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Marie Luise von Halem spricht zum gemeinsamen Antrag mit der CDU-Fraktion „Sorbisch muss erhalten bleiben“

>> Antrag: Sorbisch muss erhalten bleiben (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

[Anrede]

Ja, was wir hier gemacht haben, ist ungewöhnlich: Einen Antrag einzureichen, der auf einen Referentenentwurf aus dem Ministerium reagiert. Nur: Dieser Entwurf konterkariert in so eklatanter Weise den Anspruch des Sorben/Wenden-Gesetzes, § 10, Kindern und Jugendlichen im angestammten Siedlungsgebiet die Möglichkeit zu geben, die niedersorbische Sprache zu erlernen. Das war so nicht hinnehmbar!

Der berechtigte Protest der Sorben und Wenden ist schon seit vielen Wochen deutlich. Längst hätte das Ministerium diese Verordnung in Gänze zurück holen und den Sorben/Wenden zusichern können, dass es keine Einschnitte beim Sprachunterricht und der Förderung der Sprache allgemein geben werde. Das ist nicht geschehen. In den letzten Wochen nicht und auch nicht durch den Entschließungsantrag, den die Koalition jetzt – immerhin volle 24 h vor der Plenarbefassung! – vorgelegt hat.

Wir fordern in unserem Antrag eine Verordnung, die „die Strukturen der sorbisch/wendischen Sprachpflege und Sprachförderung ... mindestens bewahrt“, wir fordern, dass es keinen Abbau von Lerngruppen gibt und dass „dem Ziel der Bewahrung, Förderung und Weiterentwicklung der Sprache Rechnung [ge]tragen“ wird. Das ist zwar nicht so kleinteilig wie der Entschließungsantrag der Koalition, setzt aber einen viel klareren Rahmen!

Wie lange und intensiv haben wir in der letzten Legislaturperiode um die Neufassung des Sorben/Wenden-Gesetzes gestritten. Wie eindringlich hat damals (Nov. 2011) der Jura-Professor Stefan Oeter, der frühere Präsident des Expertenkommittees der Europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen, dem Land Brandenburg „gravierende Umsetzungsdefizite im Blick auf die Charta“ vorgeworfen. Wie eindringlich hat er uns damals davon zu überzeugen versucht, dass wir nicht die Entscheidung über die Zugehörigkeit zum sorbischen Siedlungsgebiet in die Hände der Mehrheiten auf der kommunalen Ebene legen dürften. Weil wir es damit ermöglichen, dass die Mehrheit vor Ort über die Minderheit entscheidet. Das würfe, so formulierte er es damals in seiner Stellungnahme, „unter völkerrechtlichen Rahmenvorgaben erhebliche Schwierigkeiten auf“. Die rot-rote Koalition hat das trotzdem so gewollt, übrigens gegen nicht nur unseren Widerstand.

Er hat uns damals auch aufgegeben, im § 10, Abs. 1 des SWG „auch ein Recht auf (pädagogisch angepasste) Modelle bilingualer Schulerziehung und auf außerunterrichtliche Angebote in sorbischer Sprache“ einzuräumen. Auch diese Erweiterung der Rechte der Sorben/Wenden, die sich nach seinen Worten übrigens auch auf die Gebiete außerhalb des angestammten Siedlungsgebietes beziehen müssten und die sich aus der europäichen Charta ergäben, hat die rot-rote Koalition damals abgelehnt.

Prof. Oeter bemängelte übrigens auch auch, dass Brandenburg die Ausbildung von Lehrkräften ausgelagert hat, genauso wie die Tatsache, dass es für Fachlehrer*innen, die dazu befähigt sind, Sachfächer in sorbischer Sprache zu lehren, keinerlei Ausbildungsangebote gibt.

Allgemein sagte er zur Bildung, damals: „Neben durchaus guten Ansätzen findet sich gesamthaft eine deutliche Zögerlichkeit in der Unterstützung und Förderung der niedersorbischen Sprache im Schulwesen. Vieles versandet im Ressourcenmangel, erfolgversprechende Ansätze werden abgebrochen (wie vor Jahren etwa bei der Lehrerausbildung). Ist das in der Frage formulierte Ziel ernsthaft gemeint [nämlich, dass sorbisch/wendische Kultur und Sprache in der Lausitz gelebt werden könne und sich mehr Menschen mit ihren sorbisch/wendischen Wurzeln identifizierten, Anm. MLH], so würde man sich deutlich entschiedenere Bemühungen im Bildungswesen erwarten.“

Das waren die kritischen Worte des Experten für die Europäische Charta für Minderheitensprachen, wohlgemerkt: von vor fünf Jahren, als von dem hier in Rede stehenden Referentenentwurf noch nichts zu ahnen war.

Schon dass das Ministerium überhaupt zugelassen hat, dass dieser Referentenentwurf an die Öffentlichkeit gelangt, wäre eine Debatte im Landtag wert gewesen. Was wäre wohl passiert, wenn wir diesen Antrag jetzt nicht eingebracht hätten? Würde die SPD weiter durch die kalte Küche den Sorben & Wenden die entscheidenden Rechte entziehen, um die wir so lange gerungen haben und die ihnen viel zu lange vorenthalten wurden? (Übrigens nebenbei: Die Sorben waren vor uns hier. Wir Germanen sind hier diejenigen mit Migrationshintergrund!)

Wir werden den Entschließungantrag der Koalition ablehnen. Im Ausschuss war unser Antrag noch mit der Begründung abgelehnt worden, die Koalition wolle eine echte Verbesserung über unsere Forderungen hinaus, aber die kann ich hier nicht erkennen. Die in Aussicht gestellten Möglichkeiten für die Witaj-Kinder sind völlig unkonkret, die „Orientierung am sächsischen Modell“ bei der Bildung von Lerngruppen sagt gar nichts aus, „orientieren“ ist dehnbar, wie wir alle wissen. Die Begrenzung des jahrgangsübergreifenden Unterrichtes auf „möglichst zwei“ Jahrgangsstufen kann im Extremfall auch vier bedeuten, die Schaffung von Regelungen zur Qualifizierung von Lehrkräften verbleibt auch völlig im Nebel.

Was entscheidend im Beschlusstext fehlt, ist, dass es künftig möglichst eine Verbesserung, aber zumindest keine Schlechterstellung gegenüber dem Status Quo geben darf. Das fehlt.

Selbstverständlich muss die neue Sorben/Wenden-Schulverordnung zukunftsweisend sein, sie muss langfristig und nachhaltig bestandssichernd für den Spracherhalt der Kinder des sorbischen Volkes sein! Als BündnisGrüne sage ich: Das ist wertvolle kulturelle Biodiversität. Die Sorben & Wenden dürfen ihre Stimme nicht verlieren!

Der Antrag wurde abgelehnt.

Der Entschließungsantrag wurde angenommen.