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Benjamin Raschke spricht zu unserem Antrag „Moratorium für Glyphosat – jetzt alles gegen die Hintergrundbelastung der Bevölkerung unternehmen“

Herr Präsident! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie heute um Ihre Hilfe bitten. Denn ehrlich gesagt mache ich mir etwas Sorgen um meine Gesundheit und vor allem um die Gesundheit meiner grünen Kolleginnen und Kollegen.

(Oh!-Rufe - Zuruf: Wegen des Biers!)

Ich habe das Stichwort „Bier" schon gehört. Sie haben's erkannt. Es war in der Presse zu lesen: Wir sechs Grünen-Abgeordneten haben uns auf Glyphosat testen lassen, und bei allen sechs Proben ist das Labor fündig geworden.

(Dr. Redmann [CDU]: Und was wurde noch so gefunden? - Königer [AfD]: Sie haben sich einem Drogentest unterzogen!)

Das ist natürlich nicht gut. Wir haben uns gefragt, woher es kommt, und überlegt, was wir dagegen tun können. Wir haben über unsere Ernährung und unser Früh-stücksverhalten nachgedacht und relativ schnell gemerkt: Als Verbraucher können wir gar nicht so viel tun. - Das ist die Stelle, an der Sie ins Spiel kommen, denn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Abgeordnete des Landtags können etwas tun.

Vielleicht stelle ich erst einmal dar, was Glyphosat überhaupt ist.

(Schulze [BVB!FREIE WÄHLER Gruppe: Rohrreinigungsmittel!)

- Ganz genau! Es wurde 1950 in der Schweiz erfunden: als Rohrreinigungsmittel. Erst 1971 kam dann Monsanto - den Konzern kennen Sie aus der Gentechnikdebatte als den Bösen - auf die Idee, es als Pestizid patentieren zu lassen. Glyphosat ist also, je nachdem wo man politisch steht, ein Pflanzenschutzmittel oder ein Pestizid. Es ist ein Unkrautvernichter, und zwar ein Totalherbizid, eine Art Breitbandmittel oder wie eine Journalistin vom Deutschlandfunk sagte: Alles, was grün ist, wird innerhalb weniger Tage mit Stumpf und Stiel ausgerottet. - Nun können Sie sich vorstellen, warum ich als Grüner mir Sorgen mache, wenn ich das im Körper habe.

Glyphosat ist das weltweit meisteingesetzte Unkrautvernichtungsmittel. Dafür gibt es klare Gründe: Es ist geruchslos ist, wasserlöslich und wird als wässrige Lösung ver-spritzt. Es ist relativ billig herzustellen und relativ billig zu erwerben. Im Onlineshop kosten 3 Liter Glyphosat - für den privaten Hausgebrauch - 22,99 Euro plus Versand. Man kann das Mittel, zumindest in den Ländern, in denen es erlaubt ist, super mit Gentechnik kombinieren. Da wird den Pflanzen eine Glyphosatresistenz eingebaut, zum Beispiel Sojabohnen, Raps, Mais und Baumwolle. In Deutschland Gott sei Dank nicht.

Vor allem aber wird Glyphosat deswegen am meisten eingesetzt, weil es sich mit drei, vier Argumenten verkaufen lässt. Argument eins: Es wirkt hundertprozentig. Ar-gument zwei - eines der wesentlichen Argumente -: Bei vorschriftsmäßiger Anwen-dung sind keine gesundheitlichen Probleme zu erwarten. Argument drei: Es baut sich schnell ab, zumindest im Vergleich mit anderen Unkrautvernichtungsmitteln. Argu-ment vier: Es ist weniger giftig für Tiere.

Ich kann Ihnen nicht sagen, wieviel Glyphosat in Brandenburg eingesetzt wird; die Zahlen sind mir nicht bekannt. Vielleicht hat Udo Folgart nach dem letzten Interview Zahlen gefunden. Es gibt eine Schätzung für Deutschland. Danach werden in Deutschland pro Jahr 5 000 Tonnen Glyphosat eingesetzt.

Es wird - das ist ein entscheidender Punkt - relativ breit eingesetzt: natürlich im Ackerbau. Eine Umfrage unter Landwirten ergab, dass fast 90 % des Rapses mit Glyphosat behandelt werden. Im Ackerbau nutzt man es vor der Saat, zur Stoppel-behandlung und zur Sikkation. Auch im Obst- und Weinbau wird es verwendet. Es wird für Zierpflanzen eingesetzt genauso wie auf Wiesen, im Forst, im Wald und auf öffentlichen Grünflächen. Die Autobahnrandstreifen und die Schienen werden durch den Einsatz von Glyphosat freigehalten. Es ist also ökonomisch eine Erfolgsgeschichte. Mit den Argumenten „unschädlich" und „schnell abbaubar" ist es ziemlich gut verkauft worden.

Jetzt werden Sie fragen: Wo ist das Problem? Was hat denn der Grüne? Problem Nr. 1 - damit kommen wir zu den Risiken und Nebenwirkungen - ist: Obwohl Gly-phosat angeblich so schnell abbaubar ist, müssen wir feststellen, dass es in unserer Umwelt immer mehr zu finden ist. Es trägt - der Minister hatte es bei der letzten De-batte zum Thema Glyphosat vorgetragen - erheblich zum Artensterben bei. Dabei sterben nicht nur Unkräuter, sondern auch alle, die höher in der Nahrungskette stehen, auch Vögel und Fische.

Vielleicht erinnern Sie sich an die Untersuchung von NABU und BUND in Brandenburg von 2013. Sie ergab, dass in ziemlich vielen Gewässern, vor allem in ackernahen, Glyphosat nachgewiesen werden konnte, was sich eben nicht abgebaut hat und viele Fische und Amphibien getötet hat. - Ich sehe, das beeindruckt Sie nicht besonders, nach dem Motto: Was interessieren mich die Frösche?

Kommen wir zu Risiko Nr. 2: Glyphosat ist für den Menschen wahrscheinlich krebser-regend. Das hat die zur Weltgesundheitsorganisation gehörende internationale Agen-tur für Krebsforschung festgestellt. Es wurden durch Versuche an Ratten und Mäusen genug Belege gefunden, dass Glyphosat die Tumorbildung begünstigt. Die Belege reichten aus, um zu sagen: Ja, es ist für den Menschen wahrscheinlich krebserre-gend. - Das ist bei der großen Verbreitung von Glyphosat natürlich ein Problem.

Denn nicht nur wir sechs Grüne sind ja betroffen. Da könnten Sie ja sagen: Was interessieren mich die sechs Grünen?

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Ne, ne, ne!)

Danke sehr. - Nein, die Mehrheit der Deutschen ist inzwischen mit Glyphosat belastet. Diese starke Hintergrundbelastung ist durch die Ergebnisse der sogenannten

„Urinale 2015" bestätigt worden. Nicht nur wir sechs Grünen-Abgeordneten haben dazu unser Becherchen abgegeben, sondern bundesweit über 2 000 Menschen. Sie haben das Ergebnis vor wenigen Tagen in der Zeitung lesen können: Bei 99,6 % wurde Glyphosat nachgewiesen.

Liebe Kollegen, die schlechte Nachricht ist: Männer sind viel stärker betroffen. Jetzt können Sie fragen: Woher kommt das?

(Zurufe: Na das Bier!)

Ja, das Bier. - Ich weiß nicht, was Sie mögen, das Umweltinstitut München hat herausgefunden, dass folgende Biersorten besonders belastet sind: Hasseröder, Warsteiner, Jever und Radeberger.

Vizepräsident Dombrowski:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Petke?

Raschke (B90/GRÜNE):

Sehr gern.

Petke (CDU):

Herr Kollege, Sie haben uns aufgefordert, Fragen zu stellen. Ich bin schon nach den ersten Minuten Ihrer Rede in Sorge. Können Sie mir sagen: Über welche Menge Glyphosat pro Liter reden wir? Wie viel von diesem Stoff wurde in den Proben Ihrer Frak-tionsmitglieder gefunden? Mich interessiert das Mengenverhältnis.

Raschke (B90/GRÜNE):

Vielen Dank für die Frage. Sie führt zum spannenden Punkt: Seitdem die internatio-nale Agentur für Krebsforschung festgestellt hat, dass der Stoff wahrscheinlich krebserregend ist, tobt unter den Wissenschaftlern ein Streit: Hängt eine Gesund-heitsgefährdung nicht von der Menge ab? Die einen bejahen das. Die anderen mei-nen: Nein, schon die geringste Menge im Körper reicht aus, um Krebs zu erzeugen. Dieser Streit ist Kernpunkt der Debatte.

Lassen Sie mich ergänzen, wo Glyphosat noch zu finden ist. Falls Sie Italien-Fan sind: in Getreide, Wein und Oliven. Für Kommunen nicht irrelevant: Wird Glyphosat auf öffentlichen Grünflächen eingesetzt, haben auch die Anwohner und die Kinder auf dem Spielplatz etwas davon. Auf dem Acker eingesetzt, haben die Anwohner und Spaziergänger etwas davon.

(Raschke)

Aber zurück zu dem Streit, den Herr Petke ansprach. Wie ist das mit der Menge? Der Streit ist nicht entschieden. Der Streit ist sehr unübersichtlich. Man kann fast den Überblick verlieren, ob es nun auf den Grenzwert ankommt oder ob es nicht auf den Grenzwert ankommt.

Für diese Fälle hat unser Recht etwas ganz Tolles, das sogenannte Vorsorgeprinzip. Das Vorsorgeprinzip besagt: Unabhängig von der Menge, allein wenn der Verdacht ausreichend begründet ist, müssen wir etwas gegen Glyphosat tun. Unsere linken Abgeordneten kennen das aus ihrem Landtagswahlprogramm.

Was aber können wir tun? Wir als Grüne haben einen Antrag eingereicht, in dem wir sieben Punkte aufgeführt haben. Da ist für fast jedes Kabinettsmitglied etwas dabei. Ein paar sind jetzt schon unterwegs, wahrscheinlich um sich dafür einzusetzen. Herrn Ministerpräsident Dr. Woidke würden wir bitten - das ist sozusagen Chefsache -‚ sich auf Bundes- und EU-Ebene für ein Moratorium einzusetzen. Solange dieser Streit zwischen den Wissenschaftlern nicht entschieden ist - ob Herr Petke nun Recht hat, und es kommt auf die Menge an, oder ob die andere Seite Recht hat, die sagt, nein, es kommt überhaupt nicht auf die Menge an, schon die geringste Menge ist ausreichend -‚ brauchen wir ein Moratorium. Wir bitten den Ministerpräsidenten darum, sich dafür einzusetzen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Alle anderen Minister zusammen bitten wir, sich insgesamt darum zu kümmern, dass der Einsatz des Stoffes in Brandenburg reduziert wird. Eine besondere Rolle hätte dabei Herr Minister Vogelsänger. Herrn Minister Vogelsänger möchten wir bitten, dass auf den landeseigenen Forst- und Landwirtschaftsflächen Brandenburgs kein Glyphosat mehr eingesetzt wird, auch nicht zur sogenannten Sikkation, also zur Ern-tebeschleunigung. Vor allem möchten wir Sie, Herr Minister Vogelsänger bitten, einen Ausstiegsplan für unsere landwirtschaftlichen Betriebe zu erarbeiten, damit unsere landwirtschaftlichen Betriebe nicht mehr darauf angewiesen sind - oder das Gefühl haben, darauf angewiesen zu sein -‚ Glyphosat einzusetzen.

Herrn Minister Schröter möchten wir bitten - er ist auch schon unterwegs, um gegen das Problem zu arbeiten -‚ zusammen mit den Kommunen ein Konzept zu erarbeiten, was unsere Kommunen tun können, um auf den Einsatz von Glyphosat zum Beispiel auf öffentlichen Grünflächen zu verzichten.

Herr Minister Dr. Markov, Sie würde ich mit unserem Antrag bitten, ein Lob an die Baumärkte auszusprechen. Stichwort: Wenn es gut werden muss, Bauhaus. Aber auch Hornbach, OBI und Toom haben Glyphosat aufgrund des Vorsorgeprinzips inzwischen ausgelistet. Deswegen eine Bitte an Sie: Loben Sie die bitte. Empfehlen Sie das zur Nachahmung. Klären Sie bitte auch die Verbraucherinnen und Verbraucher darüber auf, was es mit dem Stoff auf sich hat und dass es Alternativen gibt.

(Beifall B90IGRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an Sie habe ich jetzt nur noch die Bitte, unserem Antrag zuzustimmen. Wenn ich vielleicht zu fachlich war oder nicht alles vermitteln konnte und nur hängengeblieben ist, dass Glyphosat etwas mit Bier zu tun hat, dann versuche ich es noch einmal so: Es gibt Alternativen zum Glyphosateinsatz. Deswe-gen: Unterstützen Sie mit uns den Ökolandbau. Unterstützen Sie den Antrag und trinken Sie mehr Öko-Bier. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE und des Abgeordneten Gliese [CDU])

[Redebeiträge anderer Abgeordneter]

Vizepräsident Dombrowski:

Vielen Dank. - Herr Raschke, Sie hätten noch eine Minute - aber Redezeit, nicht Wegezeit.

(Heiterkeit bei der SPD)

Raschke (B90/GRÜNE):

In einer Minute kann ich nicht auf alles eingehen. Ganz kurz: Herr Gliese meinte, das Land sei nicht zuständig. Sechs unserer sieben Punkte sollten darauf aufmerksam machen, was das Land tun kann.

Herr Vogelsänger sagte, wir setzten auf Verbote. Herr Vogelsänger, noch einmal: Die Hauptidee war, mit unseren Landwirten für jeden Bereich einen Ausstiegsplan zu erarbeiten, wie wir da herauskommen - auch, damit wir weltweit bei den Alternativen führen können.

Herrn Schröders Maikäfer lasse ich einmal unter den Tisch fallen.

Zu den Grenzwerten und zur Frage, ob die Dosis das Gift macht: Das ist einer der Streitpunkte; aber ich darf den Vergleich von Michael Jungclaus aufgreifen - wenn ein Institut sagt, die geringe Dosis in diesem Produkt reicht schon aus, und ein ande-res Institut sagt, die Dosis reicht nicht, müssen wir uns entscheiden, was wir tun. Da greift das Vorsorgeprinzip, Herr Roick, und nicht das Prinzip: Wir warten länger ab. Ich habe nachgeschaut, wie die UNO das Vorsorgeprinzip definiert. Demnach

„soll ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewißheit nicht als Ent-schuldigung dafür dienen, Maßnahmen hinauszuzögern, die in sich selbst ge-rechtfertigt sind."

Ich glaube, bezüglich der Frage, ab welchem Zeitpunkt wir schützen müssen, tren-nen sich auch DIE LINKE, die Grünen und die SPD voneinander. Wir sagen, wenn ein begründeter Verdacht besteht, müssen wir unsere Bürger und unsere Umwelt schützen. - Vielen Dank.

(Beifall B90IGRÜNE)

Vizepräsident Dombrowski:

Entschuldigung, Herr Raschke. Es gibt eine Nachfrage.

(Raschke [B90/GRÜNE]: Wird das wieder eine Maikäfer-Frage?)

Raschke (B90/GRÜNE):

Das Vorsorgeprinzip reicht ziemlich weit, gerade in der EU. Es greift nicht nur Ge-sundheits-, sondern auch Umweltschäden auf. Deshalb muss man grundsätzlich prü-fen, ob ein begründeter Verdacht besteht, dass die Gefahren ausreichend groß sind. Das ist beim Glyphosat der Fall; beim Infraschall - die Debatten hatten wir - offenbar nicht. Man muss dann Maßnahmen einleiten, die in einem Verhältnis dazu stehen. Ich glaube, unsere sechs bis sieben Maßnahmen stehen in einem Verhältnis dazu. Was Sie hier vorschlagen, ist wieder einmal verhältnismäßig nicht in Ordnung. - Vielen Dank.

>> Unser Antrag „Moratorium für Glyphosat – jetzt alles gegen die Hintergrundbelastung der Bevölkerung unternehmen“ (pdf-Datei)

Unser Antrag wurde abgelehnt.