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Ursula Nonnemacher spricht zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion „Gesetz zur Unterstützung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund“ und dem Bericht „Landesintegrationskonzept - 2017 - Zuwanderung und Integration als Chance für Brandenburg“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Als die CDU-Fraktion vor circa 1,5 Jahren mit der Idee zu einem Integrationsgesetz um die Ecke kam, standen wir dem prinzipiell offen gegenüber. Gleichzeitig waren wir damals aber auch schon der Meinung, dass viele Aspekte der Integration auf Landes- und kommunaler Ebene besser durch ein Integrationskonzept umgesetzt werden können und sollten. Warum? Die Landesregierung hatte bereits 2014 ein vorbildliches Konzept entwickelt, unsere vielen Fragen zu dessen Umsetzung in einer Großen Anfrage Anfang des Jahres vollumfänglich beantwortet, und im letzten Jahr flankierend einen Bericht zu aktuellen Daten, Fakten und Entwicklungen zu Migration herausgegeben. Welchen Zusatznutzen müsste also aus bündnisgrüner Sicht ein brandenburgisches Integrationsgesetz bringen? Die Antwort ist: Es müsste ein echtes Partizipationsgesetz für die Migrantinnen und Migranten werden. Es müsste Landes- und kommunale Integrationskonzepte ergänzen, aber nicht ersetzen. Vor allem sollte es nicht den Geist verordneter Leitkultur und harter Sanktionierung atmen. Das alles erfüllt jedoch der vorliegende Gesetzentwurf der CDU nicht. Im Gegenteil. In weiten Teilen handelt es sich um einen knallharten Auflagenkatalog für Geflüchtete. Wir sind aber der Ansicht, dass die meisten der zu uns Geflüchteten von sich aus Interesse an dem sie aufnehmenden Land mitbringen. Aus dieser Überzeugung entsteht für uns die Aufgabe, Integrationsangebote zu verbessern und weiterzuentwickeln. Der vorliegende Gesetzentwurf suggeriert eher eine sanktionsbewehrte Bringschuld von Migrantinnen und Migranten, die sich an eine wie auch immer geartete brandenburgische oder deutsche Leitkultur anpassen sollen.

Deswegen halten wir uns also an das Landesintegrationskonzept. Dabei steht für uns jetzt folgendes im Vordergrund: Wir brauchen Maßnahmen, wie die Landesebene die Kommunen gezielter unterstützen kann, beispielsweise bei einer Ausweitung von Angeboten der Sozialarbeit oder der gesundheitlichen Versorgung. Gute Ansätze dazu werden im Integrationskonzept aufgeführt. Beispielhaft herausragend im Bereich der Jugendarbeit ist aus unserer Sicht das Projekt in Seelow „Krieg, Vertreibung und Flucht vor 70 Jahren und heute“. Hier sollen Geflüchtete und einheimische Jugendliche Flüchtlinge und Vertriebene interviewen und so Geschichtsarbeit mit ihren eigenen Erfahrungen verbinden.

In solchen Projekten sehen wir ein wirksames Gegenmittel zu Fremdenfeindlichkeit und Vorurteilen. Mehr davon bitte! Denn ausgerechnet im Schwerpunkt des Integrationskonzeptes „Überwindung von Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus“ sehen wir keine Erfolgsbilanz im eigentlichen Sinne. Die rechtsextremistisch motivierten Straftaten steigen stetig an – die Zahl von Straf- und Gewalttaten gegen Flüchtlinge hat sich 2016 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt - und der Rechtspopulismus gedeiht allerorten. Prävention muss hier im Dreiklang mit Strafverfolgung und Opferberatung stehen. Wenn es zu rechtsextremistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Straftaten gekommen ist fordern wir, dass die Strafverfolgung in Zukunft besser in die Lage versetzt wird, ihren wichtigen Beitrag leisten zu können. Die Staatsanwaltschaften klagen über Personalnot, der Verein Opferperspektive über lange Verfahrensdauern. Das verfestigt rechtsextreme Strukturen. Eine „schnelle Reaktion“, wie im Konzept beschrieben, scheint in vielen Fällen momentan strukturell nicht zu gelingen!

Wir schlagen auch vor, das Präventionskonzept „Sicheres Flüchtlingsheim“ nach dem Vorbild in Dahme/Spreewald, verbunden mit einem entsprechenden Personalaufwuchs unter anderem bei der Polizei, landesweit auszudehnen. Eine Unterbringung in Massenunterkünften verursacht leider Konflikte und begünstigt Gewalt – wir benötigen dringend Schutzkonzepte für die Geflüchteten und eine spezialisierte Opferberatung. Das fehlt bisher, auch im Landesintegrationskonzept. Wie wäre es mit einer ausfinanzierten Opferberatung, die um kulturelle Unterschiede und ethnische Konflikte weiß und über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügt?

Auf der anderen Seite darf es aber auch kein Vertun dabei geben, welche Partnerinnen und Partner wir uns für eine gelungene Integration auswählen. Wir Bündnisgrünen wollen beispielsweise keine Moscheen mit Geschlechtertrennung und keine Moscheen, die zu Hass und zur Bildung von Parallelgesellschaften beitragen. Religionsfreiheit ist in unserem Land ein hohes Gut, aber es darf kein Primat der Religion vor anderen Grundrechten und vor unserem Grundgesetz geben. Impulse zu diesen Fragen bleibt uns das Integrationskonzept schuldig.

Erfolgreiche Integration braucht viele Eltern. Eine prägende Rolle, um gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und Chancengleichheit herzustellen, nimmt dabei mit Sicherheit die öffentliche Verwaltung ein. Interkulturelle Öffnung beschreibt einen langfristigen Prozess der Organisationsentwicklung. Mitarbeitende in der Verwaltung brauchen Unterstützung dabei. Die aufgeführten Maßnahmen im Integrationskonzept können dafür das Fundament bilden. Auffallend oft sind die im Integrationskonzept genannten Maßnahmen von den Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie. Dort sind sie in fachlich sehr guten Händen. Doch langsam stellt sich zumindest uns die Frage, ob die Landesregierung den RAA für diese vielen Aufgaben in einem Flächenland ausreichende Mittel zur Verfügung stellt oder ob diese für eine zufriedenstellende Aufgabenerfüllung nicht aufgestockt werden müssten.

Wir möchten, dass Menschen mit Migrationsgeschichte auch im politischen Raum Brandenburgs Stellung beziehen können. MigrantInnenselbstorganisationen und –Beiräte sind eine wichtige Facette. Wir begrüßen deren Unterstützung und auch die Bemühungen der Landesregierungen für eine Änderung des Wahlrechts für Nicht-EU-Bürgerinnen und –Bürger auf Bundesebene.

Andere Punkte bleiben uns allerdings zu vage. Immerhin definiert die Landesregierung zumindest in einigen Bereichen Meilensteine, das war eine bündnisgrüne Forderung. Aber viel zu oft wird aus dem Konzept nicht ersichtlich, in welcher Quantität die aufgeführten Projekte in der Fläche Raum greifen. Es fehlen - wie im ersten Konzept von 2014 - Instrumente, mit denen der Landesregierung eine genauere Erfassung der Umsetzung von Integrationsmaßnahmen in den Kreisen und kreisfreien Städten möglich wird. Das birgt die große Gefahr, dass die Angebote, die den Migrantinnen und Migranten gemacht werden, regional stark unterschiedlich sind.

Den parlamentarischen Auftrag bei der Überarbeitung des Landesintegrationskonzepts lässt die Landesregierung ganz liegen. Sie war aufgefordert, in einem dem Landesintegrations-konzept beizufügenden Bericht darzulegen, in welchen Rechtsvorschriften die Landes-regierung unter Berücksichtigung des Gutachtens des Parlamentarischen Beratungsdienstes vom Dezember 2016 gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht. In diese Lücke geht jetzt erwartungsgemäß die CDU-Fraktion rein indem sie z.B. andenkt, ob und in welcher Höhe kommunale Ordnungsämter zukünftig vermeintlich integrationsunwilligen Migrantinnen ein Bußgeld aufbrummen können. Ob das die Integration fördert, wagen wir zu bezweifeln. Wir finden aber einen Vorschlag macht die CDU, über den es sich nachzudenken lohnt: Die Wahl der Landesintegrationsbeauftragten durch den Landtag. Ihre wichtige Funktion würde dadurch klar aufgewertet werden. Ansonsten möchten wir im Ausschuss und mit Fachleuten über die vielen Maßnahmen des Integrationskonzeptes beraten. Im Dialog, in der Weiterentwicklung schaffen wir es, dass Integration den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt!