, dass das Geld möglichst komplett dem ÖPNV zugutekommt – wie gesagt „möglichst“. Wenn kurzfristige Verbesserungen nachweislich nicht oder nur in geringem Umfang möglich sind, dann kann – ja, muss – das Geld selbstverständlich für die nächsten Jahre angespart werden.

Neben der angespannten Situation in den Bahnen bereitet uns dabei noch ein anderer Umstand Sorge: Unsere Verhandlungsposition gegenüber dem Bund.

Für die nächsten Jahre sind die Gelder, die wir vom Bund bekommen ja festgeschrieben. Aber wie stehen wir denn bei den nächsten Verhandlungen da? Wie sollen wir dem Bund gegenüber einen Mehrbedarf nachweisen wenn wir pro Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag aus den Regionalisierungsmitteln ansparen konnten. So verlieren wir jegliche Legitimation, im Bund bezüglich zusätzlicher Mittel vorstellig zu werden.

In §6 Regionalisierungsgesetz steht, mit den Regionalisierungsmitteln ist „insbesondere der SPNV zu finanzieren“. Die Landesregierung finanziert aber alles Mögliche daraus. Vorläufiger Tiefpunkt: Sogar die vom Landtag verabschiedete Errichtung einer Kompetenzstelle zur Sanierungs von Bahnhofsgebäuden soll jetzt von Regionalisierungsmitteln finanziert werden.

So nach dem Motto: Wollt ihr Bahnhöfe sanieren, müssen wir leider weniger Züge bestellen. Nach dieser Logik funktioniert ihre Verkehrspolitik. Das ist echt traurig.

Zum Thema Zweckentfremdung passt dann auch das Mobilitätsticket. Auch das sollte zukünftig nicht mehr aus Regionalisierungsmitteln sondern aus Landesmitteln finanziert werden. Wir befürworten ausdrücklich, dass Brandenburg derzeit eine neue Anfrage Richtung Berlin für ein länderübergreifendes Sozialtickets vorbereitet. Das ist allerding nicht Aufgabe des Infrastukturministeriums sondern der Sozialministerin. Sorgen Sie endlich für mehr Haushaltswahr- und -klarheit und stellen Sie den Titel dort ein wo er hingehört.

Und da wir gerade beim Thema Transparenz sind. Der Landtag beschließt als Haushaltsgesetzgeber über die Verwendung der Regionalisierungsmittel. Bislang habe ich als Mitglied des Landtags von der Landesregierung aber keine detaillierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben erhalten.

Mir liegt keine summierte Aufstellung sämtlicher nicht verwendeter Mittel vor. Weder die Landeshaushaltsrechnungen noch die Verpflichtungsermächtigungen im Kapitel 11 500 stellen in angemessener Weise eine entsprechende Transparenz her.

Da verstärkt sich der Eindruck, die Regionalisierungsmittel sind zugleich Spardose und Spielgeld für die Ministerin.

Ich erkenne aber durchaus an, dass Sie sich neuerdings zumindest um Transparenz bemühen.

In der Antwort auf eine kleine Anfrage des Kollegen Christoph Schulze stellen Sie sogar eine Tabelle bereit ähnlich dem Nachweis, den das Land beim Bund für die Verwendung der Regionalisierungsmittel einreichen muss.

Brandenburg ist nämlich per Gesetz dazu verpflichtet, dem Bund jährlich die Verwendung der Mittel nachzuweisen. Dieser Verwendungsnachweis sollte auch uns Abgeordneten zugänglich gemacht werden.

Und wenn dann wirklich kurzfristige Verbesserungen nach einer umfangreichen Prüfung nicht möglich sind, etwa wegen fehlender Fahrzeuge oder ausgelasteter Trassen, dann ist es notwendig, dass das Ministerium dem Ausschuss umfassend darüber Bericht erstattet.

Was wurde konkret unternommen, um zu Verbesserungen zu kommen? Welche Gründe sprachen gegen Verbesserungen? Und so weiter …

Ständig bekommen wir im Ausschuss zu hören, die Mittel könnten zeitnah nicht ausgegeben werden. Den Nachweis in welcher Form Sie dies überhaupt versucht haben oder welche konkreten Gründe dagegen sprechen bleiben Sie schuldig.

Lassen Sie uns an Ihrer Entscheidungsfindung teilhaben – vielleicht gewinnen sie ja dann sogar unser Verständnis. Oder aber wir finden gemeinsam einen Weg wie das Geld doch kurzfristig in Verbesserungen investiert werden kann.

Ich komme zum letzten Punkt unseres Antrages :

Die große Menge an Beschwerden über den Entwurf des Landesnahverkehrsplans hat uns gezeigt wie sehr die Bevölkerung von uns Abgeordneten erwartet, dass wir uns in den Prozess einbringen. Nur leider können wir das laut ÖPNV-Gesetz überhaupt nicht.

Ich würde dieser Erwartungshaltung gerne nachkommen können.

Wir haben dies bereits im Dezember gefordert und wir fordern es auch jetzt. Der Landtag sollte über den Landesnahverkehrsplan mitentscheiden. Die Finanzierung des SPNV ist ein ganz zentraler Gegenstand des Landesnahverkehrsplans. Machen wir es also wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen, wo das Parlament hierbei mitentscheidet!

Dann, liebe Koalitionsfraktionen, bräuchten Sie auch keine Briefe mehr an Ihre Ministerin zu schreiben, um die Anbindung einzelner Haltepunkte zu erbitten wie zum Beispiel beim Haltepunkt Wustermark wo die Proteste besonders intensiv waren. Sie könnten dann tatsächlich über Ihr Mandat Einfluss nehmen. Und zwar in ganz Brandenburg. Denn ich sage Ihnen eins: Wustermark ist überall!

Und damit die anderen Punkte unseres Antrags Sie nicht von einer Entscheidung in diesem Punkt ablenken, haben wir getrennte Abstimmung beantragt. Sie haben es jetzt selbst in der Hand, ob Sie weiter Briefe schreiben oder lieber tatsächlich mitbestimmen wollen.

Ich entscheide mich als Abgeordneter für letzteres.

Vielen Dank!

Der Antrag wurde abgelehnt.