Zum Inhalt springen

Axel Vogel spricht zur Aktuellen Stunde „Perspektiven für die Lausitz sichern - Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall als Chance für die Energieregion und Auftrag an eine verantwortungsvolle Politik“

>> Zum Entschließungsantrag „Perspektiven für die Lausitz sichern Bergbausanierung sicherstellen“ (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Als am 18. April der Vorschlag von Vattenfall bekannt wurde, seine Braunkohle-Sparte an die Energetický a Průmyslový Holding (EPH) und die Investmentgruppe První Privatizační Fond (PPF) zu veräußern, hätte man erwarten können, dass in der Staatskanzlei die Alarmsirenen losgehen und in der Lausitz die Fahnen auf Halbmast gesenkt werden. Doch stattdessen hörten wir nur Jubelmeldungen von SPD und IGBCE. Wenn Ministerpräsident Woidke jetzt vollmundig verkündet: "Die monatelange Unsicherheit für die Braunkohlekumpel, ihre Familien und eine ganze Region hat damit ein Ende" weiß ich nicht auf welcher Grundlage diese Erkenntnis erwachsen ist.

Worin die Chance liegen soll, wenn der größte industrielle Arbeitgeber Brandenburgs aus dem Eigentum des insolvenzsicheren Königreichs Schwedens in den Besitz eines tschechisch-zypriotisch-luxemburgischen Firmengeflechtes wandert, deren Schachtelkonstruktion aussieht als ob Mossack-Fonseca bei der Gründung Pate gestanden hätte, erschließt sich weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick. Wer allerdings die Vorgeschichte nicht vergessen hat, versteht, dass der Landesregierung gar keine andere Möglichkeit übrig bleibt als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Denn sie trägt die unmittelbare Verantwortung für diesen Verkauf.

Was war passiert:

Es waren IGBCE und die Brandenburger Landesregierung, die einen Verkauf der Braunkohlesparte forderten als die schwedische Reichsregierung trotz des Scheiterns der CCS-Technologie an ihrer Direktive festhielt, den CO2-Ausstoß des Gesamtkonzerns radikal zu senken, weil sie ahnten, dass dies nur durch eine schrittweise Reduzierung der Braunkohleverstromung möglich sein würde.

Es war der IGBCE-Vertreter im Vattenfall-Aufsichtsrat und jetzige SPD-MdB Ullrich Freese, der als erster verkündete, dass die Lausitzer einen Verkauf an jeden Erwerber, der sich zur Braunkohle bekennt, einer sozialverträglichen Reduzierung der Braunkohleverstromung vorziehen würden.

Es waren Dietmar Woidke und der damalige SPD-Fraktionsvorsitzenden Klaus Ness, die im Oktober und Dezember 2014 in Stockholm ihre sozialdemokratische Partner beknieten, die Braunkohlesparte schnellstmöglich zu veräußern.

Und es war Minister Gerber der im letzten Herbst den ernst zu nehmenden Vorschlag von Greenpeace, der allen Beteiligten Planungssicherheit gegeben hätte, als einen „Aprilscherz zur falschen Jahreszeit“ diffamierte.

Wir erinnern uns. Greenpeace schlug vor die Kohle in eine Stiftung zu überführen, die verbliebenen Tagebaue auszukohlen und auf neue Tagebaue zu verzichten. Ein Gutachten hatte damals ergeben, dass Vattenfall für die Absicherung der Sanierung 2 Milliarden Euro beisteuern müsste. Das bezeichnete Minister Gerber damals als «völlig abwegig».

Und nur knapp ein halbes Jahr später wird der geplante Verkauf an ein internationales Firmenkonglomerat zweier tschechischer Milliardäre zu ähnlichen Konditionen als Gottesgeschenk gefeiert. Alle anderen ernst zu nehmenden Bewerber hatten abgewunken. KEIN Wunder! Vattenfall selbst betrachtet Braunkohle angesichts der prognostizierten Preise für Strom als Minusgeschäft. Die halbstaatliche CEZ wollte nach dem Blick in die Bücher nicht einsteigen, weil die Vattenfall-Aktiva negative Werte aufweisen.

Bereits wenn man sich die Rahmenbedingungen ansieht, muss einem Angst und Bange werden. Vattenfall legt 1,6 Milliarden Euro drauf um die Braunkohle an die EPH loszuwerden. Gewinnabschöpfungen sind nur für 5 Jahre beschränkt.

„EPH hat seine Kompetenz im Bereich des Braunkohlegeschäfts unter Beweis gestellt und ist in Deutschland bereits durch seine hundertprozentige Tochter MIBRAG aktiv“ heißt es in der Vattenfall-PM.

Die speziellen Kompetenzen beim Kauf der MIBRAG haben jedenfalls die auf Korruption spezialisierte Staatsanwaltschaft Bochum auf den Plan gerufen, die nach wie vor gegen den inzwischen auf einen höheren Posten berufenen ehemaligen MIBRAG-Geschäftsführer Joachim Geisler ermittelt.

Zudem zog die EPH in den letzten Jahren massiv Gewinne aus Mitteldeutschland ab. Seit dem Erwerb hat die MIBRAG eine überdurchschnittliche Umsatzrendite von 16 %, insgesamt 448 Mio Euro Gewinn an seine tschechischen Gesellschafter abgeführt und damit den eigenen Verkaufspreis von rund 400 Millionen Euro längst bezahlt. Alles nachzulesen in einer Recherche des Energiejournalisten Stefan Schröter.

Damit nicht genug, verkündete die MIBRAG erst im März, dass man in Zukunft von sinkenden Gewinnen ausgehe und verkündete vorsorglich schon mal einen Stellenabbau.

Ich rekapituliere: Schachtelkonstruktion, überdurchschnittliche Gewinnabschöpfung, Kapitalabfluss, Stellenabbau: früher hätten Sozialdemokraten solche Investoren „Heuschrecken“ genannt.

Ob das Geschäftsmodell von EPH darauf beruht in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld aus dem Betrieb herauszuziehen und die Finanzierung der Rekultivierung der öffentlichen Hand zu überlassen oder wie mein Sächsischer Kollege Gerd Lippold meint, auf der riskanten Wette beruht, dass mit dem Abschalten des letzten Atomkraftwerks im Jahr 2022 der Preis für Braunkohlestrom wieder nach oben geht, darüber lässt sich trefflich streiten.

Es dürfte aber auch dem Letzen klar sein, dass in beiden Fällen, beim forcierten Kapitalabfluss wie auch wenn die Wette – oder wie Minister Gerber sagt das „unternehmerisches Risiko“ - nicht aufgeht, am Ende die Kosten für die Rekultivierung beim Land hängen bleiben kann. Die Brandenburgs Landesregierung muss darüber wachen, dass dies durch eine wasserfeste Regelung verhindert wird. Ich vermute keiner hier im Saal hat auch nur einen Funken Zweifel daran, dass ein Rückgriff auf das Privatvermögen der tschechischen Milliardäre ausgeschlossen sein wird.

Ich komme zum Schluß:

Die gesamte Region Lausitz, die Mitarbeiter im Bergbauunternehmen wie die Tagebau-Betroffene drohen zum Spielball von Finanzjongleure zu werden. Und die Landesregierung steht bislang applaudierend daneben. Eine berechenbare Zukunftsperspektive für die Lausitzer Kohlewirtschaft sieht anders aus.

Für eine Umkehr ist es aber noch nicht zu spät, der Verkauf wird erst wirksam, wenn die schwedische Regierung zustimmt. Deshalb Herr Woidke: Nutzen sie die Chance, fahren sie erneut nach Schweden. Beknien Sie die Reichsregierung den Verkauf zu stoppen und handeln Sie über einen sozialverträglichen Auslaufplan aus. Sichern Sie tatsächlich Perspektiven für die Lausitz!

>> Zum Entschließungsantrag „Perspektiven für die Lausitz sichern Bergbausanierung sicherstellen“ (pdf-Datei)

Unser Entschließungsantrag wurde abgelehnt.