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Ursula Nonnemacher spricht zur Aktuellen Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion „Steigende Flüchtlingszahlen als Herausforderung – Brandenburg übernimmt Verantwortung und unterstützt seine Kommunen mit einem Sofortprogramm“

Die Rede steht auch als Video beim rbb zur Verfügung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste! Zu den Ausführungen meines Vorredners fällt mir vorwiegend ein, dass es wieder darum geht, Menschen in Menschen erster und zweiter Klasse zu unterteilen.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Herr Dr. Gauland, Sie sind der Brandstifter!

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Jawohl! - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE und der SPD - Widerspruch bei der AfD)

Sie sind der Biedermann von den Brandstiftern.

(Zurufe von der AfD: Buh! Buh! - Ness [SPD]: Genau so ist es! - Widerspruch bei der AfD)

Sie sind der Bildungsbürger, der sich vor den Kleinkriminellen Bachmann von der Pegida-Bewegung stellt.

(Zuruf: Genau! - Dr. Gauland [AfD]: Lassen Sie das mit dem Kleinkriminellen! - Frau Bessin [AfD]: Schauen Sie bei sich in der Partei! - Beifall und Zurufe B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Sie sind derjenige, der das Klima in diesem Lande mit vergiftet.

(Beifall SPD)

Sie können, wenn weiterhin Asylbewerberheime brennen, nicht Ihre Hände in Unschuld waschen. Sie gehören zu denjenigen, die das Klima in diesem Lande unzumutbar verschärfen.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Ich wollte meine Rede eigentlich mit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 beginnen, einem ganz finsteren Kapitel in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Damals im Mai 1993 wurde das Recht auf Asyl – das deutsche Grundrecht auf Asyl – massiv durch eine Änderung des Grundgesetzes und des Asylverfahrensgesetzes eingeschränkt. Damals wurde der Grundgesetzartikel 16 mit der sogenannten Drittstaatenregelung geändert, der besagt: Verfolgte genießen Asylrecht, aber möglichst nicht in Deutschland.

Wir verdanken dem sogenannten Kompromiss, den viele als einen Sieg der Straße und eine Niederlage des Rechtsstaates begriffen haben -,

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

- eine über zwei Jahrzehnte praktizierte sehr restriktive Asylpolitik. Dahin wollen wir nicht wieder zurück.

(Beifall B90/GRÜNE, DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Die in den letzten Monaten zwischen Bund und Ländern ausgehandelte Vereinbarung über ein Gesamtkonzept zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern wird gern als der Asylkompromiss 2014 bezeichnet - eine Bezeichnung, die ich überhaupt nicht schätze.

Auch wenn einige Regelungen der Vereinbarung, wie zum Beispiel die Erklärung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Drittstaaten, sehr schwer erträglich sind - meine Damen und Herren, das sage ich deutlich als Bündnisgrüne -, so hat das Gesamtpaket doch einige positive Aspekte und ist nicht mit der Grundrechtseinschränkung von 1993 vergleichbar.

Zu den Aktivposten der Vereinbarung gehört die Lockerung der Residenzpflicht, der Vorrang Geldleistung vor Sachleistung für Asylsuchende und - vielleicht die deutlichste Verbesserung - der erleichterte Zugang zum Arbeitsmarkt durch Wegfall der Vorrangprüfung.

Zu den Aktivposten gehören zweifellos auch jene 500 Millionen Euro in 2015 und 2016, die der Bund zum Ausgleich von Mehrbelastung bei der Aufnahme, Unterbringung und Gesundheitsversorgung zur Verfügung stellt. Die für beide Jahre auf Brandenburg entfallenden 30 Millionen Euro sollen den Kommunen für ihre Anstrengung
bei der Ausweitung von Kapazitäten, aber auch bei der Qualitätsverbesserung zur Verfügung gestellt werden. Wir verweisen mit Nachdruck auf unsere Forderung der prioritären Unterbringung in Wohnungen oder Wohnungsverbünden, der Begrenzung der Plätze in Gemeinschaftsunterkünften auf maximal 80, der Erhöhung der Quadratmeterzahl auf mindestens 8 qm2 und der Anhebung des Betreuungsschlüssels auf minimal 1:80.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt DIE LINKE)

Es sollte Bestandteil der Sonderprogramme sein, den Asylsuchenden Zugang zu Integrationskursen zu gewähren und Mittel für den Spracherwerb und die Schaffung von Kita- und Schulplätzen für die Flüchtlingskinder bereitzustellen. UNICEF hat in einer Studie vom September dieses Jahres Deutschland dafür gerügt, dass diese
Kinder von Bildung und Freizeitangeboten, von medizinischer Versorgung und von einem kindgerechten Sozialleben ferngehalten werden.

Die bereitgestellten Mittel sind auch zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung vorgesehen. Wir begrüßen die Absicht der Landesregierung, die Gesundheitsversorgung in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu übernehmen. Dringlich ist aber auch, dass die häufig traumatisierten Menschen Zugang zu psychosozialen Therapieangeboten
erhalten.

Dass auch nach dem novellierten Asylbewerberleistungsgesetz die Gesundheitsbehandlung weiterhin auf Akutbehandlung und Schmerzzustände ausgerichtet ist, ist beschämend und muss geändert werden.

(Beifall B90/GRÜNE)

Um wenigstens den diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsleistungen zu verbessern, bitten wir um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag „Elektronische Krankenkassenkarte für Asylsuchende“. Der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen hat zwar einen umfassenden Ansatz, aber leider bleiben fast alle Forderungen vage und ohne zeitliche oder finanzielle Untersetzung.

(Vereinzelt Beifall B90/GRÜNE sowie CDU)

Die Idee eines Flüchtlingsgipfels, der nicht nur an die Kreisverwaltungen, sondern an alle beteiligten Akteure adressiert ist, wird von uns mit Nachdruck unterstützt. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

>> Entschließungsantrag „Elektronische Krankenkassenkarte für Asylsuchende“ (pdf-Datei)

Unser Entschließungsantrag wurde abgelehnt.