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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der CDU-Fraktion sowie der fraktionslosen Abgeordneten Christoph Schulze, Iris Schülzke und Peter Vida „Bürgernähe erhalten - Kreisgebietsreform stoppen“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Zum wiederholten Mal stimmen wir heute über einen wohlbekannten Antragstext ab. Es ist der Text der erfolgreichen Volksinitiative und des aktuell laufenden Volksbegehrens „Bürgernähe erhalten – Kreisreform stoppen“. Ziel des Antrags ist es, mit sofortiger Wirkung das Leitbild für die Verwaltungsstrukturreform 2019 vom 13. Juli 2016 aufzuheben, keine Kreisgebietsreform gegen den Willen der betroffenen Gebietseinheiten zu erlauben und von der Landesregierung ein Konzept zur interkommunalen Zusammenarbeit zu verlangen.

Diese erneute Wiedervorlage könnte man in Anlehnung an den Schlachtruf am Ende der Kleist-Novelle „Der Prinz von Homburg“ auch folgendermaßen sehen: „In den Staub mit allen Feinden der Landkreise und kreisfreien Städte!“ Psychologisch mag dies nachvollziehbar sein, ob es aber politisch zielführend ist, möchte ich bezweifeln. Es entspricht vor allem nicht unbedingt der Stimmungslage der Initiatoren des Volksbegehrens, wovon wir uns in einem aktuellen Hintergrundgespräch überzeugen konnten.

Inhaltlich ist festzustellen, dass das Konzept zur interkommunalen Zusammenarbeit bereits mit den Beschlüssen zur Volksinitiative angenommen und auf den Weg gebracht wurde. Nachdem die Landesregierung selbst die Gesetzentwürfe zur Kreisneugliederung und zur Funktionalreform zurückgezogen hat, hat sich das Leitbild de facto erledigt: es ist vom Lauf der Ereignisse überholt und somit aufgehoben worden. Eine Kreisgebietsreform wird es in Brandenburg in dieser Legislaturperiode und vermutlich auch für lange Zeit danach nicht geben. Spiel, Satz und Sieg für die Volksinitiative, die mit ihren 130.000 Unterschriften schon auf der 1. Stufe des Volksgesetzgebungsverfahrens eine sehr große politische Wirkmächtigkeit entfaltete und sich diesen Erfolg maßgeblich ans Revers heften kann.

Anrede!

Ich halte es zudem für sehr problematisch, wenn das Parlament den Text eines Volksbegehrens beschließt, während das Volksbegehren noch läuft und offiziell erst Ende Februar 2018 endet. Dies kann man auch als eine Respektlosigkeit gegenüber der Volksgesetzgebung ansehen. Die Eintragsfrist läuft und kann auch nicht dadurch vorfristig beendet werden, dass der Landtag wortgleich beschließt. Es würde den verfassungsmäßig garantierten Rang der Volksgesetzgebung völlig aushebeln, wenn der Landtag durch einen Beschluss ein Volksbegehren stoppen könnte. Rein rechtlich betrachtet kann der Landtag ein Gesetz, dass er erlassen hat, aufheben. Dies geschieht ja gerade mit dem Amtszeitenregelungsgesetz. Ein gesetzlich nicht bindender Landtagsbeschluss - wie das Leitbild - kann eigentlich nicht aufgehoben werden. Er hat sich politisch erledigt und ist damit aufgeboben.

Nicht erledigt hat sich aus unserer Sicht der Handlungsbedarf an vielen Stellen im Bereich der Verwaltung des Landes. Das betrifft die Frage der Entschuldung hoch verschuldeter Kommunen sowie die Reform des kommunalen Finanzausgleichs, die Schaffung neuer Verwaltungsmodelle auf gemeindlicher Ebene, insbesondere die Einführung der brandenburgischen Amtsgemeinde oder die Finanzierung landesweit bedeutsamer Kultureinrichtungen. Das umfasst natürlich den ganzen Bereich der Verwaltungsmodernisierung, der Digitalisierung und des E-Government. Und selbstverständlich betrifft das auch die Frage der Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeiten der EinwohnerInnen auf kommunaler Ebene.

Nur weil es der Landesregierung nicht gelungen ist, aus einer im wesentlichen immer noch richtigen Analyse und Problembeschreibung heraus, ein hochkomplexes Reformvorhaben vernünftig auf den Weg zu bringen, inhaltlich konsistent auszugestalten, gut zu kommunizieren und Ängste auszuräumen, darf es nicht da zu einem Reformstillstand kommen, wo Reformen weiterhin notwendig sind.

So gut wie alle Reformbeteiligten haben die Rücknahme der Gesetzentwürfe zur Kreisneugliederung und zur Funktionalreform I mit Erleichterung aufgenommen, aber Reformbedarf auf vielen Ebenen attestiert. Daran gilt es weiterzuarbeiten und den Gesprächsfaden wiederaufzunehmen. Das wird nicht leicht, zumal die Akteure ja die gleichen bleiben. Die Spitzenverbände haben in den Anhörungen Gesprächs- und Kompromissbereitschaft zum Ausdruck gebracht. Nutzen wir diese.

Zum Antrag der CDU-Fraktion werden wir uns aus den hier dargelegten Gründen enthalten. Der Entschließungsantrag leitet ab, dass die Forderungen des Volksbegehrens erfüllt sind und formuliert in die Zukunft gerichtete sinnvolle Handlungsansätze. Dem werden wir zustimmen.