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Wiederherstellung der Zuständigkeit von Schiedspersonen auch für zivilrechtliche Fälle

Benjamin Raschke

§ 15a EGZPO ermächtigt den Landesgesetzgeber, in bestimmten Fällen die Erhebung einer Klage von einem vorangehenden obligatorischen Güteversuch abhängig zu machen. Die dadurch in vielen Fällen erzielten gütlichen Einigungen können insbesondere in Nachbarschaftsstreits zu einer für beide Seiten gesichtswahrenden Lösung führen, sind kostengünstig und genau wie ein gerichtliches Urteil vollstreckbar. Angesichts überlaufener Gerichte und langer Verfahrenszeiten kann dies in manchen Fällen eine zügige und ebenfalls den Rechtsfrieden wahrende Lösung darstellen. Der Gesetzgeber hat in Brandenburg jedoch nicht den vollen ihm zur Verfügung stehenden Spielraum ausgenutzt. So ist etwa nach § 1 Absatz 1 des Brandenburgischen Schlichtungsgesetzes in vermögensrechtlichen Streitigkeiten kein Schlichtungsversuch vorgesehen, obwohl § 15a EGZPO den Landesgesetzgeber ermächtigt, entsprechende Regelungen für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einer Höhe von 750 Euro zu schaffen.

Ich frage die Landesregierung: Wie steht sie zu einer möglichen Ausweitung der Zuständigkeit gemeindlicher Schiedspersonen, die die genannten vermögensrechtlichen Rechtsstreitigkeiten umfassen würde?

Antwort der Landesregierung

Ministerium für Justiz und für Europa und Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

die Forderung, den Zugang zu den Amtsgerichten bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis 750 Euro von der Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrensabhängig zu machen, ist nicht neu. Die Interessenvertretung der gemeindlichen Schiedsstellen — der Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen— BDS — setzt sich seit Jahren für diese Erweiterung der obligatorischen Streitschlichtung ein.

Brandenburg hat im Jahr 2000 von der bundesrechtlichen Länderöffnungsklausel des § 15a EGZPO Gebrauch gemacht. In bestimmten Bereichen ist seitdem die Zulässigkeit einer zivilgerichtlichen Klage davon abhängig, dass die Parteien zuvor versucht haben, eine Einigung zu erzielen. Der Einigungsversuch ist vor einer gemeindlichen Schiedsstelle oder einer anerkannten Gütestelle zu unternehmen. Ursprünglich musste auch bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Wert von 750 Euro zunächst ein Streitschlichtungsverfahren durchgeführt werden.

Der Landtag hat sich im Jahr 2006 jedoch aus guten Gründen dazu entschlossen, die vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem Anwendungsbereich der obligatorischen Streitschlichtung herauszunehmen. Dem war eine umfassende Evaluierung vorausgegangen. Diese hatte ergeben, dass sich die obligatorische Streitschlichtung zwar im Bereich der nachbarrechtlichen Streitigkeiten und der Streitigkeiten wegen Ehrverletzungen bewährt hat, nicht aber im Bereich der vermögensrechtlichen Streitigkeiten.

Der Vergleich der Anzahl von Mahnverfahren bis 750 Euro mit der Anzahl der Anträge auf Streitschlichtung bis 750 Euro hatte nämlich aufgezeigt, dass Rechtsuchende sich lediglich in ca. 1 % der Fälle an die Schlichtungsstellen gewandt hatten. In 99 % der Fälle wurde dagegen das Mahnverfahren bevorzugt. Diese sogenannte „Flucht in das Mahnverfahren" ist bundesrechtlich garantiert und bietet den Betroffenen in der Regel eine einfachere Möglichkeit, ihre Ansprüche durchzusetzen.

Die von den damaligen Fraktionen der SPD und der CDU in ihrem Gesetzentwurf gegebene Begründung hat auch heute noch Bestand. In der Regel ist den Betroffenen, die eine offene Geldforderung haben, mit einer schnellen Entscheidung im gerichtlichen Mahnverfahren eher gedient als mit dem Versuch einer gütlichen Einigung im Schlichtungsverfahren. Mehraufwand und Mehrkosten für ein vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren lohnen sich nur dort, wo begründete Aussicht auf Erledigung der Streitigkeit ohne Einschaltung des Gerichts besteht. Die geringe Inanspruchnahme der vorgerichtlichen Streitschlichtung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten hat gezeigt, dass die Beteiligten dem Mahnverfahren die größeren Erfolgsaussichten beimessen.

Dementsprechend haben inzwischen auch alle anderen Bundesländer — zuletzt im Jahr 2013 Baden-Württemberg — die obligatorische Streitschlichtung für vermögensrechtliche Streitigkeiten aufgehoben. Es besteht also insoweit ein breiter Konsens in der rechtspolitischen Einschätzung.

Eine Wiedereinbeziehung der vermögensrechtlichen Streitigkeiten in die obligatorische Streitschlichtung kommt daher aus meiner Sicht auf absehbare Zeit nicht in Betracht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür bekannt, dass sich an der Lage, die zu der Aufhebung der entsprechenden Vorschrift im Brandenburgischen Schlichtungsgesetz geführt hat, etwas geändert hätte. Es ist vielmehr damit zu rechnen, dass die obligatorische Streitschlichtung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten nach einer Wiedereinführung erneut ein Schattendasein führen würde. Eine dahingehende Gesetzesänderung ist somit nicht erforderlich.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Ludwig