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Antibiotika-Datenbank in der Nutztierhaltung: Transparenz oder Geheimniskrämerei?

Benjamin Raschke:

Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Tiermast ist eine der Ursachen für das vermehrte Vorkommen von multiresistenten Keimen, die deutschlandweit zu über 30.000 Todesfällen pro Jahr führen. Seit der letzten Novelle des Arzneimittelgesetzes sind Tierhalter verpflichtet, alle sechs Monate ihren Antibiotika-Einsatz in eine nationale Datenbank einzugeben.

Ende August haben sich mehrere Agrarminister der Länder kritisch zur Position des Bundesagrarministeriums geäußert, wonach es unzulässig sein soll, Daten und Statistiken aus der Datenbank weiter zu geben. Die Nutzung der Daten soll nach dem Arzneimittelgesetz ausschließlich für die Verfolgung von Rechtsverstößen erlaubt sein. Der Landwirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommerns Till Backhaus (SPD) kündigte an, die Bevölkerung trotzdem über den Stand des Antibiotika-Einsatzes in der Tierhaltung informieren zu wollen.

Ich frage die Landesregierung:

In welcher Form wird die Brandenburger Landesregierung die Bevölkerung über die Ergebnisse der Antibiotika-Datenbank informieren?

Antwort der Landesregierung:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
die Antibiotikaresistenz hat bei manchen Bakterien ein quantitatives und qualitatives Ausmaß angenommen, das energisches Entgegensteuern notwendig macht. Das Antibiotikaminimierungskonzept, das durch die 16. Novelle in das Arzneimittelgesetz aufgenommen wurde, ist aus meiner Sicht ein wirksames Instrument, um Tierhalter zur Verbesserung der Tiergesundheit aufzufordern und dadurch Antibiotika-Therapien unnötig zu machen. Wir müssen dafür sorgen, dass Bakterien mit Resistenzen gegen Antibiotika keinen Selektionsvorteil mehr haben. Das heißt: Die Chance zur Vermehrung und Verbreitung von Bakterien darf nicht mehr davon abhängen, ob ein Bakterium sich der Wirkung eines Antibiotikums aufgrund seiner Resistenz entziehen kann.

Das Antibiotikaminimierungskonzept beruht zunächst darauf, dass für diejenigen der Antibiotikaeinsatz transparent wird, die unmittelbar damit umgehen. Das sind zu allererst die Tierhalter. Diese erhalten durch die behördlich berechnete Thera-piehäufigkeit eine standardisierte Kenngröße, die den Antibiotikaeinsatz des eige-nen Betriebes beschreibt. Anhand der Therapiehäufigkeit kann der Tierhalter nachvollziehen, wie sich sein Antibiotikaeinsatz im Laufe der Zeit verändert. Vor allem aber kann er, wie es das Arzneimittelgesetz vorsieht, seinen Antibiotikaeinsatz mit dem anderer Betriebe vergleichen. Aus diesem Vergleich ergibt sich, wie Sie sicherlich wissen, in jedem Halbjahr von neuem für das Viertel der Betriebe mit den höchsten Therapiehäufigkeiten die Pflicht zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes. Die übrigen Betriebe können freiwillig ihre Therapiehäufigkeit mit der anderer Betriebe vergleichen, um dies zum Anlass für die Reduktion des Antibiotikaeinsatzes zu nehmen.

Die gleiche Transparenz ergibt sich auch für die Vollzugsbehörden, die anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Daten für die Einhaltung der rechtlichen Verpflichtungen der Tierhalter sorgen können.
Damit erhalten die entscheidenden Akteure, die das Antibiotikaminimierungskonzept des Arzneimittelgesetzes nennt, die notwendigen Informationen, um die dringende Reduktion des Antibiotikaeinsatzes voranzutreiben.
Es ist mehr als verständlich, dass auch die Öffentlichkeit Fragen zum Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung hat. Das Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, von uns allen, die wir ja auch Verbraucher sind, an der Nutztierhaltung und der Erzeugung von tierischen Lebensmitteln ist uneingeschränkt zu begrüßen, Ein völliges Offenlegen aller Informationen, die die Überwachungsbehörden zur Nutztierhaltung haben, ist damit aber nicht verbunden. Hier ist zwischen dem Inte-resse der Öffentlichkeit an Information und dem Datenschutz abzuwägen.

Mit dem § 58f des Arzneimittelgesetzes wurde eine hohe Hürde eingezogen, die zu beachten ist, wenn über die Frage entschieden wird, welche Daten zum Antibiotikaeinsatz in welcher Form durch die Vollzugsbehörden öffentlich gemacht werden dürfen. Mein Ministerium prüft gerade, wie sehr die Regelung nach § 56f Arz-neimittelgesetz die Veröffentlichung von Daten einschränkt. Und wir werden gründlich prüfen. Diese gründliche, aber zügige Prüfung ist auch deshalb wichtig, weil die anderen Bundesländer, die ebenso vor der Frage der Veröffentlichung von Daten stehen, die Koordinierung seitens Brandenburgs bei der Meinungsbildung und Abstimmung erwarten. Meine Fachbehörde hat gegenwärtig den Vorsitz in der Länderarbeitsgruppe Tierarzneimittel. Diese Aufgabe nehmen wir sehr ernst.

Solange diese Prüfung nicht abgeschlossen ist, wird es eine Veröffentlichung von behördlich erhobenen Daten nicht geben.

Ich bitte um Verständnis, wenn ich die Frage, in welcher Form die Brandenburger Landesregierung die Bevölkerung über die Ergebnisse der Antibiotika-Datenbank informieren wird, noch nicht abschließend beantworten kann. Die Länder müssen sich hierzu austauschen und eine stringente Diskussion mit dem Bund führen. Ich begrüße es deshalb, dass die Agrarminister auf ihrer aktuell anstehenden Konferenz das Thema der Datenveröffentlichung diskutieren wollen. Brandenburg wird auch seinen Vorsitz in der Arbeitsgruppe Tierarzneimittel der LAV nutzen, die Auslegung des § 58f des Arzneimittelgesetzes zum Thema der Herbstsitzung machen und die Thematik zeitlich voranbringen.

Bis dahin werden die Fachleute meines Ministeriums das tun, was sie schon seit einigen Jahren mit großem Engagement tun; Die Umsetzung des Antibiotikaminimierungskonzeptes durch die Länderbehörden und die Tierhalter vorantreiben und bei allen Beteiligten dafür werben, dass die Reduktion des Antibiotikaeinsatzes eine Aufgabe ist, der sich niemand verweigern darf.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Helmuth Markov