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Benjamin Raschke spricht zu unserer großen Anfrage "Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel in der Landwirtschaft in Brandenburg"

Herr Präsident! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte mit einem Dankeschön beginnen, einem Dankeschön an alle, die an der Erstellung der Großen Anfrage und der Antwort darauf mitgewirkt haben, an unsere Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter in der Fraktion, in den Verbänden und in der Forschung. Ganzbesonders bedanken möchte ich mich beim Umweltministerium, bei Ihren Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern, Herr Vogel.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Vogelsänger!)

- Verzeihung! Herr Vogelsänger! Ein freudscher Versprecher. Ja, so ist das.

Damit es im freudschen Versprecher nicht untergeht, noch einmal: Dank an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie haben sich wirklich richtig Mühe gegeben. Man spürt, wie viel Herzblut in der Beantwortung steckt. Der Klimawandel lässt keinen kalt, auch niemandem in Ihrem Ministerium.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist auch kein Wunder. Sie alle, wir alle haben das extreme Wetter, die enorme Dürre in diesem Jahr am eigenen Leibe miterlebt. Vielleicht haben wir die letzten Jahre noch im Gedächtnis und erinnern uns an den unglaublichen Frost im letzten Frühjahr, die Regenfluten - so muss man sagen - im Sommer und die Stürme im vergangenen Herbst und vorletzten Herbst. Das haben wir alle miterlebt. Und sie haben vermutlich auch alle die Große Anfrage und die Antwort auf die Große Anfrage gelesen. Deshalb möchte ich Ihnen hier gar nicht erst die Ergebnisse vortragen, sondern mich auf das konzentrieren, was daraus folgt. Was folgt aus den Antworten, die uns das Ministerium mühevoll herausgearbeitet hat? Aus unserer Sicht ist ganz klar:

Wir haben eine einfache, eine klare Botschaft, nämlich: So kann es nicht weitergehen, nicht mit dem Klimawandel und auch nicht mit den vielen Nothilfen!

Ganz offensichtlich - wir haben es am Mittwoch im Umweltausschuss wieder erlebt; nicht war, Herr Schröder? - sitzen wir in der Falle. Während sich da draußen die Erde erwärmt und wir auch in Brandenburg jedes Jahr Ernteschäden in ungeahntem Ausmaß haben, sind wir hier im Parlament jedes Jahr in der gleichen Zwangslage, besondersdie Regierungskoalition, die Regierungsfraktionen. Ich beneide Sie keineswegs. Sie sind immer in der gleichen Zwangslage, nämlich immer mehr Geld für Nothilfen ausgeben zu müssen - letztes Jahr ein paar Millionen Euro, dieses Jahr wieder ein paar Millionen Euro. Nächstes Jahr sollen in Brandenburg unglaubliche 46 Millionen Euro für Nothilfen ausgegeben werden, davon 23 Millionen Euro allein aus Landesmitteln, und zwar aus der Sparbüchse des Landes.

Wie gesagt, wir haben es im Umweltausschuss erörtert: Der Minister hat angekündigt, dass wir, selbst wenn der Betrag nächstes Jahr nicht aufgebraucht wird, davon ausgehen können, dass wieder etwas in einem dramatischen Ausmaß passiert, sodass wir das Geld dafür in jedem Fall brauchen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch schlecht. Das ist eindeutig schlecht. Das ist gleich dreifach schlecht: Das ist erstens schlecht, weil es uns alle in die Misere bringt, immer mehr für Nothilfe auszugeben, die von unseren Wählerinnen und Wählern überhaupt nicht mehr gewollt wird. Immer mehr Nothilfe ist gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert. Es ist zweitens schlecht, weil es auch die Bauern immer mehr in die Rolle drängt, Almosen zu empfangen und zu betteln, und sie nicht etwa stärkt.

Es ist drittens natürlich schlecht, weil das Geld knapper wird.

Wir haben gehört: 190 Millionen Euro weniger nach der Steuerschätzung. Was könnten wir mit den 20 Millionen daher nicht alles Schönes machen? Im Umweltausschuss bestand große Einigkeit zum Thema illegaler Müll oder zum Aktionsplan Spreewald. Wir waren uns alle einig, dass wir mehr Geld brauchen. Aber woher nehmen? Oder Verkehrsthemen - wir haben sie hier rauf- und runterdiskutiert. Bildung! - Uns allen würde etwas einfallen, was wir mit 23 Millionen Euro aus der Rücklage anfangen könnten. Kurzum: Ich denke, wir könnten das Geld für anderes gebrauchen.

Deswegen lautet unsere erste Botschaft: So kann es nicht weitergehen!

(Beifall B90/GRÜNE)

Wir haben aber in unserem Antrag noch eine zweite, eine gute Botschaft. Die gute Nachricht ist: Es muss auch nicht so weitergehen. Es gibt einen Ausweg. Wir brauchen die Landwirtschaft für die Wetterextreme „nur" fit zu machen und die Treibhausgase zu senken. Dann haben wir diese Probleme nicht mehr oder nicht mehr in so starkem Ausmaß. Genau dazu möchten wir Sie mit unserem Entschließungsantrag einladen.

Es ist ein bisschen wie beim Zahnarzt. Da wissen Sie auch: Vorsorge ist immer viel besser, Vorsorge ist immer viel billiger und auch ein bisschen weniger schmerzhaft als die Behandlung.

Wobei ich gern zugebe, dass der Vergleich ein bisschen hinkt, weil wir mitten im Klimawandel sind. Noch einmal: Frost letztes Jahr, Sturm letztes Jahr, dieses Jahr diese Dürre. Da würde Ihr Zahnarzt bzw. Ihre Zahnärztin, glaube ich, ziemlich vorwurfsvoll gucken, wenn Sie so spät kämen. Deswegen möchten wir Sie dazu einladen - nicht zum Zahnarztbesuch -, sondern dazu unseren Antrag zu unterstützen und gemeinsam unsere Landwirtschaft für den Klimawandel fit zu machen.

Wenn ich Sie so anschaue, merke ich: Ja, das ist unstrittig. Natürlich. Bis hierhin ist alles gut und wir sind uns alle wahrscheinlich grundsätzlich einig. Hier und da passiert auch etwas, das stellen wir gar nicht in Abrede. Aber - das ist der wesentliche Punkt - nach diesem Jahr, nach diesem extremen Wetter, nach diesen Millionenbeträgen, die wir im nächsten Jahr für die Landwirtschaft ausgeben werden, müssen wir einen richtigen Schub geben, die Landwirtschaft an das Klima anzupassen und nicht immer mehr aus der Steuerkasse bezahlen.

Wie soll das gehen? Da maßen wir uns als Grüne nicht an, ein Patentrezept zu haben - warum auch? Aber natürlich haben wir ein paar Ideen, von denen ich einige skizzieren will:

Erstens: Boden schützen. Wir brauchen ein Programm zum Humusaufbau. Wir müssen Untersaaten zum Standard machen. Stichwort Zwischenfrüchte. Wir brauchen mehr Heckenpflanzungen. Wenn der Boden geschützt ist, ist er auch resistenter, widerstandsfähiger gegen Wassernot oder flutartigen Regen, wie wir ihn letztes Jahr erlebt haben. Er setzt dann auch weniger CO2 frei.

Zweitens: Wir müssen das Risiko streuen. Wir müssen unsere Betriebe in die Lage versetzen, kein einseitiges Betriebsmodell mehr zu fahren. Das ist ja eine Binsenweisheit: Wenn ich zehn Sorten Obst und Gemüse anbaue und eine davon aufgrund einer extremen Wetterlage verlustig geht, ist das immer noch besser, als wenn ich nur Schweinemast und Maismonokultur in meinem Betrieb habe und der Mais nicht wächst.

Dritter Punkt - unter uns wahrscheinlich auch unstrittig -: Regionale Vermarktung. Die wurde hier oft diskutiert. Sie spart CO2 und generiert fairere Preise.

Das ist eine kleine Auswahl unserer Ideen, und ich weiß, dass es bei Ihnen in der CDU, bei Ihnen in der SPD und der Linken natürlich auch Ideen gibt. Unsere Landwirte haben Erfahrungen und Ideen. Wir haben eine unglaublich starke Forschungslandschaft. Wir haben das PIK, wir haben das ZALF, um nur einmal zwei zu nennen, und wir haben auch ein Umweltministerium, das sich auskennt. Ich erinnere an das Projekt INKA BB, das wir hier in Brandenburg schon einmal hatten. Wir haben auch Umweltverbände mit Klima- und Agrar-Knowhow.

Deswegen ist unsere Botschaft: Ja, vielleicht sind wir uns nicht über jeden einzelnen Schritt einig, aber - das ist unser Ziel - wir sollten uns heute einig werden, einen politischen Rahmen zu bauen, um genau das zu diskutieren, ein richtig gutes Förderprogramm aufzulegen und unsere Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen anstatt jedes Jahr neue Nothilfen auszureichen.

(Beifall B90/GRÜNE - Zuruf der Abgeordneten Schade [AfD])

- Frau Schade stimmt mir zu.

Wir haben in unserem Antrag in zwei Punkten vorgeschlagen, wie das gehen soll:

Erstens. All die Leute, die ich gerade genannt habe, sollten in einem Landwirtschaftsrat sitzen: ein Viertel aus dem Berufsstand, ein Viertel aus der Wissenschaft, ein Viertel aus den Umweltverbänden und ein Viertel aus dem Ministerium. Dann haben wir das ganze Knowhow an einem Tisch und können ein Programm entwickeln, das seinen Namen auch verdient. Wir haben ja ein Vorbild dafür, mit dem Tierschutzplan in Brandenburg haben wir etwas Ähnliches gemacht. Wir wissen, wie solch eine Zusammenarbeit läuft, was daran gut läuft und was man verbessern muss. Das ist der Auftrag, den wir der Regierung ins Stammbuch schreiben wollen.

Aber auch wir selbst sollten uns keinen schlanken Fuß machen. Wir als Parlamentarier müssen uns auf die Agenda schreiben, das zu einem Topthema zu machen und im Umweltausschuss regelmäßig darüber zu beraten. Beauftragen wir den Fachausschuss, nicht nur das Ministerium regelmäßig berichten zu lassen, sondern zum Beispiel auch regelmäßig Expertinnen und Experten einzuladen, die uns aus internationaler Sicht vorstellen, wie andere Länder mit dem Klimawandel und der Klimaanpassung umgehen.

Sie sehen, wir haben eine klare Botschaft.' Immer mehr Nothilfen sind keine Lösung'. Sie sehen auch, es gibt einen Ausweg, nämlich indem wir unsere Landwirtschaft an den Klimawandel anpassen und die Treibhausgase reduzieren.

Wenn Sie das noch nicht überzeugt hat, diesen Weg einzuschlagen, habe ich noch ein drittes, letztes Argument, nämlich: Das lohnt sich. Klimaangepasste Landwirtschaft und Produktionsmethoden mit weniger Treibhausgasen sind weltweit immer mehr gefragt. Vielen Ländern auf der Welt geht es so, dass sie unter extremen Wettersituationen leiden und diese Technologien brauchen. Wir sind in der Lage, so etwas zu machen, wenn wir unsere Landwirte darin unterstützen. Da lockt doch der Export. Da lockt doch ein Stück von dem Kuchen, von dem wir etwas abbekommen können, und da lockt wirtschaftliche Entwicklung.

Also, das Fazit, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie sehen, wir sparen mit diesem Weg viel Geld für Nothilfen. Wir sparen uns den Ärger mit den Wählerinnen und Wählern. Wir ersparen - das ist genauso wichtig - den Landwirtinnen und Landwirten die dauerhafte Rolle als Bettler und Almosenempfänger. Wir schützen das Klima, wir passen unsere Landwirtschaft an den Klimawandel an, haben weiterhin leckere Lebensmittel aus der Region und verdienen am Ende noch etwas im Export. Das ist eine Win-win-win-win-win-Situation!

(Oh! bei der SPD)

Sie sehen, Sie haben nichts zu verlieren. Stimmen Sie also bitte zu!