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Axel Vogel spricht zur Aktuellen Stunde „BEReit? - Wie belastbar wird der neue Eröffnungstermin sein?“

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!

Herbst 2020 oder Frühjahr 2021: Wieder einmal wird der Ankündigung eines Eröffnungstermins am BER entgegengefiebert. Wir Grünen fiebern nicht mehr mit.

Seit Jahren verantworten alle Beteiligten eine irrwitzige Fremd- und Selbsttäuschung, indem sie immer wieder behaupteten, die Fertigstellung des Terminals sei nur eine Frage der Zeit und des Geldes; alles sei auf dem richtigen Weg, und am Ende werde alles gut. In Wahrheit wurde nur ein immer größeres Lügengebäude errichtet. Wowereit, Platzeck, Prof. Schwarz, Mehdorn, Mühlenfeld, jetzt Lütke Daldrup: Während das Namenskarussell sich immer weiter drehte, blieb nur der Zahlmeister immer derselbe - der Steuerzahler.

Es gibt für uns inzwischen keinerlei Grund mehr, darauf zu vertrauen, dass die FBB-Mannschaft die komplexen technischen Systeme dieser Baustelle noch unter Kontrolle bekommt. Ob die unterschiedlichen Komponenten der Sicherheitssysteme jemals zueinanderpassen und das Gebäude insgesamt abnahmefähig sein wird, ist so offen wie vor fünf Jahren.

Auf gezielte Fragen zum Stand des Projektes reagiert die FBB mit dem Hinweis auf Verschwiegenheitsverpflichtungen, die mit den Brandschutzanlagen betrauten Firmen sind für den Sonderausschuss nicht zu sprechen, immer noch fehlen wesentliche Planungen und Prüfungen, und es fehlt ein gesamtverantwortlicher Objektplaner.

Aus dem ursprünglich geplanten und genehmigten lichtdurchfluteten repräsentativen Hauptterminal wurde mit dem Einbau eines zusätzlichen Zwischengeschosses ein mit Läden vollgestopftes und von langen Fluren durchzogenes Gebäude an den Bestimmungen der Berliner Bauordnung vorbei errichtet, ein Gebäude, für das bis heute keine Baugenehmigung existiert. Statt hoher Decken und freier Fluchtwege nun inzwischen 3000 innenliegende Räume, Korridore teils in klaustrophobischer Enge, bis an den Rand mit Kabeln, Leitungstrassen und Röhren gefüllte Abzugsschächte, in denen die Brandschutzstandards durch immer aufwendigere und damit auch für Versagen anfällige elektronisch gesteuerte Technik gewährleistet werden soll.

Alles muss am Ende störungsfrei zusammenspielen. Da alle Anlagen miteinander verzahnt und vernetzt sind, kann auch keine Anlage unabhängig geprüft und in Betrieb genommen werden. Die gesamte Technik muss am Ende in einem Stück geprüft und abgenommen werden. Und das sollen wir glauben, dass das klappt?

Das Terminal wäre bei einer Eröffnung 2010 ein hochmodernes Gebäude nach dem damaligen Stand der Technik gewesen. Heute ist die eingebaute Technik veraltet, die Gewährleistungsfristen für die bis 2012 fertig gestellten Anlagen sind längst abgelaufen. - Herr Wiese, das ist der Punkt, warum schwarz angemalt wurde: Alles, was schwarz angemalt ist im Gebäude, bedeutet, hierfür sind die Gewährleistungsfristen abgelaufen, für alles, was weiß angemalt ist, bestehen sie noch.

Die damals eingebaute IT hat bei Eröffnung bestenfalls noch musealen Charakter, und in naher Zukunft wird dann auch die jetzt sündhaft teuer entwickelte Steuerungssoftware für den hochkomplexen Brandschutz veraltet sein.

Das Geld der FBB reicht definitiv nicht bis zur Inbetriebnahme des Terminals - völlig egal, ob 2020, 2021, 2022. Der Termin, den der Geschäftsführer nennen wird, steht also unter Finanzierungsvorbehalt. Wir müssen daher sowieso grundsätzlich darüber nachdenken, wie es mit der FBB weiter gehen kann.

Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie ausspricht, was hinter vorgehaltener Hand Politiker aller Parteien längst sagen: Das Großprojekt BER ist in seiner jetzigen Form gescheitert.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und AfD)

Jetzt muss innegehalten und umgedacht werden, es muss ein alternatives Konzept für den Flughafenstandort Schönefeld auf den Tisch, wir brauchen bereits jetzt einen Plan B für die Inbetriebnahme des BER und nicht erst nach der nächsten Landtagswahl.

Es geht nicht darum, einen Schuldigen zu finden, den es sowieso nicht gibt. Die Unfähigkeit der Baufirmen, der Flughafengesellschaft und der sie beaufsichtigenden Anteilseigner, das BER-Hauptterminal fertigzustellen, ist ein deprimierendes Zeugnis eines systematischen bzw. eines systemischen Versagens und nicht das Versagen eines Einzelnen.

Wir brauchen daher einen klaren Cut bei der Flughafengesellschaft - nicht nur auf der Baustelle. Es muss jetzt Aufgabe der Anteilseigner sein, zügig neue Strukturen und Verantwortlichkeiten zu schaffen. Ziel muss sein, in Schönefeld - unabhängig vom Hauptterminal - schnell und kostengünstig funktionstüchtige Abfertigungskapazitäten zu errichten. Dabei kann man sich an praktikablen Lösungen orientieren, wie sie überall auf der Welt gut funktionieren. Am Ende ist doch auch ein Flughafen nur ein Funktionsgebäude.

Wir brauchen in der Tat eine tabulose Prüfung von Entkernung und Baufertigstellung des Hauptterminals in einer der Baugenehmigung entsprechenden Ausführung ohne Zwischengeschoss. Im Extremfall kann am Ende auch der Abriss des Gebäudes und die völlige Neubeplanung durch einen Generalauftragnehmer stehen.

Ich komme zum Schluss. Wir brauchen keinen High-End-Flughafen. Brandenburg braucht als wachsende Metropolregion funktionierende Infrastrukturen und ein nachhaltiges Mobilitätskonzept. In der aktuellen Situation kann man nicht einfach weitermachen wie bisher, Herr Barthel. Politische Forderungen nach Transparenz, nach Kostenbegrenzung, nach Master- und Businessplänen reichen nicht mehr. Das Projekt muss insgesamt auf den Prüfstand. Auch das bislang Undenkbare muss gedacht werden. Als Abgeordnete dürfen wir uns nicht länger auf die schönfärberischen Planungen der FBB verlassen, sondern wir müssen einen radikalen Neubeginn wagen. - Recht herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und AfD)

Vogel (B90/Grüne):

Ich möchte nur noch einmal klarstellen, Herr Bretschneider: Wenn wir über den BER reden, reden wir zunächst einmal scheinbar über das Gesamtvorhaben Flughafen. Aber tatsächlich wissen wir alle: Es gibt eine funktionsfähige Startbahn, ja sogar zwei, es gibt einen funktionsfähigen Tower, und es gibt ab und zu einmal eine umstrittene Internationale Luftfahrtausstellung. Es funktioniert ja vieles an diesem Standort, und von Schönefeld aus können auch die Start- und Landebahnen bedient werden.

Dreh- und Angelpunkt ist jedoch die Fertigstellung des Terminals. Die Anbindeprobleme sind angesprochen worden. Solange das Terminal nicht eröffnet ist, haben wir eben Kosten. Wir haben es soeben ausgerechnet: Wenn wir etwa 360 Millionen Euro Kosten im Jahr haben, ungefähr hälftig verteilt auf Stillstandskosten und Einnahmeverluste, dann haben lhrer Rede jetzt ungefähr 7.000 Euro Kosten am Flughafen entsprochen - nur einmal, um sich die Dimension deutlichen zu machen, - also 3.500 Euro Stillstandskosten und 3.500 Euro Einnahmeverluste, weil der Flughafen noch nicht eröffnet ist.

Daher stellt sich schon die Frage - dazu habe ich nichts so richtig gehört -‚ ob Sie
denn einen Plan B haben,

(Beifall B90/GRÜNE, CDU sowie AfD)

an dem Sie arbeiten, ob Sie jetzt tatsächlich alles daran setzen, dass dieses Flughafenterminal 2020 oder 2021 eröffnet wird, oder ob Sie jetzt schon auch in die Planung gehen, was passiert, wenn die Gesamtabnahme des Terminals nicht möglich ist. An diesem Flughafen hat ja bisher einiges nicht geklappt. Ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass genau dieses komplexe Vorhaben an dieser Stelle perfekt funktioniert. - Recht herzlichen Dank.