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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der CDU-Fraktion "Berufsbildung in den Werkstätten für behinderte Menschen"

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Um es gleich vorwegzunehmen: Unsere bündnisgrüne Fraktion möchte bei der Unterstützung von Menschen mit Behinderung einen gänzlich entgegengesetzten Weg einschlagen als die CDU mit dem hier vorliegenden Antrag. Wir sind entschieden gegen den Ausbau von Sonderwelten, sondern für den Ausbau von uneingeschränkter Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

Damit wollen wir keinesfalls die Arbeit der Werkstätten für Menschen mit Behinderung kritisieren oder geringeschätzen. Wir sind überzeugt, dass die dort beschäftigten Fachkräfte tatsächlich im Rahmen der Möglichkeiten einer Werkstatt hervorragende Arbeit leisten und mit viel Herzblut dabei sind. Und sicher fühlt sich auch ein Anteil der dort arbeitenden Menschen mit Behinderung wohl. Aber, und jetzt kommt das ganz große Aber: Kaum ein Mensch mit Behinderung schafft den Übergang von der Werkstatt in den regulären Arbeitsmarkt. Kaum ein Mensch schafft also den Sprung aus der Sonderwelt in die „normale“ Welt, die doch gerade die Welt ist, in der wir fast alle leben, arbeiten, wohnen wollen. Daher brauchen wir keine Steigerung von Angeboten in Werkstätten für Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt chancenlos sind. Wir brauchen für diese Menschen Angebote direkt im ersten Arbeitsmarkt! Wir brauchen gute Arbeit, gerade auch für Menschen mit Behinderung! Arbeit, mit der auch Menschen mit Behinderung ihren Lebensunterhalt verdienen können – das durchschnittliche Arbeitsentgelt eines Werkstattbeschäftigten beträgt aktuell etwa 180 Euro im Monat. Wenn wir über Werkstätten reden, dann würde aus unserer Sicht ein fair entlohntes Arbeitsangebot den Anfang machen. Wichtig finden wir auch, wenn wir über die Arbeitsbedingungen in den Werkstätten sprechen, das Erfordernis eines Mindestmaßes an wirtschaftlich verwertbarer Leistung aufzugeben.

Gute Arbeit im ersten Arbeitsmarkt zu schaffen, scheint uns dagegen noch wichtiger und gleichzeitig ungleich schwerer durchzusetzen, als die Arbeitsbedingungen in den Werkstätten fairer zu gestalten. Zuerst müsste die Ausgleichsabgabe erhöht werden. Mit diesen Mitteln könnten dann gezielt Betriebe gefördert werden, die deutlich mehr Menschen mit Behinderung ausbilden und beschäftigen, als ihnen eigentlich gesetzlich vorgeschrieben ist. Inklusionsfirmen leisten es tatsächlich, Menschen mit Behinderung zu Bedingungen des ersten Arbeitsmarkts zu beschäftigen. Sie müssen besser unterstützt werden. Und natürlich brauchen wir besser ausgestattete Jobcenter, die über die Ressourcen und Zeit verfügen, um die Menschen ausreichend beraten und begleiten zu können. Gerade Menschen mit psychischen Erkrankungen sind häufig von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Sie brauchen ein Mehr an Beratung und Begleitung, kein Mehr an Sanktionen oder Verwaltung.

Das alles sind ohne Ausnahme Aufgaben, die in der Zuständigkeit der CDU-geführten Bundesregierung lägen. Und so mag es verlockend sein, hier im Land eine Ausweitung der Werkstattplätze zu fordern. Wesentlich sinnvoller und konsequenter wäre es jedoch, zumindest in kleinen Schritten den harten Weg in den ersten Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung zu erleichtern. Zumal die Monitoring Stelle zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention Deutschland zum wiederholten Male kritisch dafür gemahnt hat, der Staat mit der höchsten Quote an Werkstattarbeitsplätzen überhaupt zu sein.

Obwohl wir den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion hier durchaus zubilligen, dass sie denken im Sinne der Betroffenen etwas Positives zu tun: wir halten diesen Ansatz für falsch.
Für uns ist die inklusive Gesellschaft das Leitbild und deshalb lehnen wir den Antrag ab.