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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag von SPD, Linker und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN „Sinti und Roma - Gedenken und Handeln gegen Diskriminierung“

>> Unser Antrag: „Sinti und Roma – Gedenken und Handeln gegen Diskriminierung“ als pdf-Datei

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Die Würde des Menschen ist unantastbar! Für diesen Beginn haben sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Anknüpfung an eine lange währende humanistische Tradition entschieden. Auch unsere Brandenburger Verfassung enthält diese Garantie in Art. 7. Es gehört mit zu einer Gedenkkultur, die den Opfern der Verbrechen des Nationalsozialismus würdig ist, die begangenen Gräueltaten nie zu vergessen und immer wieder von Neuem an die unfassbare Einmaligkeit des Holocaust zu erinnern.

500.000 Sinti und Roma kamen im Zuge des Holocaust in Europa ums Leben, wurden brutal ermordet. Auch mehr als 70 Jahre nach den furchtbaren Ereignissen sind diese lange noch nicht vollständig aufgearbeitet. Im Gegenteil, mit dem Versterben von Zeitzeugen geht das Wissen über die Geschehnisse verloren. Gleichzeitig setzt sich die Ablehnung von Sinti und Roma als Minderheit in den Reihen unserer Gesellschaft bis heute fort. Antiziganismus ist ein jahrhunderte altes Phänomen in den Mehrheitsgesellschaften Europas und Antiziganismus ist auch heute in Deutschland bis weit in die Mitte der Gesellschaft in erschreckend hohem Ausmaß verbreitet.

Der nun vorliegende Antrag soll einen Beitrag zu einer würdigen Erinnerungskultur leisten. Er soll das Geschehene benennen und das Gedenken an die während der Nazidiktatur ermordeten Sinti und Roma wachhalten. Darüber hinaus greift der Antrag einige langjährige Forderungen unserer Fraktion zum Schutz der Minderheit auf, wenngleich der Minderheitenschutz unserer Ansicht nach an einigen Stellen noch weitergehende Regeln gefordert hätte.

Besonders positiv sehen wir den Auftrag an Politik und Zivilgesellschaft, gemeinsam gegen die weit verbreiteten rassistischen Stereotype gegenüber Sinti und Roma vorzugehen und die Aufforderung an die Landesregierung, den Abschluss einer Vereinbarung mit dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Brandenburg vorzubereiten, um konkrete Maßnahmen zur Verfolgung der genannten Ziele einzuleiten.

Denn, dass diesbezüglich Handlungsbedarf besteht, bleibt bislang leider eine traurige Wahrheit. Die Zahlen, die zuletzt 2016 die große „Mitte-Studie“ der Universität Leipzig zutage gefördert hat, sind erschreckend im Hinblick auf die in der deutschen Gesellschaft verbreiteten Vorbehalte Sinti und Roma gegenüber und belegen einen Antiziganismus, der sich durch fast alle gesellschaftlichen Milieus zieht. Die Studie besagt unter anderem, dass 57,8 % der Befragten ein Problem damit hätten, wenn Sinti und Roma in ihrer Nähe wohnen würden. Knapp 50 % der Befragten sind dafür, daß Sinti und Roma aus den Innenstädten verbannt werden sollen und 58,5 % der Befragten sind der Meinung, daß Sinti und Roma zu Kriminalität neigen.

Bereits im Zusammenhang mit der Einführung der sog. Antirassismusklausel in die Verfassung des Landes Brandenburg, dem Artikel 7a, hatte unsere Fraktion es darüber hinaus befürwortet, den Schutz und die Förderung von Minderheiten auch in die Brandenburger Verfassung aufzunehmen, so dass auch Sinti und Roma direkt einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf erhalten hätten. Ein solches Recht sieht beispielsweise die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein vor. Dort sind in Artikel 6 Absatz 2 der Verfassung der Schutz und die Förderung von Sinti uns Roma festgeschrieben. Explizit erwähnt sind dort zudem der Schutz der kulturellen Eigenständigkeit und der politischen Mitwirkung nationaler Minderheiten.

Ebenfalls gewünscht hätten wir uns weitergehende konkrete Maßnahmen, etwa Bildungsarbeit an ausgewählten Kitas und Schulen, sowie ein festes Budget zur Realisierung der genannten Förderung.

Zunächst aber sehen wir in dem Antrag einen enormen Schritt in Richtung eines besseren Schutzes der Minderheit der Sinti und Roma in Brandenburg vor Diskriminierung. Es freut mich außerordentlich, dass der Schutz des friedlichen Zusammenlebens als Auftrag aus Art. 7a unserer Landesverfassung so ein Stück weiter mit Leben gefüllt wird.