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Ursula Nonnemacher spricht zu den Gesetzesentwürfen der Landesregierung zu den Themen „Funktionalreform“, „zur Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte“ und „Relevanz eines Volksentscheides“

>> Änderungsantrag zum Gesetz zur Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte im Land Brandenburg und zur Änderung anderer Gesetze (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Endlich, so möchte man sagen, hat das Schattenboxen ein Ende. Endlich wird nicht mehr nur über Pläne und Vorschläge diskutiert, sondern über konkrete Gesetzentwürfe. Fast ein Jahr ist vergangen, seit der Landtag das Leitbild zur Verwaltungsstrukturreform beschlossen hat – ein Jahr, das es in sich hatte und bestimmt war von der Diskussion über Kreiszuschnitte und Aufgabenübertragungen vom Land an die Kommunen, über Geld, das die Reform kosten würde und nicht zuletzt über die Unruhe, die bei diesem Thema bei den Regierungsparteien herrschte. Unruhe, die nicht zuletzt auch von den eigenen Leuten von SPD und Linken in den Landkreisen und kreisfreien Städten angefacht wurde.

Auch uns machten Sie es, liebe Kolleg*innen, nicht leicht. Seit Beginn der Legislaturperiode haben wir gesagt, dass wir den Reformbedarf, der zu dem Leitbildbeschluss führte, ebenfalls sehen. Wir haben immer zum Ausdruck gebracht, dass wir als Opposition das Vorhaben kritisch aber konstruktiv begleiten werden. Das gilt auch weiterhin. Vielfach wird ja eingewandt, dass es zurzeit doch gar keinen Reformbedarf gäbe: die finanzielle Situation des Landes hat sich besser als erwartet entwickelt, aus Berlin steigt der Zuzug nach Brandenburg an und selbst die Geburtenrate würde wieder steigen. Aber nein, die langfristigen Trends wirken weiter und gerade deshalb ist es jetzt notwendig, die gute Ausgangslage dafür zu nutzen, dass das Land Brandenburg auch zukünftig unter veränderten finanziellen und demografischen Bedingungen in allen Landesteilen eine leistungsfähige und bürgernahe Verwaltung haben wird.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich die Landesregierung gerade nicht als beratungsresistent herausgestellt hat, sondern auf die herbe Kritik am Referentenentwurf aus den Kreisen und kreisfreien Städten substantiell reagiert hat. Es wurden Änderungen vorgenommen, die auch von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vehement eingefordert worden sind. Statt 14 Landkreise und 4 kreisfreie Städte soll es zukünftig 11 Landkreise und mit der Landeshauptstadt Potsdam nur noch 1 kreisfreie Stadt geben. Der große Lausitzkreis ist genauso vom Tisch wie die Zusammenlegung der wirtschaftsstarken Landkreise Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald. Somit reden wir in den nächsten Wochen neben der Einkreisung der kreisfreien Städte Brandenburg/Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder) über die lange avisierte Fusion der Landkreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin, von Uckermark und Barnim und jetzt von Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz. Damit hat sich die Landesregierung zu einer Kreisgebietsreform light entschieden, denn auch in dieser neuen Struktur wird es 3 Landkreise geben, die 2030 nicht über die im Leitbild bestimmte Regeleinwohnerzahl von mindestens 175.000 EinwohnerInnen verfügen – neben den bestehen bleibenden Landkreisen Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald gilt dies auch für den neuen Prignitzkreis. Auch wird dieser genauso wie die beiden neuen Landkreise im Süden nicht dem Sektoralkreisprinzip entsprechend Anteil am Berliner Umland haben und somit Schwierigkeiten haben, Ungleichgewichte innerhalb des Kreises eigenständig auszugleichen.

Schon jetzt gibt es Stimmen, die die Reform als nicht weitgehend genug erachten. Komplexe Reformprozesse im Verwaltungsbereich unterliegen aber unterschiedlichen Rationalitäten. Politische Kompromisse werden selten bejubelt, sind aber notwendig. Nur die, die alles ablehnen, sind von der Zumutung der Konsensbildung befreit.

Umso wichtiger ist es, die Reform finanziell gut abzufedern und auch eine Lösung insb. für die hochverschuldeten Kommunen zu finden. Es ist sinnvoll, dass die Teilentschuldung vollständig vom Land übernommen wird und nicht von den Kommunen durch einen Griff in die Finanzausgleichsmasse mitfinanziert werden soll. Wir finden aber, dass das Land perspektivisch eine Gesamtentschuldung der kommunalen Ebene anstreben muss. Das kann dann nicht nur für die hochverschuldeten drei kreisfreien Städte gelten, sondern muss auch für andere Städte und Gemeinden möglich sein. Es wäre schon erklärungsbedürftig, wenn das Land einen großen Teil der Schulden von Cottbus übernimmt, aber dass die Stadt Forst, die auch hoch verschuldet ist und demnächst im gleichen Landkreis wie Cottbus liegen soll, keine Schuldenerleichterung bekommt. Das gleiche gilt für Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt. Zu dieser Thematik legen wir Ihnen schon heute einen Änderungsantrag zu Paragraf 65 Kreisneugliederungsgesetz vor.

Ein besonderes Augenmerk möchte ich auch auf den Paragraf 21 lenken. Dort soll festgelegt werden, dass die erste Landratswahl in den neu zu bildenden Landkreisen nicht direkt durch die Bürger*innen im Landkreis erfolgen soll, sondern durch den neu gewählten Kreistag. Herr Innenminister, ich weiß ja, dass Sie kein Freund der Direktwahl der Ländrät*innen sind, aber derart dreist die hart erkämpfte Direktwahl einzuschränken, wird auf unseren erbitterten Widerstand treffen. Es wäre geradezu ein Fehlstart für die neuen Landkreise, wenn die Bürger*innen ihre Landrätin oder ihren Landrat nicht direkt wählen könnten. Es wäre auch nicht verständlich, denn mit der Einführung der brandenburgischen Amtsgemeinde mit direkt gewählten Amtsgemeindebürgermeistern, wäre ja auch eine Direktwahl verbunden und vielerorts notwendig. Wir haben eine in unseren Augen berechtigte Reform der Verwaltungsstrukturen immer flankieren wollen mit einem Zugewinn an demokratischen Teilhabemöglichkeiten. Das Aussetzen von Direktwahlen ist das Gegenteil davon.

Darüber hinaus mahnen wir die Umsetzung des Entschließungsantrages vom Juli letzten Jahres an mit einer Verbesserung der Bedingungen für ehrenamtliche Kreistagsabgeordnete, den Ausbau direktdemokratischer Verfahren in den Kommunen und der Verankerung von Kinder- und Jugendbeteiligung in der Kommunalverfassung.

Anrede

Nicht wiederzuerkennen ist das, was uns die Landesregierung als Funktionalreformgesetz vorgelegt hat. 22 Aufgaben sah das Leitbild noch zur Verlagerung auf die kommunale Ebene, im wesentlich auf die Landkreisebene, vor. Wir Bündnisgrünen haben immer gesagt, dass die Kommunalisierung von Aufgaben kein Selbstzweck sein kann, sondern gut begründet sein muss. Die Sicherstellung von Fachlichkeit hatte für uns oberste Priorität. Deshalb haben wir insb. gegen die Übertragung der Aufgaben im Bereich des Natur- und Artenschutzes, des technischen Immissionsschutzes, der Heimaufsicht und des Denkmalschutzes gekämpft. Auch den Vorschlag, das Landesamt für Versorgung und Soziales in einen kommunalen Sozialverband zu überführen, haben wir sehr kritisch gesehen. Das und noch einiges mehr ist jetzt vom Tisch. Von den 22 Aufgaben des Leitbilds sind noch 5 Aufgaben übrig geblieben, von denen lediglich die Übertragung der hoheitlichen Aufgaben im Forstbereich mit dem Übergang einer erheblichen Mitarbeiterzahl vom Landesforstbetrieb auf die Landkreise verbunden sein wird. Als interessante Option sehen wir die Übertragung der Aufgaben für die Entwicklung des ländlichen Raumes nebst Fördermitteln ab der nächsten EU-Förderperiode an. Dies würde einen wirklich relevanten Zuwachs an Aufgaben untersetzt mit hohen Budgets für die Kommunen bedeuten. Für uns Bündnisgrünen hat die qualitativ hochwertige Aufgabenwahrnehmung gerade bei hochspezialisierten Aufgaben immer Priorität gehabt. Auch dem falschen Axiom, dass nur eine umfängliche Funktionalreform begründend für notwendige Anpassungsprozesse sei, sind wir nie gefolgt. Allerdings sehen wir es als notwendig an, in der nächsten Wahlperiode die Funktionalreform II, die Aufgabenübertragung von den gestärkten Kreisen auf die Kommunen näher zu beleuchten.

Anrede

Parallel zur Diskussion über diese Gesetzentwürfe in den Ausschüssen wird das Volksbegehren „Kreisreform stoppen“ laufen und bis Ende Februar nächsten Jahres Unterschriften sammeln. Für uns ist die direkte Demokratie eine willkommene Ergänzung der repräsentativen Demokratie. Aber es ist auch normal, dass ein Parlament seine Arbeit macht und einen Gesetzgebungsprozess voranbringt, und nicht erst abwartet, bis ein dreistufiges und mitunter jahrelang dauerndes Verfahren der Volksgesetzgebung abgeschlossen ist.

Der Antrag von BVB/Freie Wähler zielt zum wiederholten Mal darauf ab, die Ziele der Volksinitiative zu beschließen. Dies haben wir hier mehrfach abgelehnt und werden es auch heute tun. Wir haben - im Unterschied zur Landesregierung - aber auch deutlich gemacht, dass wir das Ergebnis eines Volksentscheides akzeptieren werden. Käme es bei einem möglichen Volksentscheid im Frühsommer 2018 tatsächlich zum Nein, wäre das Projekt abzublasen.

Bis wir aber so weit sind, erwarten die Menschen von uns, dass wir unsere Arbeit tun. Dies werden wir Bündnisgrünen – wie Sie es gewohnt sind – kritisch und konstruktiv machen. Auf weitere Änderungsanträge von uns im parlamentarischen Verfahren können Sie sich jetzt schon einstellen.

>> Änderungsantrag zum Gesetz zur Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte im Land Brandenburg und zur Änderung anderer Gesetze (pdf-Datei)

Der Änderungsantrag wurde in den Ausschuss überwiesen.