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Bierbotschafter für Brandenburg

Michael Jungclaus:

Aus den Drogen- und Suchtberichten der vergangenen Jahre wird deutlich, dass die Zahl der Menschen, die an den Folgen von Alkoholkonsum erkranken, zunimmt. Im Bericht von 2016 heißt es: „Seit dem Jahr 2000 hat die Zahl der Personen, die aufgrund von alkoholbedingten Erkrankungen stationär behandelt wurden, um 21,5 Prozent zugenommen.” In Deutschland sterben nach Schätzungen jährlich zwischen 42.000 und 74.000 Menschen an den Folgen von Alkohol. Die Suchtprävention, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, ist angesichts dieser Zahlen von zentraler Bedeutung.

Am 22. Mai 2017 wurde der ehemalige Boxer Axel Schulz vom Verein zur Förderung Brandenburger Klein- und Gasthausbrauereien zum Bierbotschafter für Brandenburg ernannt. Zu den Aufgaben des Bierbotschafters gehört es, die märkischen Biere zu bewerben, zum Beispiel auf der Grünen Woche in Berlin oder beim Brandenburger Bierfest die Bierkönigin küren. Laut Axel Schulz qualifiziert ihn sein Hobby „Biertrinken“ dazu, für die kleinen Brandenburger Brauereien zu werben. Minister Jörg Vogelsänger sieht in ihm „einen hervorragenden Werbeträger“. Auf einem Foto, erschienen im Blickpunkt am 22. Mai 2017 (online), wirbt Minister Vogelsänger mit einem Kind, das den Gürtel des Bierbotschafters trägt und vor dem Schild „Brandenburger Bierstraße“ für Brandenburger Brauereien posiert.

Ich frage die Landesregierung: Ist es nach ihrer Ansicht, angesichts der steigenden alkoholbedingten Erkrankungen und der hohen Anzahl an Alkoholtoten, sinnvoll und angemessen, mit einem Bierbotschafter, der Biertrinken als sein Hobby angibt, für Brandenburger Biere zu werben und auch Kinder für Bierwerbung einzusetzen?

Antwort der Landesregierung

Präsidentin Stark:
Auch hier wird Staatssekretär Kralinski sicherlich die richtigen Worte finden. Bitte schön.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Warum antwortet denn nicht Minister Vogelsänger selbst?)

Chef der Staatskanzlei Staatssekretär Kralinski:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Jungclaus, gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung: Ich finde, für regionale Produkte zu werben ist gut, richtig und wichtig,

(Beifall SPD und der Abgeordneten Heinrich [CDU])

auch wenn es sich dabei um alkoholhaltige Getränke handelt. Ich glaube, ehrlich gesagt, es ist ein bisschen lebensfremd, zu fordern, dass wir nicht für regionale Produkte werben sollten. Regionale Produkte sind ein Stück Ausdruck unserer Lebensart und -weise im Lande. Ich glaube, es wäre lebensfremd, nicht mehr dafür zu werben, nur weil die theoretische Möglichkeit besteht, bei übermäßigem Konsum gesundheitliche Schäden davonzutragen. Denn wenn wir ehrlich sind, dürften wir dann auch nicht mehr für Hausmacherleberwurst oder Mettwurst werben.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Na ja, davon ist man eher selten berauscht!)

Ich glaube, dass es da auf den mündigen Verbraucher ankommt, denn er weiß, dass es auch in diesem Fall wie immer im Leben ist: Auf die Dosis kommt es an.

Zu dem Bierbotschafter: Ich bin ehrlich gesagt sehr froh, dass wir Axel Schulz als Bierbotschafter gewinnen konnten, weil er ein sehr guter und sympathischer Werbeträger ist. Ich habe gestern extra noch einmal mit ihm darüber gesprochen. Er macht das mit großer Freude und im Übrigen auch ehrenamtlich. Wer bei dem Pressegespräch dabei war, der weiß, glaube ich, ziemlich genau, dass das, was er über sein Hobby gesagt hat, mit einem Augenzwinkern gemeint war - also nicht bierernst.

(Lachen bei der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE])

Ich glaube, jedem ist klar, dass das Ganze keine Aufforderung zu übermäßigem Alkoholkonsum gewesen ist. Im Übrigen hat uns die Staatskanzlei in Stuttgart mitgeteilt, dass der dortige Ministerpräsident auch sehr gern Bier trinkt. Warum hat sie das getan? Weil Winfried Kretschmann morgen zum Bierbotschafter des Deutschen Brauereiverbandes ernannt wird.

(Beifall und Lachen SPD, der Fraktion DIE LINKE und CDU)

Ich finde, das steht dem Ministerpräsidenten eines Landes, in dessen Staatsbesitz sich eine Brauerei befindet, ziemlich gut zu Gesicht. Ich bin da kein Experte, aber ich habe gehört, es soll sogar ziemlich gutes Bier sein. Zum Thema Foto: Das Foto ist nach der Pressekonferenz entstanden - als ein Erinnerungsfoto des Inhabers der Potsdamer Braumanufaktur. Auf dem Foto ist der Sohn des Inhabers zu sehen. Ich glaube, man erkennt ziemlich gut, dass der Inhaber der Braumanufaktur ziemlich viel Spaß daran hat und auch ein bisschen stolz ist auf das, was er tut. Er stellt regionale Produkte her, zudem in Bioqualität. Ich vermute, dass das auch ein bisschen der Hintergrund dafür war, dass sich Ihre grüne Spitzenkandidatin in genau dieser Braumanufaktur hat zum Bundestag nominieren lassen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und CDU)

Deswegen meine Bitte: Lassen wir die Kirche im Dorf. Ich finde, wir sollten mit Augenmaß für regionale Produkte werben. Deswegen habe ich das Landesmarketing im Übrigen auch gebeten, sich, nachdem wir jetzt einen Bierbotschafter haben, darum zu kümmern, dass wir auch einen Weinkönig oder eine Weinkönigin küren. Mal sehen, wer es wird.

(Beifall SPD)

Präsidentin Stark:
Herr Staatssekretär, es gibt Nachfragen. Bitte, Herr Jungclaus.

Jungclaus (B90/GRÜNE):
Ich bin dankbar, dass Sie das offensichtliche Missverständnis bezüglich des Fotos mit dem Kind aufgeklärt haben. Das lässt das Ganze natürlich in einem etwas anderen Licht erscheinen. Nichtsdestotrotz hätte ich mir in diesem Zusammenhang von unserem Umweltminister ein bisschen mehr Professionalität gewünscht, als es um die Frage ging, wer sich abbilden lässt und ob diese Fotos veröffentlicht werden. Aber gut.

Was ich aber regelrecht skandalös finde, ist, dass Sie sich hier hinstellen und das Ganze verniedlichen und verharmlosen, indem Sie das Nervengift Alkohol mit Leberwurst vergleichen und damit die Zahl der Alkoholkranken relativieren. Dass Sie Werbung für regionale Produkte, die ich Ihnen durchaus zugestehe, mit Alkoholwerbung, die auch Kinder sehen, wenn sie vorm Fernseher sitzen, zum Beispiel bei Fußballspielen, in einen Topf werfen, steht der Landesregierung nicht gut zu Gesicht.

Insofern würde mich interessieren, wie Sie gedenken, diesen Zielkonflikt zwischen Regionalwerbung und Suchtprävention besser unter einen Hut zu kriegen als mit einem Boxer, einem ehemaligen Sportler, der von sich behauptet, Biertrinken sei sein Hobby.

Präsidentin Stark:
Mit Bitte um eine kurze Antwort, Herr Staatssekretär Kralinski.

Staatssekretär Kralinski:
Erstens bitte ich um Verständnis, dass man den Umweltminister nicht dafür verantwortlich machen kann, wenn Bilder, die erst selbst nicht aufgenommen hat, veröffentlicht werden. Sie waren als private Erinnerungsfotos gedacht.

Im Übrigen habe ich ausgeführt, dass man das alles immer mit Augenmaß betrachten muss. Das habe ich explizit gesagt, und genauso ist es auch gemeint. Ich glaube, es ist gut, richtig und wichtig, für regionale Produkte zu werben - und das mit Augenmaß.

(Beifall SPD sowie der Abgeordneten Heinrich und Hoffmann [CDU])