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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der Fraktionen SPD, CDU und LINKE „Zukunftsstrategie Digitales Brandenburg“

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und noch einmal: Liebe Gäste!

Vielleicht brauchen wir in den Städten bald gar keine Autos mehr zu besitzen, weil autonome Fahrzeuge auf Abruf überall verfügbar sind. Plötzlich haben wir wieder mehr Platz für Parks, und Kinder können auf den Straßen spielen - statt des sogenannten ruhenden Verkehrs der Blechlawinen vor unseren Haustüren.

Auch die Familie von meinem Kollegen Benjamin Raschke in dem schönen Spreewalddorf braucht vielleicht künftig nicht mehr so viele Autos, weil sie sich über Apps Mitfahrgelegenheiten organisieren oder auch welche anbieten kann und Sammeltaxis und Rufbusse digital verfügbar sind. Lehrpersonen haben vielleicht künftig mehr Zeit, um einzelne Kinder individuell zu fördern, weil die anderen Schülerinnen und Schüler sich in Gruppen je nach ihrer Lerngeschwindigkeit mit digitalen Materialien Inhalte selbst erarbeiten können.

Vertretungsunterricht wird so oft hier in Brandenburg als großes Problem beschrien. Vielleicht wird der Vertretungsunterricht künftig landesweit oder vielleicht - noch sinniger - mit Berlin gemeinsam in Echtzeit über lnternetplattformen organisiert. Das hieße, dass die Schulleiterinnen und Schulleiter künftig nicht mehr mühselig Vertretungen herantelefonieren müssen.

Wir können so vieles in unserem Leben besser, effizienter und ressourcenschonender organisieren. Das sind keine Luftschlösser. Trotzdem sieht das echte Leben in Brandenburg - das wurde vorhin schon gesagt, wir bleiben eben in Brandenburg - anders aus. Nur ein paar Stichpunkte, ich habe ja nur fünf Minuten: Der European Digital Progress Report der Europäischen Kommission vom Mai 2016 sieht Deutschland beim Angebot öffentlicher Dienstleistungen auf Platz 20. Brandenburg liegt bei der Breitbandverfügbarkeit mit mindestens 50 MBit auf dem viertletzten Platz im Bundesvergleich mit 57 % der Haushalte.

Wir erinnern uns: 2012 gab es ein Konzept der Landesregierung, das hieß „Glasfaser 2020' In diesem Konzept steht, dass Brandenburg bis 2014 75 % der Haushalte mit 50 MBit erreichen wollte. Da ist also nichts von „wir spielen an der Spitze mit“ Herr Barthel.

Vor 2, 3 Jahren gab es eine internationale Studie darüber, inwieweit Kinder mit Computern und Informationstechnologien umgehen können, Achtklässler wurden da untersucht, die sogenannte ICILS-Studie. Das Ergebnis für Deutschland ist so schlecht gewesen, dass eine der Hauptherausgeberinnen und Wissenschaftlerinnen, die diese Studie erstellt haben, gesagt hat:

„Wir vergeuden das Potenzial einer ganzen Schülergeneration“

Viertens: Wirtschaftlichkeit von Open Data. Es gibt verschiedene Studien, die die Potenziale von Open Data für Deutschland mit 12 bis 130 Milliarden Euro jährlich errechnen. Warum dümpelt dieses Thema hier seit Jahren? Wir haben immer wieder davon geredet, es tut sich wenig.

Beim Breitbandförderprogramm des Bundes hat Mecklenburg-Vorpommern sich in den ersten beiden Runden mit 80 Förderanträgen beteiligt, Sachsen-Anhalt immerhin mit sieben und Brandenburg mit einem einzigen. Jetzt liegen dem Bund immerhin 31 Beratungsvorgänge aus Brandenburg vor mit einem Fördervolumen von insgesamt einer guten Million. Bei Gesamtsummen im Milliardenbereich ist auch das nicht der große Schluck aus der Pulle.

(Loehr [DIE LINKE]: Sie haben das Programm nicht verstanden!)

- Danke.

2016 ist die Störerhaftung abgeschafft worden, schon im Juni dieses Jahres. Warum gibt es eigentlich immer noch kein Konzept für freies WLAN im ÖPNV, in öffentlichen Gebäuden und zentralen öffentlichen Räumen?

(Zuruf der Abgeordneten Muhß [SPD])

Es gibt Menschen, die sehen die Digitalisierung wie eine Welle auf sich zukommen und denken an den Kauf von Gummistiefeln. Aber so hohe Gummistiefel gibt es gar nicht.

Jetzt liegt dieser Antrag vor und vieles in diesem Antrag sind Themen, über die wir hier schon lange geredet haben. Zugegeben, es hat mich etwas überrumpelt und ich bin sehr erfreut darüber, dass der Antrag jetzt tatsächlich von den Koalitionsfraktio-nen mitgetragen wird, wenn auch etwas geändert. Einige Sachen sind anders, der Digitalrat, den die CDU vorgesehen hat, heißt hier strategische Schnittstelle. Herr Homeyer, Sie haben die beiden Begriffe synonym verwendet. Ich vermute, dass mit der strategischen Schnittstelle beabsichtigt ist, nicht so viel externes Fachwissen in die Staatskanzlei zu holen. Aber vielleicht werden wir noch darüber aufgeklärt, wie das im Einzelnen sein soll.

Ich muss ehrlich sagen: Diese vorgeschlagene Strategie finde ich in Gänze gut, wir werden dem Antrag auch zustimmen, aber in einzelnen Punkten ist sie durchaus diskussionswürdig. Zum Beispiel müssten wir uns als Land nicht in die Anpassung von Ausbildungsberufen einmischen; das macht die Industrie schon ganz gut und vielleicht macht sie es auch schneller als das Land.

Zur ressortübergreifenden Strategie: Warum muss eine Schnittstelle eine Strategie entwickeln, die sich dann um die Entwicklung eines E-Government-Gesetzes kümmert? Auch das haben wir hier schon mehrfach gehabt. Unter Softwareentwicklern wird zunehmend über agile Methoden geredet, das heißt, nicht Entwicklung umfangreicher großer Strategien, sondern kleinere Schritte, kurze Planungsphasen,

Vizepräsident Dombrowski: Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Frau von Halem (B90/GRÜNE):

ständige Kundenkontakte und schnelle Umsetzung. Vielleicht passt uns das besser.

Lassen Sie uns nicht an Gummistiefel denken, sondern lieber an ein Surfbrett und es dann mit Erich Kästner halten:

„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

(Beifall B90/GRÜNE)