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Ursula Nonnemacher spricht Antrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE „Engagement gegen Kinderarmut verstetigen und sichern“

– Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Endlich! Endlich schiebt die Landesregierung eines ihrer aus unserer Sicht wichtigsten Vorhaben ein bisschen mehr ins Rampenlicht. Das freut uns! Und wir fragen uns: Hat sie dazu die öffentliche Anhörung zum 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung im Bundessozialausschuss animiert? Wie auch immer, es ist richtig, dass wir nun über das Thema Kinderarmut endlich hier im Plenum sprechen. Denn, auch wenn die Kinderarmut glücklicherweise in unserem Land etwas gesunken ist, ist sie doch immer noch auf einem erschreckend hohen Niveau! Von dem Grundsatz, kein Kind zurückzulassen, sind wir noch ein großes Stück entfernt. Und das, obwohl es bereits ein fast unüberschaubares Bündel an familienpolitischen Maßnahmen und Leistungen gibt.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zählt für das Jahr 2012 – das sind tatsächlich die aktuellsten Zahlen – insgesamt 150 familienbezogene Leistungen im Wert von 128,9 Mrd. Euro auf. Sie setzen sich zusammen aus steuerrechtlichen Maßnahmen, Geldleistungen, familienbezogenen Leistungen innerhalb der Sozialversicherungen und Realtransfers. Das klingt nach einer Menge Geld. Die Frage ist aber, ob das Geld auch bei den Kindern ankommt, die es wirklich benötigen. Wir Bündnisgrüne zweifeln da. Es kann aus unserer Sicht nicht sein, dass das Geld aus familienbezogenen Leistungen in Form von Ehegattensplitting – übrigens insgesamt 20 Milliarden Euro pro Jahr – auch bei verheirateten Paaren ohne Kinder ankommt. Es kann für uns auch nicht sein, dass gleichzeitig natürlich die Kinder unverheirateter Eltern oder Kinder von Alleinerziehenden oder in Mehr-Eltern-Familien leer ausgehen. Pech gehabt. Ihre Eltern übernehmen zwar Verantwortung für sie, ihr Lebensmodell ist dem Staat aber nicht so viel wert. Und wie wollen wir eigentlich erklären, dass gutverdienende Eltern Zuwendungen in weitaus höheren Beträgen in Form des Kinderfreibetrags anstatt des Kindergelds bekommen? Vielleicht mit der Bibel: „Denn wer da hat, dem wird gegeben…“?

Die familienbezogenen Leistungen in ihrer bestehenden Form sind ein Paradebeispiel für Förderung mit der Gießkanne und der Ineffektivität, beziehungsweise Ineffizienz. Denn wenn ich jeden Euro nur einmal ausgeben kann, möchte ich doch bei den familienbezogenen Leistungen ganz besonders einer Gruppe helfen: Armen Kindern. Wir begrüßen daher, dass sich der Antrag für die Kindergrundsicherung stark macht, übrigens nicht nur eine Forderung der Wohlfahrtsverbände, sondern auch eine urgrüne. Sie müsste einkommensunabhängig ausgestaltet sein und – da widersprechen wir dem Antrag ganz entschieden, sollte Kinderregelsatz, Kindergeld und Kinderfreibetrag in einer Leistung zusammenführen. Diese Kindergrundsicherung muss aus unserer Sicht zudem mit der Einführung einer Individualbesteuerung verknüpft werden.

Ehrlich wohlfeil ist Ihre Forderung nach einer Überführung des Bildungs- und Teilhabepakets: Der Bundesgesetzgeber ist doch solange verpflichtet, das erforderliche Mindestmaß an Bildung und Teilhabechancen zu gewährleisten, bis eine Abdeckung der vom Bundesverfassungsgericht benannten Bedarfe durch eine flächendeckende institutionelle Regelung durch die Länder gewährleistet ist!

Deswegen bleibt mir der Antrag ein bisschen zu dünn, obwohl ich es richtig finde, dass die Sozialministerin mit dem Runden Tisch das Thema Kinderarmut gleich zu Beginn der Wahlperiode in den Mittelpunkt der Politik gerückt hat. Ich wünsche mir eine klarere Darstellung der Maßnahmen, die die Landesregierung selbst ergreift, unter Einbezug der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Die Schulgesundheitsfachkräfte sind ein erster, guter Schritt. Was gibt es noch?