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Ursula Nonnemacher spricht zum gemeinsamen Antrag mit der SPD-Fraktion und der Linksfraktion „Initiative zur Abschaffung des Paragrafen 219 a StGB ergreifen“

>>Der gemeinsame Antrag „Initiative zur Abschaffung des Paragrafen 219 a StGB ergreifen“ als pdf-Datei.

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Frauen werden auch im Jahr 2017 hinsichtlich der Wahrnehmung ihrer sexuellen und reproduktiven Rechte staatlich bevormundet. Es erstaunt mich, mit welch breitem gesellschaftlichen Konsens diese Rechtseinschränkung, diese Beschneidung von Selbstbestimmung über den eigenen Körper, hingenommen wird. Mein Körper - meine Verantwortung? Nein! Frauen wird bis heute nicht zugetraut, dass sie die emotionale und kognitive Reife haben, um die Verantwortung für sich und ihr ungeborenes, ungewolltes Kind übernehmen. Dafür sind die Paragraphen 218 und 219 Strafgesetzbuch ein trauriges Beispiel. Sie bilden eine unübersichtliche juristische Gemengelage, die ausgerechnet in der emotional sehr belastenden Situation einer ungewollten Schwangerschaft Frauen so wenig Selbstbestimmung wie nur möglich zukommen lässt. Während große Teile der Öffentlichkeit dem Trugbild erliegen, eine Abtreibung sei Entscheidungsrecht der Betroffenen, spricht die Rechtslage eine andere Sprache. Und die betroffenen Frauen werden genau in der Zeit, in der sie besonders viel Unterstützung und Rechtsklarheit bedürften, gegängelt und unter Druck gesetzt. Eine Frau, die ein Kind nicht austragen und großziehen möchte? Das kann so nicht akzeptiert werden! Deswegen zwingen wir Frauen zu einem Beratungsgespräch mit Bedenkzeit Dahinter steht die Hoffnung, dass sich die Frau doch noch in die ihr seit Jahrtausenden zugewiesene Rolle der Mutter fügt. Unsere Rollenverständnisse sind übermächtig, zum Teil, weil sie sehr alt sind. Sie finden ihren Ursprung in den Gesellschaften der Antike, in der allein das männliche Familienoberhaupt die patria potestas, also die Macht über sämtliche Mitglieder der Familie innehatte. In dieser Gesellschaft hatte weibliche Sexualität lediglich die Funktion der Zeugung legitimer Nachkommen. Welche Nachkommen legitim waren, darüber entschied das männliche Familienoberhaupt. Die christliche Lehre stellt ebenfalls seit vielen Jahrhunderten das Selbstbestimmungsrecht der Frau in Frage, indem sie das Lebensrecht des Fötus als höherrangig wertet. In diesen (Denk-) Traditionen darf bis heute keine ungewollt schwangere Frau alleine über das Fortbestehen oder den Abbruch ihrer Schwangerschaft entscheiden!

Denn, um es nochmal ganz klar zu sagen: Frauen in Deutschland haben auch heute kein Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch! Eine Abtreibung ist nur unter gewissen Umständen straflos, aber immer rechtswidrig! Auf eine Art ist deswegen also die aktuelle Debatte um die Verurteilung der Ärztin Kristina Hähnel gut. Die Gynäkologin wurde zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt, weil sie auf ihrer Webseite über ihr Angebot zu Schwangerschaftsabbrüchen informiert hat. Rechtsgrundlage ist § 219 a StGB, der eine „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Hier kumuliert unsere gesamte Ambivalenz im Umgang mit ungewollten Schwangerschaften. Obwohl das jetzt geltende Gesetz explizit straffreie Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Bedingungen ermöglicht, werden Ärztinnen und Ärzte aber dafür verurteilt, wenn sie sachlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren und darauf hinweisen, dass sie diese anbieten.

Wir finden, Frauen müssen sich frei darüber informieren können, welche sicheren und wohnortnahen Zugänge sie zu Schwangerschaftsabbrüchen haben. Um das zu gewährleisten, müssen Ärztinnen und Ärzte zwingend straffrei bleiben!

Solange es Richter gibt, die eine solche Information über medizinische Leistungen als Werbung zum eigenen Vermögensvorteil bewerten und sanktionieren ist Paragraph 219 a leider kein gruseliges aber harmloses Rechts-Relikt aus der NS-Zeit, sondern ein ultrakonservativer Wiedergänger. Die Zeiten der Dunkelheit sind in diesem Land glücklicherweise vorbei. Zunächst der Paragraph 219 a gehört umgehend abgeschafft!

Der Antrag wurde angenommen.