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Belastung Brandenburger Gewässer durch Biozideinträge aus wärmegedämmten Fassaden

(Nr. 2776 - Sabine Niels und Michael Jungclaus) Rund 900 Millionen Quadratmeter Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) waren Ende 2012 an deutschen Gebäuden verbaut, um Energie zu sparen. Das entspricht einer Fläche, die größer ist als das Bundesland Berlin. Als WDVS wird die Kombination von Außendämmung und Außenputz bezeichnet.In WDVS wird der zumeist aus aufgeschäumten Kunststoffen oder Glasfasern basierende Dämmstoff mit Kunstharzputz und Dispersionsfarben versiegelt, so dass das Gebäude eine dichte Außenhaut erhält, die optisch einer traditionellen Putzfassade ähnelt. Diese Art der Versiegelung hat den Nachteil, dass sie nicht atmungsaktiv ist und keine Feuchtigkeit im Material speichern kann.Dadurch sind diese Fassaden anfällig für Veralgungen, die vom Hausbesitzer als Mangel angesehen werden. Damit die gedämmten Fassaden an der Oberfläche nicht veralgen, enthalten die auf den WDVS eingesetzten Fassadenfarben Biozide (Gifte) wie beispielsweise Terbutryn und Isoproturon. Nach den Sicherheitsdatenblättern sind die Stoffe „sehr giftig für Wasserorganismen“ und können „in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben“ und „vermutlich Krebs erzeugen“. Terbutryn ist daher als Agrochemikalie seit 1997 verboten.

Die in den Farbanstrichen oder im Putz enthaltenen Biozide werden durch Regen ausgewaschen und finden sich im Grundwasser wieder. Bei Feldversuchen in der Schweiz wurden pro Jahr und Geschoss 0,2 Kilo Terbutryn je Hektar ausgewaschen. Die Forscher fanden heraus, dass Isoproturon-Konzentrationen in Fassaden pro Flächeneinheit rund 10- bis 20-mal höher liegen als in der landwirtschaftlichen Praxis. Auf 8 bis 12 Jahre gerechnet, könne aus einer mehrgeschossigen Siedlung die doppelte bis zehnfache Menge Wirkstoff pro Hektar Fläche in die Gewässer gelangen als aus der Landwirtschaft. Nachdem die Biozide durch Regen ausgewaschen worden sind, gelangen sie nicht nur über das Versickern in den Boden und ggf. das Grundwasser, sondern auch über Kläranlagen, die diese Stoffe nicht herausfiltern können, in die Gewässer. Das Landesumweltamt NRW hat bereits rund 660 Grenzwertüberschreitungen allein von 2008 bis 2012 in kleinen Bächen bis zu den Strömen festgestellt. Zum Teil liegen die Werte um das 50-fache höher als die Zielvorgabe des Bundesumweltamtes.

WDVS aus Styropor, Glaswolle oder ähnlichen Baustoffen in Kombination mit luftundurchlässigen Kunstharzputzen und Dispersionsfarben sparen gegenüber verklinkerten Fassaden oder Vorhangfassaden Zeit und Geld.

Qualitativ hochwertige Alternativen aus natürlichen oder nachwachsenden Rohstoffen sind, in Kombination mit anderen Dämmstoffen (z.B. Zellulose) und anderen Außenputzen, am Markt verfügbar. Diese erfordern aber im Vergleich größere Dämmdicken und momentan ca. 20% höhere Investitionen.

>>> Die ausführliche Kleine Anfrage und die Antwort der Landesregierung als pdf

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche kurz- bis langfristigen Auswirkungen sind durch den Einsatz von Bioziden in Wärmedämmverbundsystemen und anderen Baustoffen für Boden, Grundwasser, Gewässer, Anwohner und die Trinkwassergewinnung in Brandenburg bekannt bzw. zu erwarten?Werden die genannten Schadstoffe bei den Messstellen an Oberflächengewässern und im Grundwasser in Brandenburg erfasst? Wenn ja, was sind die Ergebnisse (bitte Belastung je Messstelle für die letzten 5 Jahre angeben)? Wenn nein, was wird die Landesregierung diesbezüglich tun?

  2. Welche weiteren Baustoffe/-materialien sind der Landesregierung bekannt, die Biozide gegen Veralgung einsetzen? In welchem Umfang gehen von diesen Gefahren für Grundwasser, Gewässer, Anwohner und die Trinkwassergewinnung aus?

  3. Wie werden Handel, Handwerksbetriebe, Architekten und Bauherren in Brandenburg auf die Gefahr von biozidhaltigen Baustoffen aufmerksam gemacht und wie kann die Information optimiert werden?

  4. Wird die Landesregierung bei zukünftigen landeseigenen Bauvorhaben die Verwendung biozidhaltiger Wärmedämmverbundsysteme und weiteren biozidhaltigen Baustoffen ausschließen? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht?

  5. Wird die Landesregierung eine Musterausschreibung für biozidfreie Wärmedämmverbundsysteme veröffentlichen, um Architekten und Bauherren (bspw. Kommunen, die Kindertagesstätten bauen lassen) den Verzicht zu erleichtern? Wenn nein, warum nicht?

  6. Wird das Land Bauprojekte, die biozid-haltige Wärmedämmverbundsysteme verwenden, zukünftig von Förderungen ausschließen? Wenn nein, warum nicht?

  7. Wird sich die Landesregierung auf Bundesebene und im Bundesrat dafür einsetzen, dass der Einsatz von Bioziden in Fassadenfarben und -putzen und an anderen Baustoffen verboten wird? Wenn nein, warum nicht?

  8. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung zu ergreifen, um biozidfreie Baustoffe zu fördern?