Zum Inhalt springen

Benjamin Raschke und Michael Jungclaus sprechen zum Doppelhaushalt (Einzelplan zu Justiz, VerbraucherInnenschutz und Europa)

>> Änderungsantrag zum Haushalt: Mehr StaatsanwältInnen (pdf-Datei)

Benjamin Raschke:

Frau Präsidentin, vielen Dank! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie ist das mit dem Justizhaushalt aus grüner Sicht: Was ist gut daran im Bereich Justiz? Was fehlt? Ich glaube, dazu muss man sich erst einmal überlegen, was der Unterschied zwischen grüner Rechts- und Justizpolitik und der von Rot-Rot ist. Was sind das für Vorstellungen, die sich aus unserer Sicht in solch einem Haushalt abbilden müssten? Auf Bundesebene wäre das relativ klar - beispielsweise das Thema Vorratsdatenspeicherung.

Aber wie ist das auf Landesebene? Lassen Sie uns das vielleicht kurz gemeinsam durchgehen. Erstens Gerichte: Wir als Grüne wollen, dass jeder Mann und jede Frau, egal ob arm oder reich, ob als Rentner im Kreis Elbe-Elster mit dem Nachbarschaftsstreit oder ob als Asylbewerberin in Potsdam, die abgeschoben werden soll, alle diese Fälle zügig behandelt werden und sie alle schnell Recht und Gerechtigkeit erfahren. Wir wollen, dass das auch für große und prominente Fälle gilt, dass wir nicht immer wieder erleben müssen, dass Prominente immer wieder bevorzugt behandelt werden, dass hier Deals geschlossen werden und es nicht um Gerechtigkeit geht. Wir wollen, dass dafür an den Gerichten das ganze Personal - vom Gerichtsvollzieher über den Rechtspfleger und die Richterinnen und Richter - gut ausgestattet ist. Wir wollen auch, dass in der Hälfte der Fälle der Richter eine Frau ist. Ich vermute, das wollen Sie auch und es gibt da keinen Unterschied.

Schauen wir uns einmal die Staatsanwaltschaften an: Auch hier möchten wir, dass diese gut ausgestattet sind, sie schnell ermitteln können und dass sie das auch in Bereichen können, die jetzt neu dazukommen, zum Beispiel im Bereich Hasskriminalität im Internet oder bei wachsenden Bereichen wie der rechten Gewalt. Ich sehe: Auch hier gibt es wenig Widerspruch.

Wie sieht es bei den Gefängnissen aus? Wir als BUNDNIS 90/DIE GRUNEN wollen, dass Täter nicht einfach nur weggesperrt werden, sondern dass sie mit Würde behandelt werden und mit einer Chance auf Resozialisierung. Ich weiß - das haben Sie eben betont -‚ dass Sie das auch wollen. Auch dafür brauchen wir ausreichend Personal, eine gute Führungskultur, wenig Dauerkranke und viele Nachwuchskräfte. Auch hier sehe ich keinen Widerspruch.

Insgesamt wollen wir als Grüne eine offene, eine liberale und eine moderne Justiz mit elektronischer Aktenführung, die eine gute Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern, vor allen Dingen mit Berlin, praktiziert. Kollege Stohn hat bereits angedeutet, dass er das auch will. Insgesamt trifft das zu, was der Minister im letzten Ausschuss sagte:

„Herr Raschke, Ihr Anspruch ist auch unser Anspruch!“

Das ist in der Tat so! Bei den großen Linien sind wir sehr nahe beieinander; dennoch ist das hier kein grüner Justizhaushalt. Es ist ehrlich gesagt auch kein guter rot-roter Justizhaushalt. Denn dieser Anspruch, den wir gemeinsam haben und den wir teilen, findet sich hier viel zu wenig wieder.

Kollege Eichelbaum hat es schon angedeutet: An den Gerichten und an den Staatsanwaltschaften ist es immer noch so, dass sich die Fälle stapeln. Die Altfälle nehmen nicht in dem Maße ab, wie wir es brauchen würden; teilweise wachsen sie sogar noch. Auch mit diesem Haushalt und diesem Personal wird sich daran nichts Wesentliches ändern. An den Gefängnissen und in den Justizvollzugsanstalten brauchen wir - diese Zahl wurde bereits genannt - über 1 000 Bedienstete, um die Ansprüche umzusetzen, die wir haben. Stattdessen wird jedoch gekürzt. Da helfen auch die Änderungsanträge der Koalition nicht so viel weiter, dass wir zufrieden sein können. Mit diesem Personal, das wir jetzt mit diesem Haushalt verabschieden, werden wir den Anspruch, die Gefangenen in Wohngruppen unterzubringen, nicht verwirklichen können. Wir werden auch diese sozialtherapeutische Betreuung nicht in dem Maße umsetzen können, wie wir uns das alle wünschen.

Insgesamt kann dieser Haushaltsentwurf den Anspruch nicht erfüllen. Mit ihm wird weder die Zahl der Altfälle sinken noch der Krankenstand, noch wird weder die Mitarbeiterzufriedenheit, noch steigen die Zahl der Nachwuchskräfte. Deswegen können wir nicht zufrieden sein.

Ich hätte an einen Grünen-Haushalt andere Erwartungen und ich weiß schon: Auch wir Grüne können das Geld nicht herbeizaubern. Wenn wir aber schon nicht deutlich mehr Geld haben, das wir in die Justiz fließen lassen können, dann müssen wir mit edm, was wir haben besonders sorgsam umgehen, nämlich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz. Ich wage zu behaupten, dass wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zum Teil zusam-men mit der CDU, im Rechtsausschuss richtig gute Ideen vorgelegt haben, wie man mit wenig Einsatz für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel tun kann.

Erstens zum Thema Gerichtsvollzieherin und Gerichtsvollzieher: Hierzu haben wir heute schon einiges gehört. Es ist zwar gut, dass hier erstmals wieder neue ausgebildet werden, aber wir haben erst im letzten bzw. vorletzten Plenum darüber diskutiert: Dieser Beruf ist trotzdem bald Mangelware. Dieser Beruf ist so anspruchsvoll geworden und wird so schlecht bezahlt,das geht so weit auseinander, dass sich hier ein merklicher Fachkräftemangel auftut. Unser Vorschlag als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war, die Ausbildung zu akademisiern, etwas besser zu bezahlen und schwupps wäre der Fachkräftemangel im großen Stil behoben. Das wurde aber von Ihnen abgelehnt und findet sich deswegen hier auch nicht im Haushalt.

Zweites Thema Staatsanwaltschaften: Wir haben im Rechtsausschuss gelernt, dass es Amtsanwälte gibt, die viele Aufgaben übernehmen könnten, die bisher von Staatsanwälten wahrgenommen werden. Umgekehrt ist es so, dass wir in Branden-burg viele Staatsanwälte haben, die Aufgaben übernehmen, die eigentlich Amtsanwälte erledigen sollen. Die Amtsanwälte sind an vielen Stellen dafür viel besser geeignet und - wir sind ja in einer Haushaltsdebatte - sie sind auch deutlich günstiger. Unser Vorschlag war deswegen - auch er wurde von Ihnen abgelehnt -‚ an einigen Stellen Amtsanwälte einzustellen, die die Staatsanwaltschaften mit relativ wenig Einsatz sehr stark entlasten können.

Dritter Punkt - Axel Vogel hat es vorhin schon gesagt -: Die Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister sind die Einzigen, die bisher noch nach A 4 besoldet werden. Die Ansprüche an diesen Beruf haben sich auch deutlich gesteigert. Wenn Sie sich vor Augen führen, dass eine Justizwachtmeisterin am Gericht Taschen- oder Personenkontrollen durchführen muss, und dann kommt plötzlich so ein Reichsbürger, dann brauchen Sie in diesem Fall ganz andere interkulturelle Kompetenzen als noch vor vielen Jahren.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE - Heiterkeit bei der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE])

Deswegen ist eine Höherbesoldung durchaus angebracht - auch das kostet wirklich nicht viel Geld; auch das könnte mit relativ wenig Einsatz viel bewirken.

Deswegen haben wir diesen Antrag gemeinsam mit der CDU, die sich davon hat überzeugen lassen - herzlichen Dank dafür -‚ noch einmal zur Abstimmung gestellt, und zwar stellvertretend für unsere Haltung. Für die Haltung mit wenigen, nicht teuren Maßnahmen viel für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Justiz zu tun; denn sie sind das Wichtigste, was wir haben.

Fazit: Wir müssen diesen Justizhaushalt ablehnen, aber wir werben um Zustimmung zu unserem Antrag. Herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE und vereinzelt CDU)

>> Änderungsantrag zum Haushalt: Mehr StaatsanwältInnen (pdf-Datei)

Der Änderungsantrag wurde abgelehnt.

Michael Jungclaus:

„Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste!

auch wir haben uns gemäß der Ausschussbesetzung die Redezeit aufgeteilt,

und aufgrund dieser Themenzuordnung geht es nun vor allem um Europa und Verbraucherschutz.

Zunächst aber etwas zum Thema Tierschutz: Ich möchte lobend erwähnen, dass Minister Ludwig in der letzten Ausschusssitzung deutlich klargestellt hat, dass er die Forderungen des Volksbegehrens gegen Massentierhaltung ernst nimmt.

Während sein Amtskollege im Landwirtschaftsministerium erklärtermaßen die Auffassung vertritt, der Tierschutzplan diene vor allem dem Ziel die Akzeptanz der Tierhaltung in Brandenburg zu erhöhen, erklärte Minister Ludwig auf entsprechende Nachfrage, dass es sein Ziel sei, das Tierwohl zu verbessern.

Vielen Dank für diese klaren Worte, Herr Minister.

Noch mehr gefreut hätten wir uns natürlich, wenn sich dieses Bekenntnis auch in dem Stellenplan für den Tierschutzbeauftragten ausgedrückt hätte.

Während die Koalition durchaus hier mal eine A11-Beamtenstelle für den Bereich Veterinärwesen oder da mal eben sogar eine E15-Stelle für Marktüberwachung/Chemiekaliensicherheit hinzufügt, wurde unser Antrag auf eine zusätzliche E13-Stelle für den Landesdestierschutzbeauftragten mit der Begründung abgelehnt, es genüge hier eine Sachbearbeiterstelle.

Wie dies bei dem umfangreichen und anspruchsvollen Aufgabenbereich des Tierschutzbeauftragten funktionieren soll, konnten sie nicht darlegen und ich hoffe daher, dass sie hier noch entsprechend nachsteuern.

Im Bereich Europa zunächst auch erst einmal ein Lob:

Für uns bedeutet Europa vor allem Frieden, Freiheit, Menschenrechte und demokratische Werte – wir sind Europäer aus Überzeugung und deshalb freuen wir uns über Stellenneuzugängen für den Europabereich, z. B. bei INTERREG, bei der deutsch-polnischen Zusammenarbeit oder der Verstärkung von Förderung der europäischen Integration und europapolitischen Kommunikation.

Auch den Ausbau der Partnerschaftsbeauftragten in unseren Partnerregionen, finden wir dem Grunde nach richtig und wichtig. Besonders nach der langen Zitterpartie bezüglich der Fortführung dieses Instruments.

Die entsprechende Deckungsquelle findet allerdings definitiv nicht unsere Zustimmung.

Herr Minister Ludwig, bei Ihrer Vorstellung der Haushaltseckpunkte im Ausschuss sagten Sie: „Eine Aufgabenwahrnehmung von gleichbleibender Qualität und Quantität könne unter den Voraussetzungen der hohen Stellenabbauverpflichtungen nur schwer gewährleistet werden. Zwar könne das Ressort mit den Sachmittel auskömmlich umgehen, eine Herausforderung liege jedoch bei personellen Untersetzungen der wahrzunehmenden Aufgaben. Zitatende

An dieser Stelle muss ich feststellen, dass sie diese Herausforderung nicht gemeistert haben. Denn es kann doch nicht sein, dass bei über 1 Milliarde in der Rücklage die Partnerschaftsbeauftragten nur auf Kosten von Aufgaben im Justizbereich finanziert werden können

Ein weiteres Beispiel für die unterschiedliche Bewertung von Wertigkeiten der im Ausschuss beantragten Stellen findet sich bei der Verbraucherschutzzentrale.

Vier von fünf Wahlberechtigten in Deutschland wünschen sich laut einer Umfrage der Verbraucherzentrale eine Verbesserung des VERBRAUCHERINNENSCHUTZES. Und dabei leisten die Verbraucherzentralen einen zentralen Beitrag zur Stärkung des Verbraucherschutzes.

Aber auch hier ist es der Koalition nicht gelungen, über Ihren Schatten zu springen und unseren Änderungsantrag zum Stellenplan im Sinne der Brandenburger Verbraucherzentrale zu unterstützen. Obwohl diese Anpassung nach dem vorgelegten Finanzplan der Verbraucherzentrale völlig kostenneutral gewesen wäre!

Nein, sie bringen natürlich ihren eigenen Änderungsantrag ein, mit dem Sie der Verbraucherzentrale Brandenburg e.V. aber keine zusätzliche Stelle mit Leitungsfunktion zubilligen.

Herr Minister, wir nehmen Ihnen ab, dass Sie bei der personellen Unterbesetzung der wahrzunehmenden Aufgaben vor einer großen Herausforderung stehen. Und wir anerkennen, dass Sie mit diesem Haushalt – teilweise spürbare – Ansatzerhöhungen für die wichtigen Themen in den Bereichen Europa und VerbraucherInnenschutz möglich gemacht haben.

Aber es ist auch deutlich geworden, dass die Koalitionsfraktionen unterschiedliche, für uns nicht nachvollziehbare Maßstäbe und Wertigkeiten im Personalbereich ansetzen, so dass wir dem vorliegenden Haushalt nicht zustimmen können.

Und noch ein kleiner Hinweis in Richtung SPD und LINKE:

Es würde ihre Glaubwürdigkeit ungemein erhöhen, wenn Sie in den Ausschussdebatten ihre eigenen Änderungsanträge nicht nur von der Regierungsbank erläutern lassen, sondern Sie uns Abgeordnete da ein klein wenig ernster nehmen und sich in die Lage versetzen dies zukünftig selbst zu übernehmen.

Vielen Dank!“