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Benjamin Raschke spricht zum Gesetzentwurf der Landesregierung „Drittes Gesetz zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften“

Vielen Dank! Herr Präsident! Werte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist nach 18 Uhr, und die Luft war ja heute Morgen nach der Generaldebatte schon raus. Weil die Konzentration bei einigen jetzt weg ist, habe ich mir eine kleine Hilfestellung ausgedacht. Wenn man ehrlich ist, besteht ja jede Rede nur aus wenigen Stichworten. Ich nenne Ihnen jetzt die fünf, sechs Stichworte, um die es in dieser Rede, und beim Rest können Sie vielleicht weghören.

Die Stichworte sind erstens: Rätsel, zweitens und drittens: Gewässerrandstreifen und Tagebaue, viertens: schlechtes Gesetz, fünftens: Jörg Vogelsänger und sechstens: Hoffnung.

(Bretz [CDU]: Sechstens passt da nicht rein. Da ist ein Bruch drin!)

Stichwort eins, Rätsel: Vor dem stehe ich. Wir haben gerade schon gehört, wie lange daran gearbeitet wurde, wie viele kluge Menschen monatelang an diesem Gesetz gearbeitet und ich muss sagen, durch die Bank weg richtig gute Arbeit gemacht haben. Wir haben gerade auch von Anke Schwarzenberg gehört, wie viel Herzblut teil-weise darin steckte. Auch von mir ergeht der Dank an die Kollegen aus dem Ausschussdienst bzw. die Landtagsverwaltung, die uns parallel zur Verwaltungsstrukturreform einen unglaublichen Anhörungsprozess organisiert hat, an die Expertinnen und Experten die im Ausschuss hochkarätige Vorträge gehalten und uns wirklich bereichert haben, an den Parlamentarischen Beratungsdienst, den wir mehrfach gebeten haben und der uns mehrfach beraten hat ja, aus der Patsche helfen musste, sowie an die Verbände, einerseits unter Führung des Forums Natur die Landnutzerverbände, die versucht haben, ihre Interessen durchzusetzen, und andererseits an die Umweltverbände, die eigene Fachgespräche geführt haben und vor dem Landtag mit Bildaktionen auftraten, um zu zeigen, dass es um den Schutz des Wassers geht. Es haben also wirklich viele Leute richtig gute Arbeit gemacht. Ein Dankeschön von mir! Und trotzdem stehe ich vor dem Rätsel, wie es dann zu so einem Gesetzentwurf kommen konnte.

Denn entgegen meiner Hoffnung am Anfang bin ich nun wieder in der unangenehmen Rolle, sagen zu müssen: Das ist ein schlechter Gesetzentwurf. Irgendetwas ist da gehörig schiefgegangen. Ich habe da meine Vermutungen, aber das später.

Aber erst einmal zu der Frage: Was ist denn daran schlecht? Ich kann mich da vielem anschließen, was Kollege Dombrowski sagte. Wenn wir uns einmal die Ziele, die damit verfolgt wurden, angucken - die Ziele haben wir fast alle gemeinsam; sie wurden in der letzten Legislaturperiode erarbeitet, Kollege Roick hat aus dem Koalitionsvertrag zitiert -‚ können wir konstatieren: Es geht um eine gerechte Verteilung der Kosten, die Herstellung eines lnteressensausgleichs und die stärkere Berücksichtigung des Verursacherprinzips. Diese Ziele haben wir verfehlt. Und nicht nur das, wir sind an einigen Stellen mit diesem Gesetzentwurf sogar noch schlechter dran als mit dem bisher geltenden Wassergesetz.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Gehen wir's durch: Gerechtere Verteilung der Kosten. Kollege Roick hat zu Recht ausgeführt, es soll jetzt endlich eingeführt werden, dass versiegelte Flächen stärker belastet werden als Ackerflächen und die wiederum stärker als der Forst. Endlich! Gott sei Dank; das fordern wir Grünen schon seit langem. Das ist richtig gut. Aber wir kaufen hier die Katze im Sack. Wir haben schon gehört: Wir haben uns im Ausschuss nicht getraut, zu entscheiden, wie stark dann die unterschiedliche Belastung sein soll.

Das geben wir jetzt ans Ministerium ab; der Minister soll eine Verordnung erarbeiten. Aber ob dabei etwas Ökologisches herauskommt, daran habe ich so meine Zweifel.

Vor allem aber ist das aus meiner Sicht ein Nebenschauplatz; denn wenn wir über die gerechte Verteilung von Kosten reden, dann müssen wir auch darüber reden, warum die größten Entnehmer von Wasser in Brandenburg - die Tagebaue - nur symbolische, fast nicht relevante Preise zahlen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Sie zahlen symbolische 0,06 Cent. Alle anderen sollen in Zukunft 11,5 Cent bezahlen. Da müssen wir über Gerechtigkeit reden.

Die Referentin unserer Fraktion war so freundlich, uns das einmal auszurechnen. Würde man auf das Wasser, das die Tagebaue pro Jahr entnehmen, den vollen Preis ansetzen, kämen im Jahr 25 Millionen Euro zusammen - 25 Millionen Euro! Wir haben vorhin gehört: Alle anderen Land- und Wassernutzer zahlen zusammen 20 Millionen Euro. Das heißt, es käme noch einmal mehr als die gleiche Summe obendrauf.

Diese 25 Millionen Euro werden ungerechtfertigterweise nicht erhoben und fehlen uns - Stichwort: Verursacherprinzip - für den Schutz der Gewässer. Denn wir wissen: Den Gewässern in Brandenburg geht es schlecht. Ich erinnere an die Zahl: Nur 6 % der Fließgewässer in Brandenburg sind in einem ökologisch guten Zustand - nur 6 %. Das heißt, 94 % sind nicht in einem ökologisch guten Zustand; die werden unter anderem durch Tagebaue - klare Spree, braune Spree -‚ Sulfate - das Thema hatten wir heute Morgen schon -‚ aber auch durch Nitrate und Pestizide aus der Landwirtschaft belastet. Was hier helfen würde - und auch da ist der Gesetzentwurf leider schlechter -‚ sind Gewässerrandstreifen links und rechts von unseren Flüssen oder Fließen, die dafür sorgen, dass Nitrate und Pestizide nicht mehr in die Gewässer hineingeschwemmt werden können und sie dadurch belasten.

Anke Schwarzenberg hat ausgeführt, wie unglaublich bürokratisch und aufwendig das freiwillige Verfahren ist, das eingeführt werden soll. Es wird aus meiner Sicht nicht dazu führen, dass ein einziger Kilometer Gewässerrandstreifen zusätzlich ein-geführt wird, geschweige denn dazu, dass die irgendetwas helfen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Letzter Check zu den Zielen: Wird dieses Gesetz dazu beitragen, den Streit vor den Verwaltungsgerichten zu beenden, den Streit, der unsere Verwaltungsgerichte teil-weise lahmgelegt und unsere Kommunen in Zwangslagen gebracht hat? Der Vizepräsident hat es ausgeführt: Ganz im Gegenteil. Das Gesetz, das heute verabschiedet werden soll, wird eine neue Klagewelle mit sich bringen, und wir werden ganz von vorn anfangen und eher neue Verwaltungsrichter einstellen müssen, um allein dieses Gesetz behandeln zu können.

(Beifall der Abgeordneten Hoffmann und Bretz [CDU])

Fazit: Wir haben unsere Ziele nicht nur verfehlt, sondern dieser Gesetzentwurf ist in einigen Teilen sogar noch schlechter als das bestehende Gesetz, und das, obwohl wirklich fast alle Beteiligten richtig gute, intensive Arbeit geleistet haben.

Da stehe ich vor einem Rätsel. Ich bin ja Politologe und habe mich erst gefragt: Ist das parlamentarische System hier irgendwie kaputtgegangen? Was ist hier schiefgegangen? Am Ende habe ich ein paar Vermutungen, die mich etwas beruhigt haben, weil ich glaube, dass Sondereffekte eingetreten sind.

Was sind das für Sondereffekte? Ich bin auf drei gekommen - vielleicht haben Sie noch mehr identifiziert -: Erstens, im Zweifel ist selbstverständlich immer der Minister schuld. Und an dieser Stelle ist es tatsächlich so. Wir haben es gehört: Der Minister hat einen Entwurf vorgelegt, der so schlecht war, dass er nicht nur von sämtlichen Verbänden - von Umweltverbänden und Landnutzerverbänden -‚ sondern sogar aus der Fraktion der SPD und der Fraktion der Linken Kritik bekommen hat. Damit hatten wir einen extrem schlechten Start, und damit war sozusagen die Führung, die es braucht, um diesen Prozess zu gestalten, von Anfang an nicht vorhanden.

Zweitens - auch dadurch bedingt - haben wir uns als Parlament dieses Verfahren fast aus der Hand nehmen lassen. Ich habe wirklich großen Respekt vor dem, was Gregor Beyer da aufgezogen hat; das ist Lobbyismus auf einer neuen Stufe, auch wenn es mir inhaltlich nicht gefällt. Aber damit werden wir in Zukunft rechnen müssen. Wir haben hier bis zur letzten Rede gehört, wie sich das durchgezogen hat und wie schwierig es war, dafür zu sorgen, dass wir als Gesetzgeber das überhaupt noch in der Hand behalten und nicht der Verbändeentwurf am Ende alles dominiert. Damit werden wir auch in Zukunft rechnen müssen.

Der dritte Grund, warum das hier deutlich schiefgelaufen ist, ist die Kreisgebietsreform. Das hat aus meiner Sicht wiederum zwei Gründe: Erstens hat sie in der Umweltverwaltung richtig Kräfte gebündelt. Das Umweltministerium musste viele Dinge, die kommunalisiert werden sollten, und die entsprechenden Begründungen parallel durchdeklinieren. Das hat Kraft gekostet. Vor allem aber kam etwas anderes hinzu: Angst. Ich habe im Ausschuss mit Erschrecken beobachtet, wie plötzlich zunehmend Angst Einzug hielt: „Oh, wir legen uns mit dem Städte- und Gemeindebund an „Oh, wir können das nicht machen; das wird vor das Verfassungsgericht gezogen - Angst ist ein extrem schlechter Ratgeber und hat uns bei der Befassung mit diesem Gesetzentwurf in die Irre geführt.

Das Ganze ist also, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine traurige Geschichte. Aber da muss es nicht enden. Ich hatte Ihnen noch ein Stichwort versprochen, nämlich Hoffnung - und die ist bekanntermaßen grün.

(Lachen und Beifall der Abgeordneten Nonnemacher [B9O/GRÜNE])

Wir haben einen Änderungsantrag vorgelegt. Sie können jetzt noch zustimmen und dafür sorgen, dass die wesentlichen Fehler dieses Gesetzentwurfs ausgebügelt wer-den, dass die größten Wasserentnehmer in Brandenburg - die Tagebaue - die 25 Millionen Euro zahlen müssen, dass wir dieses Geld für den Schutz unserer Ge-wässer verwenden können und Gewässerrandstreifen bekommen, die auch etwas bringen. Dafür werbe ich um Ihre Zustimmung.

- Herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vizepräsident Dombrowski:

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Minister Vogelsänger.

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Herr Minister, Sie sagten gerade, 8 % Mehreinnahmen beim Gewässerentgelt seien ein großer Schritt. Aus meiner Sicht ist das Kleckerkram.

25 Millionen Euro könnten wir einnehmen, wenn wir die Tagebaue voll belasten. Wissen Sie, wie es in NRW gehandhabt wird? Da ist es tatsächlich so, dass die Tage-baue den vollen Beitrag zahlen. RWE hat dagegen geklagt und vorm OVG Münster verloren. Die müssen den vollen Beitrag zahlen. Das geht schon, es ist nur politischer Wille gefragt.