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Michael Jungclaus spricht zum Antrag von SPD und DIE LINKE „Zum 25-jährigen Jubiläum des 'Vertrgas zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit' vom 17. Juni 1991"

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

der am 17. Juni 1991 unterzeichnete Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen hat mit dazu beigetragen die Spaltung und Feindschaft zwischen den beiden Ländern zu überwinden. Dieser Vertrag über gute Nachbarschaft und freundliche Zusammenarbeit ist bis heute die Grundlage für den intensiven politischen Dialog und die vielfältigen gesellschaftlichen Kooperationen. Insbesondere für Brandenburg hat der Prozess der Aussöhnung und Annäherung in den vergangenen Jahren die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenarbeit verfestigt und intensiviert. So gibt es derzeit 261 brandenburgisch-polnische Schulkooperationen und mehr als 80 kommunale Partnerschaften - einige schon seit den 70-er Jahren. Dafür an dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle beteiligten Akteure.

Dies alles dürfen wir jedoch nicht als selbstverständlich ansehen, sondern müssen auch zukünftig dafür sorgen, dass wir gemeinsam die europäischen Werte bewahren und stärken.

Viele der Punkte die im Antrag von SPD und LINKE aufgeführt werden - wie die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die gemeinsame Verbraucherberatung, die polizeiliche Kooperation oder der Jugendaustausch - sind bereits heute etablierte Bausteine in der guten nachbarschaftlichen Zusammenarbeit. Diese Erfolgsgeschichte müssen wir in den kommenden Jahren weiter fortschreiben und an manchen Stellen gegebenenfalls auch nachsteuern. Zu nennen sei hier unter anderem der energiepolitische Dialog, die Bereiche Landwirtschaft und Umweltschutz sowie der grenzüberschreitende Nah- und Fernverkehr.

Trotz Positiv-Beispiele wie dem Kulturzug von Berlin-Wrocław oder der Direktverbindung Zielona Gora (Grünberg) über Frankfurt (Oder) nach Berlin, kommt der Ausbau der Zugverbindungen zwischen Deutschland und Polen nur zögerlich voran. Wir brauchen daher endlich ein Gesamtkonzept für den grenzüberschreitenden Bahnverkehr.

Bedauerlich, dass diesen Bahnverbindungen im Bundesverkehrswegeplan keine besondere Bedeutung beigemessen wird. Weder die Strecke Berlin–Stettin, noch die Strecke Berlin–Wroclaw sind in der Kategorie „Vordringlicher Bedarf“ eingestuft. Die sogenannte „Ostbahn“ fehlt gänzlich. Da sehen wir dringenden Handlungsbedarf und wie im Zusammenhang mit Bahnverkehr hier ja heute Vormittag schon häufiger gesagt:

Nur an den Bund und die Deutsche Bahn zu appellieren reicht nicht!

Dass wir Bündnisgrüne die Energiepolitik Polens kritisch betrachten und hinterfragen, ist sicherlich auch keine Überraschung. Wir haben hier lange dafür gekämpft, dass wir aus der Atomenergie aussteigen und setzten uns nach wie vor dafür ein die Kohleverstromung zeitnah auslaufen zu lassen. Die geplanten Atomkraftwerke und der Ausbau der Kohle in Polen sind für die europäische Klimapolitik und die Energiewende kontraproduktiv. Wir erwarten von unserer Landesregierung und vor allem vom Koordinator für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Dietmar Woidke einen energiepolitischen Dialog, der auf eine Reduzierung der Kohleverstromung, keine neuen Atomkraftwerke und die Förderung von Erneuerbaren Energien hinzielt.

Dafür muss Brandenburg beim Thema Kohle natürlich auch mit gutem Beispiel voran gehen. Der vorliegende Antrag kommt beim Thema Energiepolitik leider mit nur einem einzigen Satz aus. Aber vielleicht geht ja der Ministerpräsident in seiner Rede darauf ein, was sie genau unter „den energiepolitischen Dialog mit Polen fortzusetzen“ verstehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die entscheidenden Punkte für das weitere Gelingen der deutsch-polnischen Zusammenarbeit sind die Intensivierung des Jungendaustausches, die Förderung von Kulturschaffenden sowie der polnischen Sprache. Denn die Sprache ist der Schlüssel für gegenseitige Verständigung. Ich selbst hätte mich ohne den schulischen Französischunterricht vermutlich nicht getraut nach der Lehre für einige Zeit in Frankreich zu arbeiten. Missen möchte ich diese Erfahrungen nicht. Und vielleicht werden meine Kinder nach Ihrer Ausbildung ja mal eine Zeit lang in Polen arbeiten. Nebenbei ist so ein Perspektivwechsel bestimmt auch eine interessante Erfahrung für Menschen die mit vermeintlich fremden Nachbarn so ihre Probleme haben.

Nur mit dem Verständnis für die Geschichte, die Lebensweise und die Sorgen unserer Nachbarn lassen sich Probleme gemeinsam lösen. Ich freue mich daher sehr darüber, dass wir in meiner Heimatgemeinde Neuenhagen bis Ende des Jahres eine deutsch-polnische Kita eröffnen werden. Auch in berlinnahen Gemeinden wird die Zusammenarbeit mit Polen künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Ich hoffe daher, dass dieses Sprachangebot dann auch in Grund- und weiterführenden Schulen weiter ausgebaut wird.

Meinen Damen und Herren,

in den vergangenen 25 Jahren ist sehr viel Positives in den Beziehungen zu unserem Nachbarn geschehen.

Aber die aktuelle Politik in Warschau gibt auch Anlass zu Sorge: Ob nun die Verfassungsänderungen, Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit von Gerichten oder die Einflussnahme auf öffentlich-rechtliche Sender.

Das Jubiläum gibt Anlass dazu, die vielen Errungenschaften in der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit zu würdigen. Es sollte aber auch Anlass sein, sich gemeinsam immer wieder erneut zu den europäischen Grundwerten zu bekennen.

Vielen Dank!